Krisenfall Frankreich
– Covid-Spätfolgen untersucht
● Frankreich: Ohne Regierung |
● Grundschulen: Betreuungsmangel |
● OECD: Schlusslicht Deutschland |
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Liebe Leserin, Lieber Leser, auf die Gefahr hin, dass Sie der Merkelmanie dieser Tage überdrüssig sind: Ich hätte da noch was. Anders als manche Kollegen, zum Beispiel der grundsätzlich umwerfende FOCUS-Kolumnist Jan Fleischhauer, kann ich ihren Memoiren etwas abgewinnen. Ziemlich viel sogar. Ich habe mir „Freiheit“ als Hörbuch gegönnt. Bei der herbstlichen Gartenarbeit. Die mich gewiss in einen entspannteren Gemütszustand versetzt hat, als wenn ich mich in kürzester Zeit durch hunderte Seiten journalistischer Pflichtlektüre hätte ackern müssen. Im Gegensatz zur Frankfurter Rundschau – „Nichts Neues auf 700 Seiten“ – hörte ich eine Menge davon. Angie als Wohnungsbesetzerin war mir bislang unbekannt. Ebenso der Grund ihrer Liebe zu knallbunten Jacketts (nachträgliche Rebellion gegen die DDR-Farbpalette). Jenseits der Trivialitäten habe ich als Kind der Bonner Republik eine Menge gelernt. Über ein Land, das es nicht mehr gibt und dessen gängelnden Sozialisten-Mief Merkel ebenso präzise beschreibt, wie die westdeutsche Gönnerhaftigkeit im Einigungsprozess (und darüber hinaus), das CDU-Misstrauen ihr gegenüber und ihre eigene Naivität. Erleichtert habe ich mal wieder festgestellt, wie weit unser Land seit den 1990ern gekommen ist – als manche in der Union noch fanden, das „Resultat einer philippinischen Sommernacht“ (nicht-eheliche Kinder) verdiene doch wirklich keine Gleichstellung im Erbrecht. |
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| „Freiheit“: 35.000 Exemplare der Merkel-Memoiren hat der Verlag Kiepenheuer & Witsch am ersten Tag verkauft, ein Umsatz von 1,47 Millionen Euro (© dpa) |
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Ist meine Neugier befriedigt? Nein. Bin ich enttäuscht? Nein. Nennen wir es Erwartungsmanagement: Die Bundeskanzlerin rechnet überraschenderweise nicht mit sich ab. Wo Merkel draufsteht, ist auch Merkel-Sie-kennen-mich drin. Im Guten wie im Schlechten. Als schlecht wird ihre Sprache angeprangert und gefragt, warum sie – statt an der Ostsee mit ihrer engsten Vertrauten Beate Baumann in Klausur zu gehen – keine Edelfeder engagiert habe. Gegenfrage: Weil Helmut Kohl mit seinem Ghostwriter ein so glückliches Händchen hatte, dass die Anwälte noch posthum an dem Rechtsstreit verdienten? Und schließlich, à propos Neuigkeiten, traute ich meinen Ohren kaum, als Merkel im Buch plötzlich von einer „offenen Feldschlacht“ zwischen Unions-Fraktion und Schröder-Regierung berichtet. Sie darf das offenbar, anders als die D-Day-FDP. Wie haben Sie die Merkel-Festspiele auf allen Kanälen erlebt? Schreiben Sie uns an [email protected] |
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| Der französische Premierminister Michel Barnier, 73, gestern vor dem Misstrauensvotum gegen ihn in der Nationalversammlung (© dpa) |
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Regierungskrise: Frankreichs Zukunft völlig offen |
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Nach nur drei Monaten Amtszeit muss Frankreichs Premierminister Michel Barnier heute Vormittag bei Staatspräsident Emmanuel Macron seinen Rücktritt einreichen. Gestern Abend hatte eine Mehrheit aus Linksbündnis und Rechtsnationalen, ingesamt 331 von 577 Abgeordneten, Barniers Mitte-Rechts-Minderheitsregierung das Misstrauen ausgesprochen. Wie geht es weiter? Allen politischen Lagern fehlt die Mehrheit, um alleine zu regieren. Eine Parlamentsneuwahl ist erst im Juli 2025 möglich. Angeblich will Macron bis zur