politische Kommunikation ist ein Drahtseilakt, der nur gelingt, wenn sich die Absender einige grundsätzliche Gedanken machen. Welche Formulierungen sollen genutzt werden? Wer ist geeignet, um zu kommunizieren? Wann soll kommuniziert werden? Und mit welchen konkreten Zielen eigentlich? Mein Eindruck: Unterstützer von Sahra Wagenknecht bereiten derzeit den kommunikativen Boden für eine anstehende Parteigründung durch die streitbare Linke. Bevor man sich abspaltet von der eigenen Partei, soll diese erst noch von innen heraus destabilisiert werden. Das ist nicht nett. Klug aber ist es allemal, nach dem Motto: Wenn etwas bereits wackelt, stößt man dagegen, damit es noch schneller fällt. So zumindest lautet meine Erklärung für die jüngste Ankündigung von Amira Mohamed Ali, ihren Posten als Co-Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag zu räumen, inklusive Generalabrechnung mit ihrer (Noch-)Partei. Und auch der Linken-Politiker Klaus Ernst schlägt sich im Interview mit meinem Kollegen Alexandre Kintzinger auf Wagenknechts Seite. Das hat schon deshalb Gewicht, weil Ernst Mitgründer der WASG war, also jener Partei, die im Jahr 2007 mit der PDS zur Die Linke fusionierte. Für Ernst steht fest: Wenn Wagenknecht eine eigene Partei gründet, wovon er fest ausgeht, ist es für ihn eine realistische Option, sich ihr anzuschließen. Denn Kritik am aktuellen Kurs der Linkspartei hat er reichlich. Die Gründung einer Wagenknecht-Partei hätte den möglichen Nebeneffekt, dass das derzeitige Umfragehoch der AfD endet und die Zustimmung wieder sinkt. Das glaubt Ernst. Ich glaube das auch, aber diese These, merkte ich unter anderem heute in der Redaktionskonferenz, ist durchaus umstritten. Stand derzeit: Viele bürgerliche Wähler neigen dazu, ihren Protest gegen die abgehobene Politik der Ampel-Koalition durch eine Hinwendung zur AfD auszudrücken. Nur: Wer die AfD wählt, stärkt letztlich die Grünen, meint unser Autor Hugo Müller-Vogg. Das sei vor allem ein Problem für die CDU. Bekanntermaßen hängt alles irgendwie mit allem zusammen. Das gilt auch für das AfD-Umfragehoch. Das resultiert nicht nur aus den Schwächen der Union, die sich primär gegenseitig aufreibt, statt harte Oppositionspolitik zu machen. Das hat auch mit dem gesunkenen Sicherheitsempfinden vieler Menschen im Land zu tun. Und das wiederum kommt nicht von ungefähr. Aktuelles Beispiel: Die Gewalt an Bahnhöfen und in Zügen ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen, wie ein nicht zur Veröffentlichung bestimmter Bericht der Bundespolizei belegt. Darüber sollten sich nicht nur Verkehrswende-Politiker Sorgen machen. Mein Kollege Ferdinand Knauß kommentiert. Die Sicherheitsbedenken sind das eine, die Rezession das nächste. Beides unschön. Weshalb es auch höchst unbefriedigend ist, wenn ausgerechnet ein Bundeskanzler nicht Klartext spricht, sondern sich in leere Phrasen flüchtet und so tut, als sei unterm Strich doch eigentlich alles in Ordnung. Das ZDF-Sommerinterview mit Bundeskanzler Olaf Scholz am Sonntag war voller Phrasen. Auch deshalb, weil Fragensteller Theo Koll ins Sommerloch ging und darin umgekommen ist. Ralf Hanselle hat sich das Gespräch angesehen. Blick ins Ausland: Auch China hat derzeit mit der harten Realität zu kämpfen. In der Folge reißen die schlechten Nachrichten aus Chinas Wirtschaft nicht ab. Ein Vergleich mit der Wirtschaftsgeschichte anderer Großmächte legt deshalb nahe, dass Chinas lange Boom-Phase allmählich endet, analysiert George Friedman. Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre. Bleiben Sie optimistisch. Ihr Ben Krischke, Leitung Debatte |