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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Donnerstag, 13.01.2022 | Wolkig mit leichtem Wind bei um 6°C. | ||
+ Intensivpfleger Ricardo Lange über seinen Corona-Arbeitsalltag + Eine Bulldogge wird schmerzlich vermisst und gesucht + Zeichner Mawil würdigt Wimmelbilder von Ali Mitgutsch + |
von Robert Ide |
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Guten Morgen, wenn sich Tage und Nächte selbst überholen, angetrieben von einem Virus, das die Menschheit rasend und in immer neuer Varianz trollt, dann lohnt sich ein Moment der Ruhe, ein ruhiger Blick auf die Menschen, die sie bewahren müssen. Auf Intensivpfleger Ricardo Lange zum Beispiel, der abgehetzt von seinem Dienst kommt, um danach noch im Interview davon zu berichten, was gerade auf Berlins Intensivstationen los ist. Zum Beispiel das hier: - „Auf unserer Station sind von zehn Patienten gerade neun ungeimpft. Aber ich urteile nicht. Für mich hat der Mensch Covid und braucht meine Hilfe.“ - „Der Kopf rattert den ganzen Tag. Oft hab ich vier Patienten, muss alle Behandlungen abarbeiten, mir alles merken, Prioritäten festlegen. Welcher Patient braucht meine Hilfe sofort, welches Medikament muss ich zuerst wechseln? Dann kommt ein Notfall dazwischen, wir müssen ins CT – alle Gerätschaften müssen mit, alle Medikamente. Dann fahre ich mit dem Transport los. Meine anderen drei Patienten muss derweil ein anderer Pfleger betreuen. Plus seine drei.“ - „Zu Beginn der Pandemie gab es zu wenige Masken. Da haben wir unsere benutzten Masken in Tonnen geschmissen – mit Speichel, Resten von Makeup. Die lagerten feucht vor sich hin, später wurden sie sterilisiert. Aber dafür sind diese Masken nicht ausgelegt, gesund finde ich das nicht. Unsere Gesichtsvisiere haben wir aus Büromaterialen zusammengebastelt – mit Gummibändern aus dem Baumarkt.“ - „Es gibt Menschen, die auf unseren Stationen sterben – dann kommen Angehörige und wollen Beweise dafür, dass es Corona überhaupt gibt. Wir haben Debatten an Eingangstüren, weil Besucher keine Masken aufsetzen wollen. Manchmal müssen wir mit der Polizei drohen. Wir hatten auch mal Coronaleugner, die sich reingeschlichen haben, als jemand zur Tür rausging. Die wollten zu ihrem verstorbenen Angehörigen, hatten aber keine Masken auf. Eine Kollegin hat sie auf die Maskenpflicht hingewiesen, da haben sie gerufen: Sie unemphatische Dreckschlampe!“ Über seine intensiven Erlebnisse auf Berlins Intensivstationen hat Ricardo Lange ein Buch geschrieben, es heißt natürlich „Intensiv“ und erscheint nächste Woche (dtv Verlag, 192 Seiten, 16 Euro). Der Tagesspiegel, dem der 40-Jährige als Kolumnist, Interviewer und Co-Moderator unserer digitalen Wahlkampftalks schon lange verbunden ist, veröffentlicht am Sonnabend einen exklusiven Vorabdruck. Und unser Gespräch über Gegenwart und Zukunft der Pflege in einer sich selbst überfordernden Zeit. Ricardo Lange empfindet sie so: „Ich kann verstehen, dass die Leute keinen Bock mehr haben. Ich hab auch keinen Bock mehr. Aber die Frage ist: Wie kommen wir aus der Nummer wieder raus? Bestimmt nicht mit Bockigkeit.“ | |||||
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Und damit ein Update zur Corona-Lage: Alle Angaben sind wie bei den Gesundheitsämtern ohne Gewähr auf Vollständigkeit und lange Gültigkeit, aber recherchiert nach bestem Wissen und Gewissen: - Zauderkanzler Olaf Scholz (SPD) hat in seiner Befragung im Bundestag jetzt mitgeteilt, dass er sich nun doch für eine von ihm geforderte Impfpflicht für alle Erwachsenen „aktiv einsetzen“ wolle. Wann er damit beginnt, bleibt natürlich erst mal abzuwarten. Die deutsche Politik zaudert die Pandemie hinaus. - Ein Bürgerdialog bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geriet gestern zwischenzeitlich zur digitalen Jammerstunde von Impfskeptikerinnen und -gegnern über angeblich neue Langzeitfolgen der zugelassenen Impfungen. Immerhin konnte Steinmeier anbringen: „Wir haben keine Notfallzulassung für unsere Impfstoffe.“ Selbstverständlichkeiten, die nicht von allen als selbstverständlich anerkannt werden. - Die gute Nachricht des Tages: Ab heute, 9 Uhr stehen im Impfzentrum in der historischen Fabrik in Moabit 3500 frische Dosen des Biontech-Impfstoffs zur Verfügung (Wiebestraße 42). Alle Menschen über 12 Jahren haben hier bis 21. Januar die freie Wahl der medizinischen Mittel, etwa für ihren Booster – freie Termine gibt’s hier. - Berlins Schulen schulen sich derweil selbst zu Corona-Notfallmanagern um. Auf den Lehrplänen stehen inzwischen die Spiegelstriche der Quarantäneverordnungen, die Sekretariate werden zu Testcentern mit Telefonwarteschleife zum Gesundheitsamt – und immer mehr Kinder lernen schon wieder bei den arbeitenden Eltern zuhause. „Die Präsenzpflicht aufzuheben ist das letzte Mittel“, verlangt die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). In vielen Klassen ist es längst das erzwungene Mittel der Wahl. - Die gute Nachricht des Monats: Die Berlinale versucht mit aller Kraft, ein wenig Ablenkung hinterm Vorhang hervorzuzaubern. Berlins größtes Kulturevent soll im Februar auf ein kleines Filmfestival mit viel Abstand, Tests, Masken sowie vielen Hoffnungen auf weniger Veranstaltungen mit weniger Plätzen runtergedimmt – der Ausgang ist wie in vielen Filmen gänzlich ungewiss. Der Eröffnungsfilm „Peter von Kant“ von Starregisseur François Ozon verspricht jedenfalls einen guten Anfang. Laut Ankündigung ist er „eine filmische Tour de Force durch das Konzept des Lockdowns“ sowie „ein Kammerspiel als perfekter Container für Liebe, Verführung und Humor“. Was braucht man mehr? | |||||
