Deutsche Bischöfe: Triage darf sich nicht allein an Prognose orientieren
Bonn (ALfA). Mit einem Paukenschlag hat sich die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) gestern in die unter Medizinern und Juristen entbrannte Debatte über die Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen für den Fall eingeschaltet, dass diese im Zuge der COVID-19-Pandemie nicht mehr für alle reichen sollten. „Eine aussichtsreiche Behandlung abzubrechen, etwa weil ein weiter Patient mit noch besser Prognose hinzugekommen ist“, sei „abzulehnen“, heißt es in der am Mittwoch auf der DBK-Homepage veröffentlichten „Argumentationsskizze“. Das vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz erarbeitete Papier trägt den Titel „Triage – Medizinische Allokationsprobleme angesichts der COVID-19-Pandemie in ethischer Beurteilung“. In ihm setzt sich die DBK auch eingehend mit zwei, kürzlich veröffentlichten Empfehlungen auseinander. Am 26. März hatten zunächst sieben medizinische Fachgesellschaften „klinische-ethische Empfehlungen“ für die Durchführung einer sogenannten „Triage“ (dt. Sichtung, Sortierung, Auswahl) der Öffentlichkeit vorgestellt (DT vom 2. April). In seinen tags darauf veröffentlichten Ad-hoc-Empfehlungen „Solidarität und Verantwortung in der Corona-Krise“ hatte sich auch der Deutsche Ethikrat des Themas angenommen.„Im Fall einer unüberbrückbaren Kluft von medizinischen Ressourcen und Behandlungsbedarf in Folge einer pandemischen Überlastung des Gesundheitssystems“ sei eine „Triage“ als „ultima ratio“ nicht nur „zulässig“ und „gerechtfertigt“, sondern „sogar geboten“, heißt es in der „Argumentationsskizze“ des Sekretariats der DBK. „Unerlässlich“ sei auch, „alle Patienten, die zum Zeitpunkt der Überlastung eine intensivmedizinische Behandlung benötigen, in die Triage einzubeziehen und diese nicht nur auf die Personen mit COVID-19 zu begrenzen“. Die Entscheidung darüber, welche Patienten, eine intensivmedizinische Behandlung erführen, dürfe „nicht einem Algorithmus überlassen werden“. Das „medizinische Personal, das hier in schwieriger Situation nach bestem Wissen und Gewissen handelt“, bedürfe „psychosozialer und seelsorgerischer Begleitung“, und verdiene „allgemeine Anerkennung“. Ärzte müssten in solchen Situationen zwischen der „Behandlungsbedürftigkeit (Dringlichkeit) und Prognose (therapeutische Erfolgsaussicht)“ abwägen. Dabei könne „die klassische Maßgabe der Triage, so viele Leben wir möglich zu retten“, aufgrund „ihrer Ähnlichkeit zur utilitaristischen Maxime vom ,größten Glück der größten Zahl‘ (J. Bentham) dazu verleiten, einzig auf den Aspekt der Prognose zu schauen. Das aber würde unweigerlich bedeuten, junge nicht vorerkrankte Patienten mit leichterem Verlauf gegenüber älteren vorerkrankten Patienten vorzuziehen, weil erstere ja die deutlich bessere Prognose“ besäßen, heißt es in dem Papier. Hierzu stellt die DBK klar: „Eine Triage nach solchen Kriterien aber muss aus ethischer Perspektive klar verworfen werden“ und „widerspräche dem ärztlichen Ethos von Grund auf“.
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