Verehrte Leserinnen und Leser,
ich weiß nicht, ob Werner Baumann und Carsten Kengeter in den letzten Tagen miteinander gesprochen haben. Aber eines weiß ich: Der Bayer-Chef und der Boss der Deutschen Börse hätten sich viel zu erzählen. Zum Beispiel, wie man sich fühlt, wenn man gerade die Zukunft seines Unternehmens und damit auch die eigene berufliche Existenz riskiert. Die beiden könnten unterschiedlicher kaum sein. Werner Baumann ist ein fleißiger Handwerker, er glaubt an den Wert solider Arbeit, sei es beim Umbau des Privathauses oder der Firma. Carsten Kengeter war lange Investmentbanker und ist das auch als CEO geblieben, er liebt den Pulverrauch großer Deals. In ihrer Gegensätzlichkeit sind sie jedoch zum gleichen Ergebnis gekommen: Nichthandeln wäre für das jeweilige Unternehmen schlechter als etwas Großes zu wagen. Bei dem einen ist es die Übernahme von Monsanto, die Bayers Agrarsparte dauerhaft nach vorne führen soll. Bei dem anderen die Fusion mit der Londoner Börse, die die Frankfurter vor der Zweitklassigkeit bewahren soll. Die Logik ist simpel, aber zwingend: Wenn die Konkurrenten mit Übernahmen wachsen, verstärkst Du Dich entweder auch oder Du wirst untergemischt. Wenn ich das schreibe, singe ich nicht das Lied großer Männer und Schlachtenlenker. Und natürlich gibt es auch immer andere Möglichkeiten; wer glaubt, keine Handlungsalternativen zu haben, hat schon vorher etwas falsch gemacht. Mir geht es um etwas Anderes, pathetisch gesagt: um eine Würdigung persönlichen Mutes. Baumann wie Kengeter haben erst vor kurzem den Vorstandsvorsitz übernommen. Scheitern sie mit ihren großen Deals, sind sie auch persönlich angeschlagen. Wie viel leichter wäre es gewesen, nichts zu riskieren! Hier ein bisschen optimieren, dort ein paar neue Schlagwörter versenden, damit kann man sich als Manager leicht den zweiten Vorstandsvertrag sichern. Denn die negativen Folgen des Nichthandelns werden erst Jahre später sichtbar. Die Risiken, die Baumann und Kengeter jetzt eingehen, sind also alles andere als eine Ego-Show. Sie tun etwas, sie sind Unternehmer. Mit herzlichen Grüßen |