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Tagesspiegel Checkpoint vom Freitag, 29.04.2022 | Reichlich Sonnenschein bei um die 18°C. | ||
+ Immobiliengesellschaft in Mitte will Bedürftige gegeneinander ausspielen + „Kronzeugin für rassistische Thesen“: Kritik an Bildungssenatorin Busse wegen Zitat in Sarrazin-Buch + Italienische Gemeinde hat Platz nach verstorbenem Berliner Verleger Klaus Wagenbach benannt + |
von Nina Breher |
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Guten Morgen, Krieg in der Ukraine, Tag 65. Auch heute beginnt dieser Newsletter mit einem Blick auf die Ereignisse der vergangenen Stunden: +++ Die Ukraine und Bulgarien haben eine enge Zusammenarbeit beschlossen: Ukrainische Militärausrüstung soll in Bulgarien repariert werden, die Ukraine liefert Bulgarien Strom und die Transbalkan-Pipeline soll gemeinsam genutzt werden. Außerdem soll der bulgarische Hafen in Warna von der Ukraine genutzt werden, um landwirtschaftliche Güter zu exportieren. Die eigenen Häfen kann die Ukraine derzeit nicht nutzen, Russland blockiert sie. +++ Bundeskanzler Scholz versteht den Angriff Russlands auf die Ukraine als Angriff auf die Demokratie. Putin verfolge nicht allein das Ziel, die Ukraine zu zerstören. „Sein Krieg richtet sich gegen alles, was Demokratie ausmacht: Freiheit, Gleichheit vor dem Gesetz, Selbstbestimmung, Menschenwürde“, schreibt er in einem in der Nacht zu Freitag erschienenen Gastbeitrag in der „Welt“. +++ Russische Angriffe auf das umkämpfte Asowstal-Stahlwerk in Mariupol haben ein Feldlazarett getroffen, mindestens ein Soldat starb. Das berichtet die „Ukrajinska Prawda“. +++ Der russische Geheimdienst stand offenbar hinter einer Attacke auf den „Novaya Gazeta“-Journalisten und Friedensnobelpreisträger Dmitri A. Muratov am 7. April. Das berichten die New York Times und die Washington Post mit Bezug auf US-Geheimdienstinformationen. Der Tagesspiegel-Newsblog informiert Sie fortlaufend über die aktuelle Lage im russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Auf unserer Live-Karte zeigen wir Truppenbewegungen und berichten von wichtigen Ereignissen vor Ort. | |||||
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Weiter geht’s mit Worten der Berliner Bildungssenatorin, Thema: migrantische Familien in Neukölln. „Sie bleiben einfach untereinander. Man muss sich hier ja auch gar nicht mehr integrieren. Man nimmt das Viertel in Besitz, und man lässt sich pampern“, sagte Astrid-Sabine Busse (SPD) 2009 der „SZ“. Viele von ihnen seien dank Sozialhilfe wohlhabend. Der mittlerweile aus der Partei ausgeschlossene Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin nutzte das Zitat zur Begründung seiner rassistischen Thesen. Für ihre pauschalisierende Aussage mit xenophobem Unterton muss sich die von Giffey für das Senatorinnen-Amt ausgewählte Busse nun Kritik aus der eigenen Partei gefallen lassen. Anne Rabe (SPD ChaWi) postete das Zitat auf Twitter, die frühere Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) schrieb: „Die Bildungssenatorin hat nie verborgen, welches Bild sie von Arabern und Muslimen hat. Wir sind alle potenziell gefährlich, radikal, faul“. Und Busse selbst? „Die Veröffentlichung liegt schon weit über ein Jahrzehnt zurück, und Frau Busse ist ohne ihr Wissen in dem Buch zitiert worden“, teilte die Bildungsverwaltung meinen Kollegen Susanne Vieth-Entus und Christian Latz mit. Nunja. 2018, also fast ein Jahrzehnt später, sagte Busse, ‚damals‘ Schulleiterin in Neukölln, der „Bild“-Zeitung: „Wir sind arabisiert!“ Und weiter: „Von wegen dritte, integrierte Migranten-Generation. Man holt sich immer noch den Ehepartner aus dem früheren Heimatland. Wieder ein Elternteil, das kein Deutsch kann.“ | |||||
