am vergangenen Freitag haben Sie an dieser Stelle etwas darüber erfahren können, wie variantenreich einem doch die Welt erscheinen kann, wenn man sein innerstes Selbst in verschiedene Unteridentitäten aufspaltet. Heute kehren wir die Ich-Splitter wieder zusammen und versuchen den verschiedenen Spielarten des Daseins mit einer anderen Methode auf die Schliche zu kommen. Nennen wir sie einmal den Schopenhauerâschen Erkenntnissprung: âBei gleicher Umgebung lebt doch jeder in einer anderen Weltâ, hatte der Frankfurter Philosoph einst in seinen berühmten âAphorismen und Lebensweisheitenâ herausgefunden. Dieses Axiom einmal ernst genommen folgte daraus zunächst die Handlungsanweisung aus folgendem Kinderreim: âIch bin ich und du bist du. Wenn ich rede, hörst du zu. Wenn du sprichst, dann bin ich still, weil ich dich verstehen willâ. Und dennoch: so banal, wie der Satz in der Theorie klingen mag, so wenig erprobt ist er oft in der Praxis. Denken Sie doch nur mal an den heutigen Weltfrauentag: Wie viele ansehnliche und begehbare Brücken könnte es längst über den Gender-Pay-Gap im Speziellen und über den groÃen Geschlechtergraben im Allgemeinen geben, würden wir uns nur einmal die Zeit nehmen, der oder dem Anderen wirklich zuzuhören? Und wie viele schaurige Mario Barth- und Woody Allen-Witze hätten wir uns bis hierher schon sparen können, hätte man das mit der emotionalen Intelligenz auch nur einmal wirklich ernst gemeint. Das haben sich wohl auch unsere Gastautoren Vincent-Immanuel Herr und Martin Speer für ihren Beitrag âWie wir Sexisten zu Feministen wurdenâ gedacht. Denn, so klärt das philosophisch geschulte Duo auf, âMänner und Frauen mögen im selben physischen, politischen oder ökonomischen Raum leben, sind aber mit sehr unterschiedlichen Lebenswelten und ârealitäten konfrontiert.â Die Schlussfolgerung daraus: Man muss reden, reden, reden â und nebenher auch noch etwas zuhören. Herr und Speer haben also ihren Schopenhauer gelesen. Was für sie sonst noch aus dem Wissen um die Verschiedenartigkeit der Welt folgt, lesen Sie hier. Vielleicht hilft es also mal, ein Stück weit in den Schuhen des Anderen zu gehen. Das macht die Welt nicht nur verständnisvoller, es hilft am Ende auch vor den ewigen Wiederholungen. Leider haben die gestrigen Talk-Gäste von Anne Will diese Erkenntnis noch nicht beherzigen können. Andernfalls wäre es wohl nicht zu den Murmeltier-Effekten gekommen, die unser Kritiker Marko Northe vor seinem Fernseher beobachten konnte. GenieÃen Sie also Ihre eigene Welt, und vergessene Sie dabei nicht, dass sie nur eine von unendlich vielen anderen Welten ist! Ihr Ralf Hanselle, Stellvertretender Chefredakteur |