Liebe Leserinnen und Leser,
 

manchmal denke ich wehmütig an das Jahr 1979 zurück. Die Uno rief damals das Internationale Jahr des Kindes aus und Pink Floyd veröffentlichten ihr legendäres Album „The Wall“: „Hey, teachers, leave them kids alone!“; und dazu natürlich das treibende Gitarrenriff von David Gilmour. Heute, 42 Jahre später, leiden Kinder immer öfter an den psychischen Folgen des aktuellen Lockdowns und die Bundesschülerkonferenz fordert in vorauseilendem Gehorsam ein Impfangebot für alle Schüler bis zum Ende der Sommerferien. Verkehrte Welt. Der Fortschritt sowie der zugegebenermaßen etwas infantile Protest von ehedem scheinen innerhalb von nur wenigen Corona-Monaten verflogen zu sein. Dabei ist es natürlich nur allzu verständlich: Schüler setzen derzeit alles daran, um zu Beginn des Herbstes wieder neben ihren Freunden auf der Schulbank sitzen zu können und dort ihr Recht auf Bildung verwirklicht zu bekommen. Dass indes just jene Generation, aus der heraus es doch sonst immer heißt, man solle mehr der Wissenschaft folgen, auf Stiko- und Wissenschaftsempfehlung pfeift und bereitwillig die Ärmel hochkrempelt, irritiert schon etwas.

 

Thomas Sattelberger jedoch, Bildungspolitiker der FDP, weiß, was bei den jungen Leuten auf dem Spiel steht: „Wir sprechen von immensen Kollateralschäden. Wir kennen jetzt die COPSY-Studie aus Hamburg, die besagt, dass 30 Prozent der jungen Menschen psychische Beeinträchtigungen erlitten haben. Wir kennen die Studien der Bildungsökonomen, die uns vor Augen führen, welche Bildungsdefizite mit einem halben oder einem ganzen verlorenen Schuljahr einhergehen. Und wir kennen die volkswirtschaftlichen Schäden des Fachkräftemangels und der mangelhaften Qualität des Nachwuchses“, sagt Sattelberger im Interview mit cicero.de. Seine ernüchternde Schlussfolgerung aus all dem: „Wir machen lieber eine Politik für die Älteren, debattieren leidenschaftlich über das Rentenalter, aber nicht über den Zustand, in dem unsere jungen Menschen irgendwann die Rente erreichen werden.“

 

Kein Wunder also, dass manche Schüler da längst das möglicherweise Unvernünftige fordern, um am Ende vielleicht etwas Vernünftiges zu erreichen. Die Erwachsenen machen es ja schließlich vor. So ist etwa auch in Israel, wo die Infektionszahlen seit geraumer Zeit wieder steigen, eine Debatte um die Impfung von Kindern entbrannt. Cicero-Redakteurin Uta Weisse hat den Stand der dortigen Debatte zusammengefasst: „Um bei weiter steigenden Infektionszahlen nicht wieder die Schulen schließen zu müssen, wird in Israel über die Wiedereinführung von Corona-Maßnahmen diskutiert.“ Das Land, in dem das Virus dank Impfung bereits besiegt schien, fürchtet nun, eine vierte Welle erleiden zu müssen. 

 

Die Entscheidungen, die nun für Eltern, Schüler und die Politik anstehen, sind nicht einfach. Eines aber ist sicher: „All in all“ wäre ein weiterer Winter ohne Präsenzunterricht „just another brick in the wall".

 

Ihr Ralf Hanselle, stellvertretender Chefredakteur

 
 
 
 
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