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Im Bezirksamt Mitte wird das Bewerbungsverfahren für die Leitung des Steuerungsdienstes zu großen Teilen neu aufgerollt. Hintergrund ist offenbar ein Rechtsstreit um mögliche Fehler im Auswahlverfahren. Aber von vorn: Im Dezember hatte Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) die hohe Verwaltungsstelle im Bezirk mit einer Person besetzt, die in seinem Wahlkampfteam war und im Vorstand der Grünen Mitte ist (CP vom 17.12.). Aus der Bezirkspolitik gab es deshalb heftige Kritik. Jetzt hob das Bezirksamt die Entscheidung für den Bewerber auf. Das geht aus einem Schreiben des Bezirksamts Mitte an das Verwaltungsgericht Berlin von Mittwoch hervor, das dem Checkpoint vorliegt. „Das Verfahren als Ganzes soll auf den Stand des Eingangs der Bewerbung zurückgesetzt und von diesem Punkt an wiederholt werden, so dass letztlich eine neue Auswahlentscheidung getroffen werden wird“, und zwar „aufgrund der vorliegend vorgetragenen Bedenken gegen deren Richtigkeit“. Ein Mitbewerber des ausgewählten Bewerbers war juristisch gegen die Entscheidung vorgegangen. Bemängelt wurde die Art, wie das Auswahl-Verfahren ablief (Beurteilung der Bewerber, Dokumentation des Verfahrens). Das Bezirksamt selbst wollte sich weder zu den Gründen für die Entscheidung äußern, das Verfahren noch einmal durchzuführen, noch zu der Frage, bis wann die Stelle realistischerweise besetzt sein wird. „Das Bezirksamt Mitte äußert sich nicht zu laufenden Stellenbesetzungsverfahren“, schrieb die Pressestelle. Der Fall hatte im Dezember für bezirkspolitischen Dissens gesorgt: Nicht nur die CDU Mitte hatte Ärger geäußert („Stellenbesetzung im Bezirksamt nach Parteibuch?“, 16. Dezember), auch die Grünen-Fraktion Mitte wurde ungewöhnlich deutlich gegenüber ihrem Grünen-Bzbm: „Wir stellen das Verhalten des Bezirksbürgermeisters stark in Frage und fordern Aufklärung über den Ablauf des Stellenbesetzungsverfahren“ (Statement vom 19. Dezember). Die BVV ersuchte das Bezirksamt, „volle Transparenz“ (CP vom 17.12.)herzustellen. Drei Tage später teilte das Bezirksamt mit: „Das Stellenbesetzungsverfahren wurde (…) transparent und neutral durchgeführt“ (Pressemitteilung des Bezirksamts Mitte vom 20.12.).Basta. Oder? Offenbar nicht ganz. | |||||
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Wir bleiben noch kurz in Mitte. 50 Ex-Obdachlose sollen kurzfristig aus dem Haus in der Habersaathstraße 40 weichen, um Platz für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu machen. Das teilte die Eigentümergesellschaft des Gebäudes, die Arcadia Estates, über ihre Hausverwaltung mit. Aktivisten der Initiative sehen in der Aktion auch einen Versuch, Geflüchtete gegen Wohnungslose auszuspielen. Der Bezirk Mitte jedoch stellt sich gegen den Plan der Arcadia: „Das Gebäude kann nicht für die Unterbringung von aus der Ukraine geflüchteten Menschen genutzt werden“ (rbb), denn dafür müsse den Geflüchteten nach Senats-Regelungen eine Perspektive über mindestens sechs Monate geboten werden. Das scheint nicht der Fall zu sein. Das Bezirksamt setzt sich dafür ein, das Projekt fortzusetzen. Ein Auszug erscheine erst notwendig, falls das Gebäude wirklich abgerissen werde, hieß es laut meinem Kollegen Henning Onken. Das Bezirksamt und die Arcadia Estates streiten seit Jahren darüber, ob das Gebäude für Neubauten abgerissen oder erhalten werden soll, um die preisgünstigen Mietwohnungen zu erhalten. | |||||
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Klimawandel, ick hör dir trapsen: Gärtner, die Berliner Grünanlagen bewässern, waren mal eine Hochsommer-Ausnahmeerscheinung. Dieses Jahr werden sie schon Ende April gesichtet. Aus dem Treptower Park berichtet Elisabeth Rank auf Twitter, mehrere Gärtner gesehen zu haben, die die Grünflächen bewässern. „Dit wird n Desaster, kapiert nur keener“, habe einer von ihnen gesagt. Wie steht es also in diesem Frühjahr um die Grünflächen, vor allem die Bäume? „Der März war definitiv eine Katastrophe“, sagt Derk Ehlert, Baumexperte der Senatsverwaltung, am Checkpoint-Telefon. Die Regenmengen im April seien bisher zwar immerhin „knapp durchschnittlich“, aber: „Es ist kein Geheimnis, dass es viel zu wenig Regen gibt, und zwar nicht erst seit gestern.“ Nicht nur der ausbleibende Regen setzt den Berliner Bäumen zu, sondern auch andere Klimawandel-Folgen: zum Beispiel Schadinsekten. Je wärmer die Berliner Winter werden, desto eher überleben sie ihn – und plagen die geschwächten Bäume zusätzlich. Und nu? Die Grünflächenämter gießen, Freiwillige gießen. „Trotzdem: Selbst wenn alle wässern, die können nicht alle Bäume wässern“, sagt Ehlert. Einen Hinweis, wie man auch ohne Riesen-Gießkanne helfen kann, hat er auch noch: „Bitte keinen Müll in den Parks und Grünanlagen hinterlassen. Die Beseitigung dieses Mülls bindet Personal, und das fehlt den Grünflächenämtern dann anderswo – beispielsweise bei der Bewässerung.“ | |||||
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Die SPD lotet derweil die Grenzen der Meinungsfreiheit neu aus. Als Reaktion auf Elon Musks Ankündigung, Twitter zu kaufen, twitterte die SPD-Bundestagsfraktion am Mittwoch besorgt über die möglichen Auswirkungen des Deals auf das hohe Gut: „#ElonMusk wirbt für mehr Meinungsfreiheit auf Twitter und will gleichzeitig die Machtkonzentration bei einer Person (finde den Fehler)“. Ironischerweise blendete die Partei unter dem Tweet aber selbst eine große Menge Kommentare aus. Viele davon twitterten weit unter der Gürtellinie oder fern jeder Realität, einige aber lasen sich eher unverdächtig (wenn auch nicht immer freundlich), zum Beispiel: „Elon bestimmt nichts, er hält sich an bestehende Gesetze“ oder: „Gestern noch war er der Held Deutschlands, der die Mobilitätswende voranbringt, heute ist er der Böse, der Twitter für seine persönlichen Ziele missbraucht. SPD mal wieder total lost.“ Ein Tweet, der Sorge um Meinungsfreiheit äußert, zugleich ganz schön viele Einwürfe dazu ausblendet, der gelebte Widerspruch? Offenbar eher ein technisches Problemchen: „Unsere Kanäle in den sozialen Netzwerken sind immer wieder Ziel von Hass-Kommentaren, Beleidigungen, Drohungen, Desinformationskampagnen, Bots und Trollen“, schreibt ein Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion dem Checkpoint. Die „Flut destruktiver Kommentare“ lasse sich nur mithilfe von Tools bewältigen, die Beiträge nach bestimmten Regeln automatisch ausblenden. „Dass hin und wieder auch konstruktive Kommentare automatisch miterfasst werden, lässt sich dabei leider nicht immer vermeiden.“ | |||||
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