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Immerhin ist Berlin nicht auf den Hund gefallen. Und so erschien im Tagesspiegel-E-Paper eine ganzseitige Suchanzeige für Bulldogge Hannelore (zu sehen hier). Janice Richter aus Kaulsdorf hatte sie geschaltet, mein Kollege Thomas Lippold hat mit der 32-Jährigen gesprochen – für die Mund-zu-Hund-Propaganda: Frau Richter, Ihre Berliner Bulldog-Dame Hannelore verschwand aus einer Hundepension im nördlichen Brandenburg. Wie passiert denn sowas? Wir hatten Hannelore über Silvester in die Hundepension gegeben, um ihr den Lärm und Stress der Großstadt zu ersparen. Da waren über den Jahreswechsel insgesamt zwölf Hunde, auch der von meiner Mutti. Ich habe meine Hündin erst ein Jahr. Ivy, die Hündin meiner Mama, und meine Hanni sind beste Freundinnen. Was genau ist vorgefallen? Am 3. Januar sollte der Rücktransport nach Berlin stattfinden, und meine Mutti bekam einen Anruf, dass die Hanni weg ist. Sie ist wohl beim Verladen der Hunde ins Auto weggelaufen. Und danach war sie wie vom Erdboden verschluckt. Das Gelände da ist eigentlich ziemlich gut gesichert. Wir haben keine Ahnung, wie der Hund da weggelaufen sein könnte. Es passt auch nicht zu Hannelore: Sie liebt Autofahren, sie liebt die Gruppe, sie kennt die Personen – es lässt uns einfach keine Ruhe. Gab es schon eine Spur? Leider nein. Wenn sie da über die Dörfer läuft, müsste sie in neun Tagen mal irgendwie gesichtet worden sein. Deswegen wollen wir das so weit wie möglich verbreiten: Vielleicht hat sie ja jemand mitgenommen. Sie haben ja ihre Suche relativ groß und professionell aufgezogen: Website, Flyer, Anzeigen. Ist das nicht teuer? Natürlich, das ist schon ein Aufwand. Meine Mutter und ich mieten uns auch ein Auto, um da hochzufahren. Glücklicherweise haben wir auch freiwillige Helfer. Hanni ist ein total lieber, offener Hund und fremdelt gar nicht. Hannelore - der Hund für echte Wau-Momente. | |||||
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Das wird man ja wohl noch essen dürfen! Oder lieber nicht? Das fragt sich Gastronomin Daeng Khamlao, die Berlins Küchen auf ihre Klimafreundlichkeit hin durchgekostet hat, serviert von unserem formidablen Tagesspiegel Innovation Lab. Oder in ihren Worten: „Bin ich voll die Umweltsau, weil ich auf meine Fischsauce nicht verzichten kann?” Die Antwort ist zum Glück kein Ja. Wie klimaschädlich kochen wir also wirklich? Das erzählt unsere neue Youtube-Serie „Papaya und Pommes“ (zu sehen hier). Natürlich bekommt auch die alt-berlinerische Küche ihr Fett weg – zumindest in unserem CO2-Rezepterechner (zu testen hier). Currywurst mit Pommes? Eher klimaschädlich. Döner? Auch nicht schöner. Dann lieber Boulette mit Kartoffelsalat. Oder Pfannkuchen. Gegessen von Berlinern. | |||||
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Geschichte liegt in Berlin an jeder Ecke rum. Und manchmal unter der Erde dicht beieinander. Auf dem Auferstehungsfriedhof in Weißensee entdeckte der stadtwandernde Fotograf Jürgen Ritter die beiden Gräber von Peter Fechter und Alexander Schalck-Golodkowski. Der eine bezahlte mit seinem Leben dafür, aus der DDR in die Freiheit zu flüchten. Der andere beschaffte mit konspirativen Mitteln Devisen, um die Mauer und das von der Führung eingeschlossene Land zu erhalten. Im Tod trennen beide Leben nur noch 50 Meter (Foto hier). Die Birke, die auf Schalck-Golodkowskis Ruhestätte wuchs, ist inzwischen abgeholzt. Efeu überwuchert das Grab, aber nicht unsere Geschichte. | |||||
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Ach, falls Sie mal wieder unterhaltsame Geschichtenlieder hören wollen, dann gehen Sie ins junge Theater an der Parkaue in Lichtenberg. Hier wird das auch musikalisch rasante Stück „Als die Mauer fiel“, das aus einem Tagesspiegel-Erzählwettbewerb von Schülerinnen und Schülern zum Mauerfall entstanden ist, neu aufgeführt – am Freitag (18 Uhr) und Sonnabend (19 Uhr). Wegen der Pandemie war das Stück mehrmals umgeschrieben und neu geplant worden (Bericht hier), nun kommt es unter der 2G-plus-Test-plus-FFP2-Maske-Regel unters Publikum (Infos hier). Weil auch die Kunst des Erzählens einen Applaus verdient. | |||||
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