Liebe Frau Do, meine Eltern flüchten immer an die niederländische Küste, wenn Karneval vor der Tür steht. Ich verstehe sie nicht. Karneval ist toll. Die jecken Tage sind unter anderem eine ideale Gelegenheit, um soziologische Studien zu betreiben, etwa, wenn die Giraffe der Eisprinzessin am Abend in der Bahn erklärt, warum das Tänzchen mit dem Kätzchen wenige Stunden zuvor aber auch wirklich gar nichts zu bedeuten hatte. Noch spannender finde ich aber, wie wunderbar das Miteinander im Straßenkarneval funktioniert, wo sonst vielleicht wenig Miteinander ist. Gerade in Düsseldorf feiern Tausende Menschen, Jung und Alt, Mann und Frau, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, Ureinwohner oder Zugezogener, reich oder arm, fröhlich und ausgelassen mit- und nebeneinander. Die Augen der Kinder, wenn sie eine bunte Gummiente, einen Stofffußball vom Fortuna-Wagen oder den Schokoriegel gefangen haben, leuchten ohnehin gleich. Karneval der Kulturen - so einfach kann Integration sein. Zumindest für ein paar Stunden. Dass die Multikulti-Metropole Düsseldorf dabei noch ein bisschen toleranter wirkt als die Kölner, ist keine Neuigkeit, aber wahr. Die besten Bilder vom Rosenmontagszug in Düsseldorf sehen Sie hier. Wie die Stimmung auf dem RP-Karnevalswagen war, haben Uwe-Jens Ruhnau und Brigitte Pavetic hier zusammengefasst. Traditionell sind die Wagen auf dem Rosenmontagszug in der Landeshauptstadt politisch bissiger, pointierter und polarisierender als die Aufbauten bei den Jecken in Mainz oder Köln. Das liegt natürlich an der höheren Toleranzschwelle (siehe oben), aber auch an dem genialen Wagenbauer Jacques Tilly. Hier sehen Sie, wie unser Künstler des Karnevals dieses Jahr Donald Trump, Angela Merkel, die AfD oder Theresa May mit Pappmachée-Figuren aufs Korn genommen hat. Karneval ist aber nicht nur während der Straßenumzüge ein Hort der Narretei. Auch in den Sitzungen und auf den Bühnen gilt die maximale Freiheit des Wortes. Satire, Gags, Provokationen, das ist der Urzustand. Manchen Vertretern des politisch korrekten Lagers gefällt das natürlich nur, wenn ihnen genehme Gruppen und Minderheiten wie Manager, Politiker, Beamte, Türken, Russen, Lehrer oder Helikopter-Eltern verballhornt werden. Aber Intersexuelle? Also bitte! Dabei weiß jeder, dass Karneval genauso wie das Kabarett vor allem deshalb funktioniert, weil er keine Rücksicht nimmt. Auf niemanden. Wer sich als Deutscher in einem US-amerikanischen Stand-up-Comedyclub zu erkennen gibt, lernt viele Nazi-Witze kennen. So ist das eben. Doch in Deutschland ist die Empörung noch beliebter als die Toleranz. Deshalb bekommt CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer derzeit für einen (zugegeben schwachen) Gag über Menschen, die weder Mann noch Frau sind, eine gehörige Portion Hass ab. Vor allem von SPD- und Grünen-Politikern. Armselig. Aber auch das muss man tolerieren. Kristina Dunz kommentiert. Herzlich Ihr Michael Bröcker Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |