Kontaktverbot | Systemrelevant, aber unterbezahlt | Laschet gegen Söder
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Stimme
des Westens

Moritz Döbler

23. März 2020

Liebe Frau Do,

gestern herrschte herrliches Frühlingswetter im Rheinland, und viele – auch mich – zog es nach draußen, um laufen zu gehen oder den Hund Gassi zu führen. Aber die Menschen gingen erkennbar auf Abstand, nur sehr selten waren mehr als zwei gemeinsam unterwegs. Und sie waren ausgesucht höflich: Auf der Fußgängerbrücke zum Paradiesstrand in Düsseldorf zum Beispiel war immer wieder ein „Danke“ zu hören, wenn jemand stehenblieb oder Platz machte, um den nötigen Abstand zu wahren. Mich erinnert das an Paragraph 1 der Straßenverkehrsordnung, der „ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht“ vorschreibt. Als Grundsatz taugt das auch für die Corona-Krise, dazu gehören Achtsamkeit und Höflichkeit. Es ist schön zu sehen, dass es funktioniert.

Das Kontaktverbot, das jetzt bundesweit gilt, wurde also schon eingehalten, deswegen sind Ausgehverbote wie in Spanien nicht notwendig. Das stimmt mich zuversichtlich. Unsere Berliner Korrespondentin Birgit Marschall schreibt in ihrem Kommentar die Einigung von Bund und Ländern der Führungsstärke von Angela Merkel zu. Die Bundeskanzlerin hat sich inzwischen in häusliche Quarantäne begeben, nachdem ein Arzt von ihr positiv auf Corona getestet wurde. Sie selbst ist nicht erkrankt, aber handelt vorbildlich. Die Details der neuen Regelung finden Sie hier.

Zwischen den Ministerpräsidenten von NRW und Bayern flogen derweil in großer Runde die Fetzen: Armin Laschet warf Markus Söder vor, mit der am Freitag in Bayern verhängten Ausgangssperre einen Alleingang ohne Absprachen durchgezogen zu haben, woraufhin der damit drohte, die Telefonschalte mit der Bundeskanzlerin zu verlassen. Die K-Frage der CDU/CSU steht eben immer noch im Raum, in der Krise wollen sich die Kontrahenten keine Blöße geben. Ich vermute, dass allzu durchsichtige Profilierungsversuche am Ende nicht zu besseren, sondern schlechteren Wahlergebnissen führen.

In der Corona-Krise erweisen sich ausgerechnet viele der Beschäftigten, die besonders schlecht bezahlt werden, als „systemrelevant“ – so lautet der Begriff, den wir noch aus der Finanzkrise kennen. Die meisten sind Frauen, viele auch ausländischer Herkunft. Unser Politikredakteur Henning Rasche hat sich mit den Herausforderungen für Krankenschwestern, Pflegerinnen und Kassiererinnen beschäftigt, um nur einige zu nennen. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt fordert übrigens eine Bonuszahlung für medizinisches Personal und Pflegekräfte, die sich um Corona-Patienten kümmern, wie sie unserer Redaktion sagte. Das wäre schön – aber vielleicht sollte die Krise auch dazu führen, dass systemrelevante Arbeit dauerhaft besser bezahlt wird.

Auf jeden Fall müssen wir anfangen, über das Ende der Krise hinaus zu denken. Unsere Kulturredakteurin Dr. Dorothee Krings hat sich mit dem Psychiater und Theologen Manfred Lütz über die notwendigen Lehren gesprochen. Krisen, sagt er, „zwingen uns über den Sinn des Lebens nachzudenken und unsere Zeit nicht einfach dahinplätschern zu lassen“.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Lassen Sie ihn dahinplätschern, wenn Sie mögen, aber was auch immer Sie tun: Haben Sie Freude dabei!

Herzlich

Ihr

Moritz Döbler

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