| | | | | 23. Februar 2024 | | Deutscher Alltag | | | |
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| | | | | vom bayerischen Ministerpräsidenten heiÃt es, dass er zu klassischer Musik, gar zur Oper, ungefähr so ein Verhältnis hat, wie es Margot Honecker zum Humor hatte. Dennoch würde es zu weit gehen, Markus Söder als einen schwarzen Margot Honecker zu bezeichnen, nur weil seine Witze auch manchmal schlecht sind. Immerhin aber ist Söder der oberste Dienstherr des Bayerischen Staatsorchesters sowie der Oper, wofür er nichts kann, weil das mit dem Amt des Ministerpräsidenten kommt. Als solcher muss Söder auch jedes Jahr zur Eröffnung der Festspiele nach Bayreuth. Söder-Kenner sagen, er habe sich dort nur einmal, bei der Premiere des âTannhäuserâ 2019, wohlgefühlt, weil in der Inszenierung von Tobias Kratzer manche Leute auf der Bühne Kostüme trugen, wie sie Söder aus der Fastnacht in Veitshöchheim kennt. Neulich habe ich an Söder gedacht â doch, das kommt vor â, als ich im Münchner Nationaltheater, also der Oper, den Lohengrin hörte und sah: mitreiÃende Inszenierung, eine perfekte Ortrud, leider kein Schwan, nirgends. Wagner ist in München fast immer ausverkauft, was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass ihn der seltsamste der wenigen bayerischen Könige, die es zwischen 1806 und 1918 gab, eine Zeit lang inniglich liebte und finanzierte. AuÃerdem sind die Ludwig-Zwei-Schlösser Neuschwanstein und Linderhof steingewordene Wagner-Kulissen. Und über die staatliche Schlösser- und Seenverwaltung ist auch da der bayerische Ministerpräsident die oberste Margot. Im Lohengrin waren erstaunlicherweise nicht nur alte Menschen. Halt, âalteâ Menschen soll man nicht denken, sagen oder schreiben, weil Alter, wie für manche das Geschlecht, eine höchst subjektive Sache ist. AuÃerdem gilt âaltâ als pejorativ wie in âalter weiÃer Mannâ, âalter Sackâ oder âalte Fehlerâ. Es waren also nicht nur Senioren, Silver Ager und Lebenserfahrene in der Oper, sondern auch Menschen, die jünger waren als fünfzig. Sogar ein paar AnfangsdreiÃiger sah ich. (Kinder waren auch einige da, aber die sind oft aus ähnlichem Grund wie Söder in der Oper: Sie dürfen dahin wollen müssen.) Wie das übrigens als Senior unter Junioren ist, habe ich vor einiger Zeit mal an der Kasse der Antikensammlung in München erlebt. Der freundliche Mann, Mitte dreiÃig, fragte mich, ob ich eine ermäÃigte Karte möchte. Ich dachte mir: Aha, so weit ist es also schon. Ich fragte zurück: Warum ermäÃigt? Er sagte: Sie sehen halt alt, äh, älter aus. Sic transit gloria mundi. Wenn man alle Menschen jenseits der 65 an jenem Sonntag aus dem Lohengrin-Publikum weggebeamt hätte, wäre, groÃzügig geschätzt, ungefähr noch ein Fünftel des Publikums übrig geblieben. In der Isarphilharmonie, die von niedlichkeitsorientierten Wortzerkleinern und -zerkleinerinnen mittlerweile âIphieâ genannt wird, würde bei vielen klassischen Konzerten im Falle eines kurzzeitigen Wegbeamens der Ãlteren nicht einmal ein Fünftel verbleiben. Klassische Musik ist im statistischen Sinne die Musik, pardon the expression, der Alten. Nun hat es bisher immer geklappt, dass etliche derer, die mal jung waren und dann ohne eigenes Zutun älter wurden, mit der Zeit auch ihren Musikgeschmack änderten. Die Opernhäuser und Konzertsäle waren bisher meistens einigermaÃen gut gefüllt; Beethoven, Berlioz oder Schostakowitsch galten auÃerdem als Teil jenes Kanons, der für ein bestimmtes Milieu âBildungâ, aber auch Zugehörigkeit, gar Identität bedeutete. In Deutschland spielt für diese Kultur nicht nur die im weiteren Sinne staatliche Subventionierung vieler Häuser und Orchester eine wichtige Rolle, sondern auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der klassische Musik verbreitet und selbst produziert. Das gibt es in dieser Kombination so nirgends anders, und man sollte es preisen, statt es abschaffen oder erheblich verkleinern zu wollen. Und wenn Subventionen dazu beitragen, dass die Theaterbesucherin und der Operngänger auch gelegentlich woker Pädagogik ausgesetzt werden, nun ja, was sollâs. Selbst Wagner gehörte 1849 in Dresden zu den aufständischen Demokraten, war also ein woker Revolutionär. Er blieb es nicht. Mal sehen, was Frau Neubauer in dreiÃig Jahren macht. Weil es wegen der berühmten demografischen Entwicklung immer mehr ältere und alte Menschen gibt, sind auch viele Besucher und Innen eines Rolling-Stones-Konzerts nicht wesentlich jünger als Mick, Keith und Ronnie (der ist mit 76 der jüngste). Rock ist also nicht nur, aber auch Musik der Alten. Taylor Swift oder Jay-Z hören die Jüngeren. Aber das ist auch keine Rockmusik. Ist allerdings egal, im Streamingdienst kostet alles 10,99 Euro im Monat. Wenn ich mal groà bin, schreibe ich ein Buch über die flat rate als kulturveränderndes Phänomen der Postaufklärung. Solange die Babyboomer sowie manche ihrer wirklich alten Eltern zu Mahlers Siebter in die Iphie gehen, ist für den Kulturbetrieb Münchner Prägung alles in bester, weil grauer Ordnung. Ihre Kinder und Enkel strömen dann im Sommer zu einem der zehn Adele-Konzerte nach Riem. Und was die Zukunft bringt â Putin, Klima, Seuchen â, weià man ohnehin nicht. Ob 2053 der neue Münchner Konzertsaal vielleicht mit Beethovens Violinkonzert, der dann 70-jährigen Julia Fischer und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks noch vor Publikum oder nur vor Präsenzavataren eröffnet wird, ist ungewiss. âLohengrinâ an der Staatsoper allerdings wird auch 2053 ausverkauft sein. | |
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| | | | | | | | | | Vom Konzerthaus zum Konzertsaal | | Bayerns Kunstminister Markus Blume will den Bau im Münchner Werksviertel "vom Milliardenprojekt zum Millionenprojekt" machen, damit er endlich verwirklicht werden kann. Wie das gehen soll. | | | |
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