Abkehr vom Dirigismus des „Green Deal“? Offenbar wachsen in den Mitgliedsländern die Bedenken, dass die EU der Wirtschaft mit allzu ehrgeizigen Vorgaben schadet, Stichwort Wettbewerbsfähigkeit. Ganz oben auf der Agenda solle künftig, so Hoekstra, die internationale Klimadiplomatie stehen, schließlich stammten nur sieben Prozent der globalen CO2-Emissionen aus Europa. Auch müsse sich der Handel mit CO2-Emissionsrechten, den die EU bereits verankert hat, international durchsetzen. Und, auf die Frage eines Diskussionsteilnehmers: Europas Industrie moniere zu Recht, dass Energie in den USA bedeutend billiger zu haben sei. „Das müssen wir lösen“, fordert EU-Kommissar Hoekstra. Bahnt sich hier etwa eine Abkehr vom Dirigismus des „Green Deal“ an – und wäre das dann ein Rückschritt oder ein Fortschritt? 70 Konzernchefs fordern einen Industrial Deal Für die Unterzeichner*innen der am Dienstag verabschiedeten „Antwerpener Erklärung“ dürfte die Antwort auf der Hand liegen: Mehr als 70 europäische Konzernführer*innen fordern von der EU jetzt einen „Industrial Deal“. „There is an urgent need for clarity, predictability, and confidence in Europe and its industrial policy”, heißt es in dem Appell; verlangt wird unter anderem die Abschaffung überflüssiger Regulierung und eine stärkere Förderung umweltfreundlicher Technologien. (Wobei die EU erneuerbare Energien schon jetzt großzügig unterstützt und zum Beispiel gerade den enormen Betrag von 6,9 Milliarden Euro für Wasserstoffprojekte bereitgestellt hat.) Es sind gewiss keine neuen Forderungen, interessant ist die Argumentation: „We need to keep industry in Europe because the industry will deliver the climate solutions Europe needs.“ Mittelstand vermisst Zahlungsbereitschaft Zumindest große Teile des deutschen Mittelstands betrachten Nachhaltigkeit weiterhin als Chance, wie eine ebenfalls am Dienstag veröffentlichte Studie von Haufe zu Corporate Sustainability belegt. Die Autor*innen analysieren vier Typen von Unternehmensführer*innen: Wegbereiter, Routiniers, Einsteiger und Skeptiker. Die gute Nachricht: Nur 20 Prozent der Befragten würden sich einer Nachhaltigkeitsstrategie am liebsten verweigern; die anderen 80 Prozent sind intrinsisch motiviert, akzeptieren die Aufgabe als Teil des Managements oder haben zumindest mit der Umsetzung begonnen. Treiber sind vor allem Kundenerwartungen und das Bemühen um Zukunftssicherung. Aber: Ein knappes Drittel der Befragten beklagt, dass die Kunden nicht bereit seien, für mehr Nachhaltigkeit auch mehr Geld auszugeben. Da ist sie wieder, die fatale Kluft zwischen Willen und Anspruch, die im schlimmsten Fall eine Abwärtsspirale auslösen kann: Wenn Unternehmen umweltfreundliche Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse mangels Nachfrage reduzieren, verliert Nachhaltigkeit bei den Konsument*innen an Stellenwert – und irgendwann bröckelt der Trend. Nachhaltigkeit braucht sichtbare Signale Hut ab vor allen, die sich trotz aller Widerstände nicht entmutigen lassen, auch nicht durch ungerechte Greenwashing-Vorwürfe. Wenn sich Unternehmen aus Angst vor Klagen nicht mehr trauen, ihr Umweltengagement plakativ zu dokumentieren, geht für die, die sich ernsthaft um nachhaltigen Konsum bemühen, eine wichtige Signalwirkung verloren. Besonders absurd ist der Streit zwischen der Deutschen Umwelthilfe und der Drogeriekette dm um das Label „umweltneutral“, das für eine ganzheitliche, wissenschaftlich begleitete Kompensationsstrategie steht. Die Zeit hat ihn in einer lesenswerten Hintergrund-Recherche ausgeleuchtet. Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick! |