Liebe/r Leser/in, diejenigen unter Ihnen, die FOCUS aufmerksam und regelmäßig lesen, kennen das Ehepaar Sahin/Türeci nicht erst seit dieser Woche, als sie weltweit zu Helden wurden. Seit mehr als 20 Jahren forschen Ugur Sahin und seine Ehefrau Özlem Türeci an personalisierten Immuntherapien, um Tumore zu bekämpfen, seit 2008 in den Laboren ihres Mainzer Start-ups Biontech. 2017 und 2018 berichtete FOCUS zum Beispiel mehrfach von der vielversprechenden Studie, einen Impfstoff gegen Hautkrebs zu entwickeln – und als sich Ende 2019 das Coronavirus weltweit ausbreitete, waren die Forscher aus Mainz für uns immer wieder Ansprechpartner für die Frage nach dem sehnsüchtig erwarteten Impfstoff. Jetzt ist es so weit! Am Montag wurde bekannt gegeben: Die Partner Biontech und Pfizer beantragen die Zulassung für einen Corona-Impfstoff, der eine Erfolgsrate von 90 Prozent verspricht. Am Mittwoch dann billigte die EU-Kommission den Rahmenvertrag mit beiden Firmen, um bis zu 300 Millionen Dosen des Impfstoffs zu kaufen. Als Unternehmer ernten die Jahrhundertforscher nun die Früchte ihrer Arbeit. Die Aussicht auf den Impfstoff hat den Börsenwert von Biontech auf über 20 Milliarden Euro getrieben – Ugur Sahin selbst ist mit rund 18 Prozent der Aktien plötzlich Multimilliardär, ein Raketenstart auf die Top-100-Liste der reichsten Deutschen. Es ist eine Aufsteiger-Geschichte, wie sie es nur ganz selten gibt. Der Milliardär, der heute in Jeans und Hemd mit dem Fahrrad zur Arbeit kommt, um den Hals eine Lederkette mit dem kleinen Nazar-Amulett (das türkische blaue Auge, das den bösen Blick abwenden und seinem Träger Glück bringen soll), ist der Sohn türkischer Einwanderer. Im Alter von vier Jahren kam Sahin mit seiner Mutter nach Deutschland zum Vater, der in Köln bei Ford arbeitete. Er studierte in Köln, arbeitete als Arzt am dortigen Universitätsklinikum, danach an der Uniklinik des Saarlandes in Homburg, wo er seine spätere Frau Özlem kennenlernte. Özlem Türeci wurde 1967 im niedersächsischen Lastrup geboren, ihr Vater (Katholik) kam aus Istanbul nach Deutschland und arbeitete als Chirurg in einem katholischen Krankenhaus im Kreis Cloppenburg. Mit Ugur Sahin wechselte sie von Homburg im Jahr 2000 als Privatdozentin an die Universität Mainz, wo sie sich in der Krebsimmuntherapie einen Namen machte. 2001 gründete das Ehepaar die Firma Ganymed Pharmaceuticals, das Antikörper gegen Krebs entwickelt – 2016 dann der Verkauf der Firma an den Pharmakonzern Astellas für circa 422 Millionen Euro. Wunder brauchen Glück, Talent, Willen und Geld: Zwei, die immer an das Powerpaar aus Mainz geglaubt haben, sind die Zwillingsbrüder Thomas und Andreas Strüngmann. Nach dem Verkauf ihrer Pharma-Gründung Hexal investierten die Brüder im Laufe der vergangenen Jahre mehr als 200 Millionen Euro in Biontech. Warum ausgerechnet Biontech, wie es mit dem Impfstoff weitergeht und was wir auch im Kampf gegen Krebs aus Mainz noch zu erwarten haben, darüber spricht Thomas Strüngmann mit meinem Kollegen Kurt-Martin Mayer in unserer Titelgeschichte ab Seite 72. Im November erwarten die Weinfans unter unseren Leserinnen und Lesern normalerweise gespannt den Artikel mit den Ergebnissen des großen FOCUS-Weintests. Eigentlich war das Finale des dreistufigen Testverfahrens für den 3. November im „Rutz Zollhaus“ in Berlin geplant. Doch dann kam der Teil-Lockdown, die Gastronomien mussten leider geschlossen werden. Weil für uns bei FOCUS das Glas jedoch immer halb voll statt halb leer ist, ließen wir uns nicht unterkriegen, sondern lieber etwas einfallen. Meine Kollegin Beate Schindler organisierte kurzerhand mit dem engagierten Team des Deutschen Weininstituts ein Online-Finale. Großer Unterstützer der pandemiekonformen Aktion: Professor Ulrich Fischer vom Weincampus Neustadt in Rheinland-Pfalz. Er hat ein besonderes Verfahren entwickelt, mit dem es gelingt, hochwertige Weine ohne Qualitätsverlust sicher in kleinere Flaschen umzufüllen. Mithilfe von Stickstoffgas werden die Weine direkt aus der Originalflasche ohne Sauerstoffkontakt überführt. Der Experte übertrug also für uns die 48 Final-Weine in insgesamt 800 kleine 0,05-Liter-Fläschchen. Diese wurden an die 24 Juroren, darunter Bundesministerin Julia Klöckner und Joachim Heger, in ganz Deutschland geschickt – und so konnte jeder von zu Hause aus verkosten und bewerten. Welche Weine gewonnen haben, lesen Sie in der nächsten Ausgabe. |