| | | | | 15. Dezember 2024 | | Prantls Blick | | Die politische Wochenschau | | | |
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| | | Prof. Dr. Heribert Prantl | | | |
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| | | Weihnachten. Das gröÃte Geschenk ist es, wenn ein Mensch sein Herz verschenkt. Vor siebzig Jahren war es eine Niere, die das gröÃte Geschenk seines Lebens war für den Beschenkten. Dieser Beschenkte hieà Richard Herrick, sein Bruder Ronald hatte ihm seine Niere gespendet, seinem todkranken Zwillingsbruder. Es war am 23. Dezember 1954. Der Chirurg Joseph E. Murray hat die Niere dann transplantiert, in einem Krankenhaus in Boston. Es war die weltweit erste erfolgreiche Nierentransplantation, ein Weihnachtswunder. Richard überlebte, er heiratete eine Krankenschwester aus der Klinik, wurde Vater zweier Kinder. Er starb dann acht Jahre später an einem Herzversagen. Und der Spender, der Lehrer Ronald Herrick, sein eineiiger Zwilling, lebte nach der Operation noch über fünfzig Jahre. Der Operateur Dr. Murray erhielt 1990 den Nobelpreis für Medizin. Doktor Murray gelang 1962 die erste erfolgreiche Nierentransplantation von einem verstorbenen Spender. Eine Spende âpost mortemâ, also nach dem Hirntod des Spenders, ist seitdem für Kranke eine groÃe Hoffnung. Seitdem es Medikamente gibt, die eine AbstoÃung fremder Organe verhindern, sind Organtransplantationen fast zur medizinischen Routine geworden. Ein Wunder ist nicht mehr die Operation. Ein Wunder ist es, wenn Menschen, die ein fremdes Organ brauchen, auch eines erhalten. Die Wartelisten sind lang. Tausende Menschen warten vergeblich auf ein zu transplantierendes Organ. Im Jahr 2012 wurde bekannt, dass in deutschen Kliniken Mediziner Krankenakten gefälscht hatten, um ausgewählte Patienten bevorzugt mit Spenderorganen zu versorgen. Dieser sogenannte Organspende-Skandal hat das Vertrauen in die deutsche Transplantationsmedizin nachhaltig erschüttert. Die Spendenbereitschaft ging stark zurück. Wunder und Wünsche Der südafrikanische Chirurg Christiaan Barnard führte 1967 die erste erfolgreiche Herztransplantation beim Menschen durch. Der Patient überlebte nur 18 Tage. Ihm war das Herz des Opfers eines Verkehrsunfalls eingepflanzt worden. Die Ãberlebenszeiten verbesserten sich sehr, als in den Achtzigerjahren die Probleme der OrganabstoÃung gelöst werden konnten. Bei manchen ist ein neues Herz seitdem ein Herzenswunsch im buchstäblichen Sinn. Sie wünschen sich nichts sehnlicher als ein neues Herz. Andere wünschen sich eine neue Niere, eine Leber, eine Lunge, eine Bauchspeicheldrüse, neue Augen. Seit Jahrzehnten gibt es die Diskussion und eine Gesetzgebung darüber, ob und wann und unter welchen Voraussetzungen dem Körper eines Menschen Organe entnommen und einem anderen Menschen eingepflanzt werden dürfen. âNach meinem Todâ steht im Organspendeausweis der Menschen, die für den Fall des Falles ihre Zustimmung zur Organspende geben. Es sind viel zu wenige. Es gibt deshalb jetzt (zum wiederholten Mal) in Deutschland einen gesetzgeberischen Anlauf, die sogenannte Widerspruchslösung einzuführen, anstelle der derzeit geltenden Zustimmungslösung. Die Initiative geht diesmal vom Bundesrat aus: Jeder Mensch soll künftig als Organspender gelten, wenn er nicht zu Lebzeiten einer Organspende widersprochen hat. So soll dafür gesorgt werden, dass mehr Spenderorgane zur Verfügung stehen. Indes: Ist das wirklich noch eine Spende? Es geht um existenzielle juristische und ethische Fragen. | |
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| | Darüber schreibe ich heute in meinem SZ-Plus-Text unter dem Titel: âWem gehört der Mensch?â Darf der Staat das Selbstbestimmungsrecht des Menschen an sich ziehen, weil der nicht ausdrücklich widersprochen hat? Darf der Staat die Freiwilligkeit des Menschen, dem die Organe entnommen werden, quasi simulieren? Es sind schwierige, es sind schwierigste Fragen. Wir müssen sie diskutieren. Ich wünsche Ihnen für das neue Jahr die Kraft, sich den groÃen wie den kleinen Fragen des Lebens zu stellen. Ihr
