Liebe Leserin, lieber Leser, der Dichter Heinrich Heine beklagte sich einmal bei seinem Verleger Julius Campe: „Zu schreiben, während das Censurschwert an einem Haare über meinem Kopfe hängt – das ist um wahnsinnig zu werden!” Das ist gut 200 Jahre her, aber der Zensurvorwurf ist wieder en vogue. Zwar muss niemand bei uns einem staatlichen Zensor Texte zur Genehmigung vorlegen, wie Heine damals. Doch der Satz „Eine Zensur findet nicht statt” in Artikel 5 Grundgesetz bedeutet nur: Es gibt keine VORzensur. Falls Sie auf die Idee kämen (nur mal hypothetisch), pornographische Bilder zu posten oder auf X fälschlich zu behaupten, Nachbar Müller habe ihre Katze verspeist, dann werden Sie sehr wahrscheinlich staatliche Zensur erleben. In Form von Jugendschutz oder Strafrecht. Ob ein Inhalt illegal ist, muss in jedem Fall einzeln geprüft werden. Das ist bei zig Millionen Posts auf Social Media allerdings ziemlich viel Arbeit. Vielleicht dachte sich Brüssel deshalb, dass die EU-Staaten das doch outsourcen könnten. An vertrauenswürdige Hinweisgeber, „trusted Flaggers”. Die erhalten von der Bundesnetzagentur neuerdings eine Lizenz zum Melden. Facebook, X und Co. müssen dann unverzüglich löschen, sonst wird’s teuer. |
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| Vergibt Melde-Lizenzen: die Bundesnetzagentur in Bonn (© dpa) |
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Klingt nach einem Plan. Wir hören schließlich jeden Tag von „Hass und Hetze” im Netz. Doch was für den einen Hassrede ist, ist für andere bloß harsche Kritik. Und selbst wenn es Hassrede wäre – es ist ein aus dem Englischen übersetztes Modewort, „hate speech”, kein StGB-Paragraph. Nehmen Sie den Fall Künast: 2019 befanden Berliner Richterinnen und Richter, es gehöre zur Meinungsfreiheit, wenn jemand die Politikerin auf Facebook ein „Stück Sch…” nennt (hier nicht ausformuliert). Erst das Bundesverfassungsgericht gab Renate Künast recht, denn natürlich war es eine strafbare Beleidigung. Wenn aber das Kammergericht Berlin nicht klar sagen kann, was legal und was strafbar ist: Wie sollen dann private Hinweisgeber die Grenzen des Sagbaren kennen? Man muss kein Krisen-Guru sein, um zu befürchten, dass die Meldelizenz zum Denunzianten-Tool gegen andere Meinungen werden kann. Bewusst oder fahrlässig, und mit staatlicher Unterstützung: Die Hinweisgeber werden oft aus Landes- oder Bundesmitteln finanziert. Wieso wird dieses Geld nicht in Polizei und Staatsanwaltschaft gesteckt, die in dieser Hinsicht völlig überlastet sind? Dort liegt schließlich die Verantwortung, in den verfassungsrechtlichen Grenzen. Sie auf Lizenznehmer abzuschieben, ist gefährlich. Oder übersehe ich etwas? Schreiben Sie uns an [email protected], und am Montag begrüßt Sie hier wieder mein Kollege Thomas Tuma. |
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| Unionsspitzen Friedrich Merz (li.) und Markus Söder (© imago images) |
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CSU-Parteitag: Gipfel der Unionsgranden |
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Was für andere Parteien „nur” ein Parteitag ist, zelebriert die CSU als weiß-blaues Hochamt: Ab heute Nachmittag kommen in der Augsburger Messehalle rund 700 Delegierte zusammen. Inhaltlich ist der Parteitag eher dürr aufgestellt. Umso wichtiger sind zwei große Reden: CSU-Chef Markus Söder spricht heute Abend, sein CDU-Konterpart Friedrich Merz folgt am Samstagmittag. Es ist das erste öffentliche Aufeinandertreffen der beiden, seitdem sie die Kanzlerkandidatur vor drei Wochen mehr oder weniger gütlich untereinander ausgemacht haben. Entsprechend gespannt blicken viele in der CSU auf den Samstag, wenn Kanzlerkandidat Merz und Söder gemeinsam vors Parteivolk treten. Dass solche bildstarken Momente daneben gehen können, hat Horst Seehofer einst eindrucksvoll bewiesen: Beim Parteitag 2015 nötigte der bayerische Ministerpräsident die Kanzlerin, während seiner Rede 13 Minuten lang wie ein Schulmädchen neben ihm zu stehen. Merkel rauschte wutenbrannt von der Bühne. Söder dürfte taktvoller vorgehen, ist zu hören – sein Verhältnis zu Merz ist zwar nicht gerade liebevoll, aber weitaus pragmatischer. Die CSU wird ihren Gast dafür auf ganz andere Weise triezen: Der Parteitag dürfte sich noch deutlicher gegen die Grünen als Koalitionspartner positionieren als das in der CSU ohnehin schon der Fall ist. Merz hält von dieser bayerischen Ausschließeritis gar nichts. |
