während der Corona-Pandemie feierten Strukturvorstellungen aus dem 19. Jahrhundert ihre Wiederauferstehung: Statt auf den mündigen, selbstverantwortlichen Bürger zu setzen, galt es, lediglich Anweisungen zu befolgen. Kritische Gegenfragen wurden rhetorisch und ganz praktisch delegitimiert. Eine Ausschlussstrategie, die sich jetzt in Debatten über den Ukraine-Krieg fortsetzt, meint Cicero-Gastautor Matthias Schrappe in einem Beitrag über das neue lineare Denken. Der Nato-Beitritt von Finnland und Schweden ist Folge des Ukraine-Kriegs. Es geht darum, nach welchen Normen die europäischen Staaten miteinander leben wollen – nach der Logik von Großmächten und Einflusszonen oder nach der Logik von Souveränität und rechtlicher Gleichheit. Russland wird gegen den Beitritt letztlich nichts unternehmen, und auch die Türkei wird ihn nicht aufhalten, schreibt Thomas Jäger in seinem Text „Erweiterte Abschreckung“. Derweil zeigt die Debatte über den Ukraine-Krieg auch die Unfähigkeit der deutschen Politik, eigene Interessen zu definieren, die nicht dieselben sind wie die der USA. Denn der wirtschaftliche Niedergang durch Sanktionen kann ebensowenig im deutschen und europäischen Interesse liegen, wie Kriegspartei in einem langen Zermürbungskrieg gegen Russland zu werden, der sich zu einem Weltkrieg ausweiten könnte. Für den Politikwissenschaftler Stefan Luft und die Historikerin Sandra Kostner zeigt sich hier eine Unfähigkeit zur Politik. Ihr Ralf Hanselle, stellvertretender Chefredakteur |