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| Heribert Prantl | | Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung |
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| | | | | | | | | Auf der ewigen Bestsellerliste | | Zu Weihnachten mag ich Ihnen einen Schmöker empfehlen. Das Buch ist eigentlich kein Schmöker, sondern ein sehr kunstvoller, ein fantastischer Roman von magischer Kraft. Aber weil man ein Buch, das man gar nicht mehr aus der Hand legen mag, gern einen Schmöker nennt, bezeichne ich es auch so. Es ist kein neuer Roman, er steht nicht auf den aktuellen Bestsellerlisten, er ist schon alt; aber er gehört auf die ewige Bestsellerliste. Leo Perutz hat den Roman vor hundert Jahren in Wien zu schreiben begonnen und 1951 in Tel Aviv vollendet. Und ich habe ihn an Weihnachten 1994 zum ersten Mal gelesen â gebannt und hingerissen. Er handelt von einer Liebesgeschichte zwischen Kaiser Rudolf II. und der schönen Jüdin Esther im alten Prag an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert und heiÃt âNachts unter der steinernen Brückeâ. Mit dieser einen Liebesgeschichte ist eine ganze Kaskade anderer Erzählungen aufs Spannendste verwoben â über Johann Kepler, den Astronomen; über den reichen Juden Mordechai Meisl, über den Rabbi Löw. Ich habe mich an diese meine lang zurückliegende Weihnachtslektüre wohl auch deshalb erinnert, weil Daniel Kehlmann jüngst in einem kleinen Büchlein hymnisch über Perutz geschrieben und ihn dort âden unbekanntesten GroÃmeister der deutschen Literaturâ genannt hat. Da fiel mir wieder ein, wie süchtig ich nach der Nacht unter der steinernen Brücke nach Leo Perutz war. Perutz war nach Karl May, Dostojewski und Brecht für mich der Autor, von dem ich möglichst alles lesen wollte. Da war âDer schwedische Reiterâ, da war âDer Meister des jüngsten Tagesâ. Und da war der sensationelle literarische Erfolg aus der Zeit zwischen den Weltkriegen: âWohin rollst du, Ãpfelchenâ, der vom Schicksal eines einstigen Offiziers handelt, der die Demütigungen im russischen Kriegsgefangenenlager nicht vergessen kann und sich daher auf eine Rache-Odyssee durch halb Europa begibt â an deren Ende er die Rache verlernt und vergisst. Wer gefesselt neben dem Christbaum sitzen will, der lese Leo Perutz. Leo Perutz: Nachts unter der steinernen Brücke. Den Roman gibt es in verschiedenen Ausgaben. Am preiswertesten ist die dtv-Taschenbuchausgabe aus dem Jahr 2004, sie hat 267 Seiten und kostet 12 Euro. | | | | |
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| | | | | Etwas Heilendes | | Diane Foley ist die Mutter des US-Journalisten James Foley, der von IS-Terroristen vor laufender Kamera enthauptet worden ist. âDie Mutter aller Schmerzenâ nennt der Kollege Andrian Kreye sie in der Besprechung des Buches, in dem der Schriftsteller Colum McCann ihren Umgang mit dem Leid und dem Schmerz protokolliert (SZ Plus). Und die Kollegin Mareen Linnartz hat ein eindrucksvolles Interview mit dieser Frau und Mutter geführt, in der SZ vom Wochenende. Es ist dies ein starkes Interview mit einer starken Frau, die ihre Kraft aus ihrem Glauben schöpft. Diane Foley ist gläubige und praktizierende Katholikin. Für sie war und ist die Bitte aus dem Vaterunser nicht einfach eine Gebetsformel, sondern eine Handlungsanleitung: âUnd vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.â Sie hat einem der Täter im Gefängnis nach stundenlangen Gesprächen die Hand gereicht. Das war mehr als ein passiver Verzicht auf Rache, das war mehr als Verzeihung, das war ein Geben â das war Vergebung. Wie es dazu kam, wie es ihr damit ergeht â darüber spricht sie im Interview: âWenn wir nicht miteinander reden, fangen wir an ⦠uns zu hassen, dann gibt es keine Hoffnung mehr. Diese Gespräche hatten etwas Heilendes.â | | | |
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| | | | | Meinung | | Kommentare, Kolumnen, Gastbeiträge und Leserdiskussionen im Ãberblick | |
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