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| Im Iran warten Massud Peseschkian (l.) und Ajatollah Ali Chamenei auf die israelische Reaktion (© dpa) |
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Lage in Nahost: angespannt und tödlich |
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Zehn Tage nach dem iranischen Raketenangriff debattiert Israels Regierung weiter über die Reaktion. „Sie werden nicht wissen, wie ihnen geschieht”, drohte Verteidigungsminister Joav Galant. Die Revolutionsgarde: Die wahren Herrscher des Irans Nach sieben Wochen Funkstille: In einem Telefonat zwischen Regierungschef Netanjahu und US-Präsident Biden soll der betont haben, „den Schaden für Zivilisten so gering wie möglich zu halten.” Angriffe auf Atom- und Ölanlagen im Iran werde er nicht unterstützen. Libanon und Gaza: Ein Panzer der israelischen Armee soll einen Posten beschossen und zwei UN-Blauhelme verletzt haben. Bei israelischen Angriffen sollen zuletzt Dutzende Menschen ums Leben gekommen sein. Deutsche Waffen: CDU-Chef Friedrich Merz warf der Ampel vor, wichtige Waffenlieferungen an Israel zu verweigern. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) konterte: „Wir haben Waffen geliefert, und wir werden Waffen liefern.“ |
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| Bei E-Autos läuft BMW dem Stuttgarter Erzrivalen Mercedes-Benz den Rang ab (© imago images) |
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China-Desaster für deutsche Premium-Hersteller |
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Die deutschen Premium-Hersteller geraten auf ihrem wichtigsten Absatzmarkt China immer stärker unter Druck. Im zweiten Quartal gaben die Verkäufe bei Mercedes-Benz um 13 Prozent auf 170.700 Fahrzeuge nach. Beim Rivalen BMW brach der Absatz sogar um ein Drittel auf 148.000 ein. Konzernweit sanken die Verkäufe bei den Bayern in den ersten neun Monaten um 4,5 Prozent auf 1,75 Millionen, Mercedes büßte vier Prozent auf 1,46 Millionen Autos ein. Die Münchner verwiesen auf „ein schwieriges Marktumfeld“ und die Folgen des Lieferstopps wegen Problemen bei Bremssystemen von Continental. Bei Mercedes hieß es, die „insgesamt geringere Nachfrage, insbesondere für Luxusgüter, und anhaltende Preisnachlässe“ bei E-Autos hätten den Absatz in China belastet. „Die Party in China ist erst mal vorbei“, sagt Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management gegenüber FOCUS Briefing. Die deutschen Hersteller müssten sich „neu organisieren“. Denn: „Jetzt kommt der Frontalangriff auf BMW, Mercedes und Audi“. Da könnte es bitter werden – vor allem für Mercedes. Während BMW mit seinen Stromern wie dem iX1 zuletzt um 19 Prozent zugelegt hat, brach der Absatz der elektrischen EQ-Modelle mit dem Stern 2024 um gut ein Fünftel ein. „Die E-Autooffensive von Mercedes“, so Branchenexperte Bratzel, „funktioniert überhaupt nicht“. |
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| Brenntag-CEO Christian Kohlpaintner (© Sofia Brandes für FOCUS-Magazin) | „Hört auf mit der Jammerei” Brenntag ist der weltgrößte Chemikalienhändler. Im FOCUS-Interview spricht Vorstandschef Christian Kohlpaintner über das Selbstmitleid deutscher Manager und die Abhängigkeit von China. | |
