Liebe Leserinnen und Leser,
was verstehen Sie unter Alltagssüchten? Ich finde, man kann darunter so einiges verstehen – von ungesunden Naschereien bis hin zu Nikotin und Alkohol. Denn all das begegnet uns täglich, wenn wir einkaufen gehen, an der Bushaltestelle neben einer rauchenden Person warten oder die Speisekarte eines Restaurants lesen, auf der alkoholische Getränke wie Bier selten fehlen. Schwarz-Rot nutzt aber genau diesen schwammigen Begriff im Koalitionsvertrag. Man möchte Präventionsmaßnahmen ergreifen, „um insbesondere Kinder und Jugendliche vor Alltagssüchten zu schützen.“ Was die Regierung unter „Alltagssüchte“ versteht, oder was passieren soll, wird nicht ausgeführt.
Die mangelnde Klarstellung kritisieren zwei Expertinnen vom Deutschen Krebsforschungsinstitut (DKFZ). Es sei zu erwarten, dass weiterhin in erster Linie auf Aufklärung gesetzt wird, anstatt auf erwiesenermaßen wirksame regulatorische Maßnahmen. Mit weitergehenden Werbeeinschränkungen für Tabak und Alkohol etwa rechnen die Expertinnen nicht. Die Gefahren durch Tabak- und Alkoholkonsum erwähnt der Koalitionsvertrag auch nicht explizit. Fakten und Einschätzungen wie diese hat mein Kollege Ali Vahid Roodsari zusammengestellt. In seinem
Artikel erklärt er außerdem, was die Koalition in Bezug auf Lachgas und Cannabis plant und wie eine von den Expertinnen des DKFZ-geforderte Public-Health-Strategie aussehen könnte.
Meine Kollegin Laura Patz wiederum hat sich die Vorhaben der Koalition zur Frauengesundheit genauer angeschaut. Die Bilanz ist gemischt. Dr. Alicia Baier, Mitgründerin und Vorstand der „Doctors for Choice Germany e.V.“, kritisiert etwa die Absätze zu Verhütung und Schwangerschaftsabbruch. §218, der besagt, dass Schwangerschaftsabbruch als Straftat gilt und nur unter bestimmten Bedingungen straffrei ist, werde nicht erwähnt – obwohl eine Kommission aus Expertinnen und Experten dessen Abschaffung empfohlen habe. Und die Formulierungen zur Verhütung? Unzureichend und enttäuschend, findet Baier.
Vorhaben wie ein Mutterschutz für Selbstständige analog zu den Mutterschutzfristen für Beschäftigte kommen hingegen gut an. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V. bezeichnet sie als ausdrücklich positiv und erfreulich. Inwiefern der Koalitionsvertrag außerdem die Themen Kinderwunsch, Gewalt gegen Frauen und Endometriose abdeckt, lesen im
Artikel meiner Kollegin.
Ein schönes Wochenende wünscht