Wiedereröffnung der Kathedrale Notre Dame am Samstag bereits einen neuen Premier ernennen. Er stünde vor den gleichen Problemen wie Barnier. Was bedeutet das für Macron? Er will bis zum Ende seiner Amtszeit 2027 Staatschef bleiben. Frankreichs Linke und die Rechtsnationalen fordern aber immer lauter eine vorgezogene Präsidentschaftswahl. Welche Folgen hat die Krise für Frankreich? Stillstand und einen weiterhin fehlenden Haushalt 2025. Es drohen Steuererhöhungen und das Ausbleiben von Entlastungen. Die Finanzmärkte könnten das Vertrauen in das hochverschuldete Land verlieren, was Investitionen in den Standort weiter gefährdet. |
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| An deutschen Grundschulen fehlt es an Betreuung (© dpa) |
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Grundschulen: Ganztagsplätze knapp |
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Ab Sommer 2026 haben Familien in Deutschland Anspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter, doch es fehlen hunderttausende Plätze. Bei konstant bleibendem Bedarf, so der Bericht, den Familienministerin Lisa Paus (SPD) gestern dem Kabinett vorstellte, liegt die Lücke bei 271.000 Plätzen. Steigt er, sind es sogar 413.000. Westdeutsche Grundschulen sind besonders betroffen. Von rund 3 Millionen Kindern in dem Alter besuchen derzeit 1,8 Millionen eine Ganztagsbetreuung, 130.000 mehr als im Vorjahr. Laut Paus gebe es inzwischen an immerhin 73 Prozent der Grundschulen ein solches Angebot. Zentrales Problem: Fachkräftemangel. Familienausschuss-Mitglied Jasmina Hostert (SPD) fordert deshalb: „Wir müssen zusammenarbeiten: Bund, Länder und Kommunen.“ Vor allem, weil eine Studie belegt, dass Fähigkeiten von Viertklässlern in Deutschland stark von der Herkunft der Eltern abhängen.Bei der Untersuchung von „Trends in International Mathematics und Science” (TIMMS) schnitten Kinder aus 16 Ländern (u.a. Südkorea, Polen, Lettland, Irland, Finnland) in Mathematik besser ab als Grundschüler aus Deutschland. |
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| Die siebte Protestnacht in Folge: Zehntausende Georgier demonstrieren gegen die herrschende Partei „Georgischer Traum“ (© imago) |
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Polizeigewalt und Folter in Georgien |
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Nach den Protesten in Georgien prangert der dortige Menschenrechtsbeauftragte Polizeigewalt und Folter an. Die meisten der 290 festgenommenen Demonstranten hätten „schwere Verletzungen im Gesicht, an den Augen und am Kopf, was praktisch ausschließt, dass die Polizei jedes Mal die notwendige, angemessene Gewalt gegen sie angewandt hat“, so Lewan Iosseliani, Gegenüber FOCUS berichtet ein junger Regierungskritiker anonym von einem 22-Jährigen, der im Koma liegt, nachdem er von einer Gaskartusche ins Auge getroffen wurde. Ebenso, dass selbst ein körperbehinderter Mensch von der Polizei brutal geschlagen worden sein: „Hier herrscht Wahnsinn, die Mafia regiert.“ Offiziell wurden 15 Menschen in Kliniken gebracht: elf Demonstranten, drei Medienvertreter und eine Sicherheitskraft. Seit der von Fälschungsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl Ende Oktober protestieren Menschen, darunter auch die Staatspräsidentin Salome Surabischwili, gegen Ministerpräsident Irakli Kobachidse. Die Situation verschärfte sich nach seiner Ankündigung, bis 2028 keine EU-Beitrittsverhandlungen zu führen. Dies verstärkt wahrscheinlich den russischen Einfluss auf die Südkaukasusrepublik. |