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522.695 Personen erhielten Ende 2023 Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, so das Statistische Bundesamt. Das ist ein Plus von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr. Von 2021 zu 2022 war die Zahl der Leistungsbezieher um 22 Prozent gestiegen. Die häufigsten Herkunftsländer sind Syrien und die Türkei mit je 15 Prozent aller Leistungsberechtigten. |
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| TU München: Im Ranking der besten Hochschulen hat die Elite-Uni weiter Boden gut gemacht (© imago images) |
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TU München – beste Uni in der EU |
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Das internationale Times Universitäts-Ranking 2025 weist die TU München erneut als beste Universität in Deutschland aus. Im großen Vergleich mit mehr als 2000 anderen Hochschulen steht sie auf Platz 26. Gegenüber dem vergangenen Jahr hat sich die TU damit um vier Plätze verbessert. Angeführt wird die Liste nach wie vor von der britischen Universität Oxford, nun gefolgt von Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der Harvard University. Seit dem Brexit kann die Münchner TU stolz von sich behaupten, auch die beste Hochschule der EU zu sein. Ohne den Austritt Großbritanniens hätte sie neben Oxford noch Cambridge (Platz 5), das Imperial College London (Platz 9) und das University College London (Platz 22) vor sich. Die ETH Zürich belegt Platz 11. Unter die besten Hundert haben es auch die LMU München geschafft (Platz 38), die Universität Heidelberg (Platz 47), die Humboldt Universität Berlin (Platz 84), die Universität Bonn (Platz 89), die RWTH Aachen (Platz 92), die Berliner Charité (Platz 93) und ganz knapp die Universität Tübingen (Platz 100). Das Ranking entsteht in einer Kooperation des britischen Magazins Times Higher Education mit dem niederländischen Wissenschaftsverlag Elsevier. In die Wertungen fließen Kriterien wie Qualität der Lehre, Reputation der Forscher, Zitations-Index und Zahl der Patente ein. |
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Gewinnerin: Für sie und die deutsche Parlamentsgeschichte war es eine Premiere. Heike Heubach, 44, hielt gestern als erste gehörlose Abgeordnete eine Rede im Bundestag. Knapp fünf Minuten sprach die SPD-Politikern mit Zeichensprache zum Thema Baupolitik. Parlamentspräsidentin Aydan Özoğuz nannte die Rede einen „besonderen Moment“. Der Applaus war ihr sicher: Nicht mit Klatschen, sondern lauter wedelnden Händen der Ampel-Abgeordneten. | |
Verlierer: Meta-Chef Mark Zuckerberg, 40, muss klein beigeben. Fünf Jahre nach Beginn des Rechtsstreits zwischen dem Bundeskarteilamt und dem Facebook-Gründer verspricht er nun, Nutzerdaten besser zu schützen. Die Behörde hatte Meta 2019 dafür gerügt, Daten der Plattformen Whatsapp und Instagram zusammengeführt zu haben. | |
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… haben die Briten mal wieder bewiesen, dass sie nicht zu Panik neigen. Und das, obwohl die BBC Wetter-App einen Hurrikan vorhergesagt hat – hundertmal schlimmer als „Milton” in Florida! Angeblich sollten Windgeschwindigkeiten von 20.000 Stundenkilometern über London und Nottingham hinwegfegen, verbunden mit nächtlichen Temperaturen von 404 Grad Celsius. Schwer zu überleben… | | Hurrikan „Milton” über den USA – nicht über England (© action press) | „Nicht erschrecken, Leute”, schrieb BBC-Meteorologe Matt Taylor daraufhin auf X und bat um Entschuldigung. „Milton hat uns nicht erreicht. Ihr braucht kein Sperrholz oder Kerzen zu kaufen.” Der Grund für die alarmierenden Prognosen online und in der App war eine Datenpanne. Die User liefern sich seither mit Screenshots einen Wettbewerb um die „höchste” Windgeschwindigkeit. Sieger: 16.181 mph (26.040 km/h) in Great Chart nahe Canterbury. Herzlich | | Tanit Koch |
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