wir müssen heute einmal über den Tod reden. Dem protestantischen Kalender nach befinden wir uns ja immer noch mitten in der Passionszeit, und auch in den eher säkularen Impfplänen scheint es bis zur österlichen Auferstehung noch ein längerer Weg zu sein. Mag die Frühlingssonne also bereits das zarte Aufblühen eines neuen Lebenszyklus‘ ankündigen, die Auslage eines kleinen Geschäftes mitten in einem Berliner Szenekiez drücken da doch erheblich auf die Stimmung: „Individuelle Bestattungen“ ist da in hipper brauner Schrifttype auf einer Unterlage aus warmen Kiefernholz zu lesen. Dahinter, auf einem wohlgeformten Pappaufsteller: „Jeder Mensch braucht seinen persönlichen Abschied“. Mit solch individuellen Geschäftsideen liegt Berlin voll im Trend. Denn laut Bundesverband Deutscher Bestatter setzen immer mehr Deutsche beim Umgang mit Tod und Beisetzung auf exklusive und persönliche Lösungen. Die einen mögen es eher pflegeleicht und wählen einen lauschigen Platz im kleinen Friedwald, andere wollen mit Blasmusik und Trauerkutsche zur letzten Ruhestätte gefahren werden. Für den Totengräber bieten sich da natürlich ganz neue Einnahmequellen. Denn mögen Leben und Politik längst alternativlos sein, im Tod erblüht der Mensch zu sich selbst und somit zu seinem wahren Ausdruck. Wenn Friseursalons heutzutage also nicht mehr „Bei Marion“, sondern „Vier Haareszeiten“ oder „Haarbacadabra“ heißen, warum sollte der Totengräber sein Geschäft dann nicht auch „lebensnah“, „mymoria“ oder „The Funeralists“ nennen dürfen. Die Zeiten, in denen der Tod der „große Gleichmacher“ war, sind halt vorbei. Längst muss das posthume Dasein für den ultimativen Kick und das Höchstmaß an Exzentrik herhalten. Das mag ja auch nicht wirklich verwundern, ist die diesseitige Wirklichkeit doch allzu oft hässlich, öde und normiert. Die Architekturhistorikerin Turit Fröbe etwa weißt im Cicero-Interview auf die Tristesse unserer Innenstädte hin und beantwortet die Frage, was gute Bausünden von schlechten unterscheidet. Und der Medizin-Informatiker Markus Scholz erklärt, warum man bei den aktuellen Lockerungsdebatten wieder vermehrt auf den R-Wert schauen sollte. Der sei aktuell deutlich über Null und verheiße keinen Öffnungsoptimismus. Aber lassen Sie sich davon bitte nicht die Stimmung verderben. Sie wissen ja jetzt: das Schrägste kommt noch! Ihr Ralf Hanselle, stellvertretender Chefredakteur |