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| | | | | Guten Tag, gelegentlich versuchen sich Journalisten als Schriftsteller. Ob Regionalkrimi, Liebesroman oder Wissenschaftsthriller, man taucht dabei in eine überraschend neue Welt ein. Plötzlich sind Kniffe wichtig wie show, donât tell â also statt âSie war wütendâ sollte man die Wut zeigen: âSie schleuderte die Kaffeetasse an die Wand.â Und erstaunlicherweise geht es beim fiktionalen Schreiben, wo doch alles ausgedacht ist, besonders stark um Glaubwürdigkeit. Je plausibler die Handlung ist, umso mehr hält die Fiktion ihre Leser in Bann. Eine gute Geschichte ist eine, die so hätte stattfinden können, soll Erich Kästner einmal sinngemäà gesagt haben. Protagonisten sollten ihrem Charakter entsprechend handeln. Die Zahl der Wendungen und Zufälle darf nicht ins Absurde abgleiten. Vor diesem Hintergrund stelle ich mir vor, wie ich meiner Lektorin folgende Roman-Idee präsentiere: Autor: âSoll ich mal den Plot umreiÃen?â Lektorin: âSchieÃen Sie los.â âBei einem deutschen DAX-Unternehmen fällt auf, dass die Bilanz nicht stimmt. Es fehlt Geld â¦â âEine gröÃere Summe?â â1,9 Milliarden Euro.â âGroÃer Himmel. Und das soll keiner gemerkt haben?â âNein. Das Geld ist weg.â âWissen Sie, dass es in Deutschland eine Börsenaufsicht gibt? Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht?â âJa, aber mein Protagonist, ein Vorstandsmitglied, legt alle rein.â âUnd er kommt davon?â âUnd wie. Zunächst lasse ich den Leser glauben, dass er auf die Philippinen geflohen ist.â âDie Philippinen ⦠wieso das?â âDort ist ein ehemaliger Ministerialbeamter in die Sache verwickelt. Doch später stellt sich heraus, dass philippinische Behörden die Einreisedaten gefälscht haben.â Die Lektorin nippt an ihrer Teetasse, schiebt den Unterkiefer vor und blickt zum Fenster. âEine andere Spur führt nach Chinaâ¦â âAch was. Und wahrscheinlich kommen noch russische Oligarchen ins Spiel?â âJa, tatsächlich.â Die Lektorin schlägt ihre Hände über die Augen. Der Autor wedelt mit einem Finger in der Luft. âWarten Sie, das ist noch nicht alles! Es deutet sich an, dass die fragliche Aktiengesellschaft ihren Umsatz mit Drogenhandel aufgebessert hat. In diesem Moment tritt das FBI auf den Plan!â Die Lektorin starrt den Autor mit eisigen Augen an und schleudert ihre Kaffeetasse an die Wand. Sie ahnen es, für einen Roman wären die Vorgänge rund um das Dax-Unternehmen Wirecard schlicht und einfach zu unglaubwürdig. Wenn Sie also wissen wollen, wie diese leider allzu reale Groteske weitergeht, müssen Sie die Süddeutsche Zeitung lesen. Als treuer Fan von guten Thrillern kann ich jedenfalls das nächste Kapitel der Geschichte, die unser Investigativ-Ressort seit einigen Wochen enthüllt, kaum erwarten. Weiter geht es auf der Seite 2 der SZ an diesem Wochenende, wo Christoph Giesen, Klaus Ott und Nicolas Richter erzählen, wie Wirtschaftsprüfer auf den Schwindel bei Wirecard stieÃen. Einen weniger atemraubenden, dafür anrührenden und durchaus romantauglichen Stoff finden Sie auf der Panorama-Seite. Dort schreibt Mareen Linnartz über den â52-Hertz-Walâ. 52 Hertz ist die Frequenz seines Gesangs, was ihn zum einsamsten Wal der Weltmeere macht. Seine Artgenossen unterhalten sich in einer anderen Tonlage. Keiner kann ihn verstehen, den armen einsamen Wal. Vor 30 Jahren haben Wissenschaftler erstmals seine Töne aufgeschnappt. Gesehen wurde er noch nie. Lesen Sie hier weiter. Sie merken schon, viel Zeit für einen echten Roman wird Ihnen an diesem Wochenende nicht bleiben. Das liegt auch an den vier Seiten über Camping im Stil-Teil, die viel Spaà machen, auch wenn Sie kein begeisterter Camper sind. Zum Beispiel der Erfahrungsbericht von Jakob Biazza, der sich mit 16 geschworen hat, nie wieder einen Campingplatz zu betreten. Mit Ende dreiÃig kauft er sich einen Wohnwagen und wird Dauercamper am Starnberger See. Wie konnte das passieren? Bei mir kommen jedenfalls lustige Erinnerungen an meine kläglichen Campingversuche hoch. An die Senftube zum Beispiel, die ich im Dunklen für Zahnpasta hielt. AbschlieÃend möchte ich Ihnen noch das Buch Zwei ans Herz legen. In aufrüttelnden Gesprächen debattieren sieben Menschen unterschiedlicher Hautfarbe über Alltagsrassismus in Deutschland. Seine Oma sei entsetzt gewesen, dass er nach Deutschland ging, sagt Leszek Nadolski, der seit 30 Jahren als Taxifahrer in Berlin arbeitet. Der FuÃballtrainer Pablo Thiam sieht Deutschland noch nicht auf einem guten Weg. Die Rolle eines Vorzeigemigranten lehnt er ab. Und die Berliner Wissenschaftlerin Noa K. Ha sagt, wenn jemand fragt, wo sie herkommt: âDurch die Tür.â Mich berühren all diese Geschichten, auch weil ich vor wenigen Jahren zufällig erfuhr, selbst Deutscher âmit Migrationshintergrundâ zu sein. Dafür genügt ein Elternteil, der nach 1955 eingewandert ist. Das war mir nicht klar gewesen. Woher ich komme, hat mich noch nie jemand gefragt, was zweifellos an den hellen Hautpigmenten meiner irischen Vorfahren liegt. Und genau hier beginnt das Problem. Herzlich Patrick Illinger Ressortleiter Wissen |
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