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Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, 69, hat scharfe Kritik an Gedankenspielen von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) geübt, die Bundeswehr einen möglichen Waffenstillstand in der Ukraine sichern zu lassen. Er halte solche Spekulationen zum jetzigen Zeitpunkt für unverantwortlich, sagte Merz bei „Maischberger“: „Diese Frage stellt zurzeit niemand“. Darüber hinaus wollte der CDU-Chef in der Sendung weder Änderungen an der Schuldenbremse ausschließen, noch eine Koalition mit den Grünen. | |
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| BMW-Werk in Spartanburg in South Carolina (© Reuters) |
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Trump-Effekt? Deutsche investieren in den USA |
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Deutsche Wirtschaftsvertreter in den USA rechnen fest damit, dass Donald Trump seine Drohung mit Strafzöllen gegen die EU wahrmacht. Christoph Schemionek, Leiter des Verbindungsbüros von BDI und Außenhandelskammer (AHK) in Washington sagte zum FOCUS: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass die kommende US-Regierung ein solches Zollverfahren anstreben wird.“ Die Vereinigten Staaten sind der wichtigste Exportmarkt für Made in Germany. Allein 2023 stiegen die Ausfuhren in die USA um rund zehn Prozent auf 157,9 Milliarden Euro. Doch wegen der boomenden US-Wirtschaft weiten deutsche Unternehmen ihr Engagement auch vor Ort aus: Seit 2014 haben sich die Direktinvestitionen „mehr als verdoppelt“, so Schemionek - auf zuletzt rund 619 Milliarden Euro. Der Trend dürfte sich fortsetzen: Die Strafzölle seien für manche Betriebe „ein weiterer Anreiz, sich dort anzusiedeln“, ob mit eigenen Standorten oder durch Übernahmen von US-Firmen. Schemionek warnte jedoch vor zu hohen Erwartungen. Anders als vielfach angenommen, gebe es auch in den USA „einiges an Bürokratie“. Dazu nehme „die rechtliche Absicherung und Haftung“ in den USA einen größeren Raum ein. Das „größte Problem“ sei jedoch der Fachkräftemangel, der zu einem „allgemeinen Arbeitskräftemangel“ angewachsen sei. |
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OECD: Rote Laterne für Deutschland |
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Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) hat ihre Prognose für das deutsche Wirtschaftswachstum erneut reduziert. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte 2025 lediglich um 0,7 Prozent zulegen, heißt es. Im Mai lag die Erwartung noch bei 1,1 Prozent. Damit hat sich die größte europäische Volkswirtschaft als Schlusslicht unter den OECD-Ländern etabliert (siehe Grafik). Zum Vergleich: Die Euro-Zone dürfte 2025 gut doppelt so schnell wachsen, die USA dreimal so schnell. |
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Die Gründe für unsere Wachstumsschwäche sehen die OECD-Volkswirte vor allem in der flaue Produktion und der schwachen Nachfrage aus China. Chinesische Hersteller setzten deutschen Wettbewerbern international auch zunehmend zu, gerade Autobauer. Zudem sei die „restriktive Fiskalpolitik“ belastend, warnen die Ökonomen unter Verweis auf die Schuldenbremse. Das Aus der Ampel-Koalition verunsichere ferner private Haushalte und Unternehmen. |
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19 Millionen Euro lassen sich die Grünen ihre Kampagne zur Bundestagswahl 2025 kosten, erfuhr FOCUS auf Anfrage. Die SPD will rund 15 Millionen Euro investieren, die Linke 6,8 und das BSW vier. Die CDU hat ihr Budget noch nicht verabschiedet. Für den Wahlkampf 2021 gab sie 20 Mio. Euro aus. Der AfD-Schatzmeister war bis Redaktionsschluss nicht erreichbar. CSU und FDP machten keine Angaben. |
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„Wir agieren als Management in keiner Wünsch-Dir-Was-Welt.“ Volkswagen-Chef Oliver Blume, 56, gestern auf der VW-Betriebsversammlung zu den geplanten Einschnitten bei Europas größtem Autobauer. | |
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| Psychische Lasten und Hirnalterung – die Folgen von Corona dauern gerade bei jungen Menschen an (© action press) |
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Corona: Langzeitfolgen für die Psyche |
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Zwar geht es Kindern und Jugendlichen im Vergleich zur Pandemie-Zeit wieder besser. Doch ihre psychische Belastung war im Herbst 2024 noch immer höher als vor Corona. Das ist das Ergebnis der siebten Befragung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf für die sogenannte COPSY-Studie (kurz für Corona und PSYche) Kinder und Jugendliche mit ausgeprägten Zukunftsängsten seien besonders stark betroffen, schreiben die Autoren. Gleichzeitig hätten die Sorgen vor Kriegen, Terrorismus, Wirtschaftskrisen und der Klimakrise deutlich zugenommen. Die Befragung von fast 3000 Familien mit Kindern und jungen Erwachsenen zwischen 7 und 22 Jahren zeigte ferner, dass intensive Social-Media-Nutzung bei einem Teil der Kinder und Jugendlichen mit belastenden Erfahrungen verbunden war. Eine Studie der Universität Washington ergab zudem, dass die Isolation in der Coronazeit womöglich die Gehirne von Jugendlichen auch schneller altern ließ. Demzufolge hat sich die Gehirnreifung bei Mädchen im Mittel um 4,2 Jahre beschleunigt, bei Jungen um 1,4 Jahre. Die COPSY-Autoren drängen auf bessere Präventions- und Interventionsmaßnahmen, „um jungen Menschen bei der Bewältigung dieser Krisen zu helfen und ihre Auswirkungen auf die psychische Gesundheit abzumildern“. |
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| (© Pierrick Rocher/BFA.com) | Gewinnerin: Für Koyo Kouoh, 57, ist es eine Premiere und für die Kunstbiennale in Venedig auch. 2026 wird die aus Kamerun stammende Künstlerin als Kuratorin der internationalen Ausstellung fungieren – als erste Afrikanerin überhaupt. Kouoh ist derzeit Direktorin des Zeitz Museum of Contemporary Art Africa in Kapstadt. Über ihrer Ernennung sagte sie: eine „einmalige Ehre“. | |
Verlierer: Mit seiner Entscheidung, das Kriegsrecht auszurufen, hat der südkoreanische Präsident Yoon Suk-yeol, 63, eine Staatskrise ausgelöst – und seinen eigenen politischen Untergang eingeläutet. Sechs Stunden währte der Ausnahmezustand, der angeblich dem Schutz vor Nordkorea galt. Dann hob das Parlament ihn auf. Nun droht Yoon ein Amtsenthebungsverfahren, und Millionen Südkoreaner fordern seinen Rücktritt. | |
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… würdigen wir anderer Länder Sitten, denn die Unesco hat ihre Liste des immateriellen Kulturerbes um 19 Praktiken erweitert. Darunter Pyssanka (ukrainisches Eierverzieren), die arabische Henna-Tradition und Jang (fermentierte Soßen in Südkorea). Als bedroht und erhaltungsbedürftig gilt auch das Wosana-Ritual zur Beschwörung von Regen in Botswana. | | Klaassohm: Das Gemeinschaftsfest für die Insel Borkum sorgte für Aufregung (© dpa) | Deutsche Nominierungen behandelte die Unesco nicht. Doch vielleicht hat bald ja Klaassohm eine Chance. Nach dem Ärger um den Inselbrauch auf Borkum wäre das ein versöhnliches Ende. Falls er Ihnen entgangen ist: Normalerweise hätten dort morgen, in der Nacht zum 6. Dezember, maskierte Männern mit Kuhhörnern jenen Frauen aufs Gesäß geschlagen, die nicht zu Hause bleiben wollten. Alte Walfänger-Tradition und so. Etwas überholt. Und nach bundesweiter Empörung wird ab morgen gewaltlos gefeiert. Herzliche Grüße | | Tanit Koch |
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