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5 nach 12 - Was ist heute wichtig? Das Mittags-Update von WELT-Chefredakteur Ulf Poschardt
Sehr geehrte Damen und Herren,
das staatliche Rettungspaket in Höhe von neun Milliarden Euro für die Lufthansa ist offenbar nicht rettend genug: Bei der Kranich-Airline stehen Tausende Stellen auf der Kippe. Der rechnerische Überhang liege bei 22.000 Vollzeitstellen, teilte das Unternehmen heute nach einem Tarifgipfel mit den Gewerkschaften Vereinigung Cockpit (VC), Ufo und Ver.di mit.
Ziel sei es nun, durch Kurzarbeit und Krisenvereinbarungen möglichst betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. „Ohne signifikante Senkung der Personalkosten während der Krise verpassen wir die Chance eines besseren Restarts aus der Krise und riskieren, dass die Lufthansa Group deutlich geschwächt aus der Krise hervorgeht“, sagte Personal-Vorstand Michael Niggemann. Man setze alles daran, mit den Tarifpartnern bis zum 22. Juni 2020 zu konkreten Ergebnissen zu kommen. Lufthansa rechnet damit, dass die Erholung der Nachfrage im Luftverkehr nur langsam verläuft. Sie geht davon aus, dass die Flotte der Lufthansa Group nach der Krise rund 100 Flugzeuge weniger zählen wird. Hinzu kämen Überhänge in der Verwaltung und im Drittkundengeschäft der Servicegesellschaften.
 
Die Folgen der Corona-Krise für private Haushalte könnten ebenfalls dramatische Auswirkungen annehmen: In den kommenden Monaten wird die Zahl der überschuldeten Haushalte und Privatpersonen massiv anschwellen – davon gehen zumindest Wirtschaftsauskunfteien aus. „Der große Zustrom zur Schuldnerberatung kommt noch. In zwei bis drei Monaten wird die Schuldenlast erdrückend“, erwartet Christoph Zerhusen, Referent für Überschuldung bei der Verbraucherzentrale NRW. Demnach müssten die Zahlen im August und September hochschnellen. „Was die Experten am meisten fürchten, sind Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt“, schreibt mein Kollege Michael Gassmann. Allein für die Monate März und April hatten 10,1 Millionen Menschen Kurzarbeit beantragt.  
Die Rassismus-Debatte in den USA ebbt nicht ab. Nun hat die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, gefordert, elf Denkmäler, die Führer der Konföderierten Staaten und Soldaten aus dem Bürgerkrieg ehren, unverzüglich aus dem Kapitol entfernen zu lassen. „Ihre Statuen sind eine Hommage an Hass, nicht an unser Erbe“, schrieb Pelosi in einem Brief an die Leitung des Kongressausschusses, der für die Verwaltung der Statuen im Kapitol zuständig ist.
 
Entfernt worden ist bereits der Film „Vom Winde verweht“, und zwar von der Streamingplattform HBO (siehe Foto). Er beschreibe ethnische und rassistische Vorurteile, erklärte ein HBO-Sprecher die Entscheidung. Der Film ist für mich eine kitschige, barocke Schnulze ohne viel Tiefgang. Dass er aber jetzt wegen ihrer darin zu entdeckenden rassistischen Vorurteile gecancelt wird, ist der Vorschein einer Ästhetik der Unfreiheit und Zensur. Sie hatte ihren unseligen Anfang in einigen Elite-Universitäten und hat sich nun mit dem Siegel der identitätspolitischen Esoterik in denkulturindustriellen und medialen Mainstream gebückt. Selbstverständlich ist die Darstellung der Rolle der Schwarzen indiskutabel – aber danach kamen Martin Luther King, Chuck D. und Obama. Nichts ist ohne Vorgeschichte denkbar. Auch nicht ohne leidvolle Vorgeschichte. Die nun modische Cancel Culture will die Sprach-, Denk- und Theorieregimente des politisch Korrekten auch retroaktiv in die Vergangenheit kehren.
 
Nicht entfernen wird sich US-Präsident Donald Trump. Er will nach einer rund dreimonatigen Pause wegen der Coronavirus-Pandemie bald wieder Wahlkampfauftritte aufnehmen. „Laut und ungestüm und groß“ sollen die Kundgebungen für seine Wiederwahl werden. Das sagte Trumps Kommunikationsdirektor Tim Murtaugh dem Sender Fox News. Kritik an solchen Veranstaltungen in Corona-Zeiten wies Murtaugh zurück: Trump-kritische Medien hätten sich auch nicht daran gestört, dass bei den Protesten infolge des Todes des Afroamerikaners George Floyd Corona-Schutzmaßnahmen ignoriert worden seien.
 
Zum Schluss noch einen Hörtipp: In der neuen Folge unseres Podcasts „Gegen den Corona-Koller“ geht es um etwas, das vor Wochen angekündigt wurde, immer noch nicht da ist, aber nun kommen soll: die Corona-Warn-App. Worauf Sie achten müssen, was die App kann – und was nicht, darüber spricht Michael Littger, Geschäftsführer von "Deutschland sicher im Netz".

Bleiben Sie gesund,

Ihr



Ulf Poschardt


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