| | | | | 28. Juli 2024 | | Prantls Blick | | Die politische Wochenschau | | | |
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| | | Prof. Dr. Heribert Prantl | | | |
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| | | von meinem GroÃvater mütterlicherseits, der von Beruf ein Notariatsoberinspektor war, habe ich ein sehr dickes Buch geerbt, das mich dann lange begleitet hat. Es war ein juristisches Kommentarwerk namens âPalandtâ, etwa zwei Ziegelsteine groà und auch so schwer. Das groÃväterliche Exemplar war die 11. Auflage aus dem 1953, meinem Geburtsjahr. Wahrscheinlich konnte niemand sonst mit diesem Buch etwas anfangen, zumal es sich um eine schon damals alte Auflage handelte. Beeindruckt vom Gewicht und vom Umfang der Schrift sowie von der Unverständlichkeit des Inhalts habe ich den âKommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuchâ als Bücherstütze neben meine Karl-May-Bände platziert. Im Laufe der Jahre begann ich dann die Menschen zu bewundern, die sich mit diesem Buch und mit Sätzen wie diesem ihr Geld verdienen können: âTritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.â Es handelt sich bei diesem Zungenbrecher um den Paragrafen 164 Absatz 2 des BGB. Dieser besagt, in normales Deutsch übersetzt, dass im Zweifel ein Jeder im eigenen Namen handelt. Das Ende des âStichentscheidsâ â vor 65 Jahren Es kam so, wie es kommen musste: Ich studierte Rechtswissenschaft und arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Dieter Schwab, Ordinarius für Bürgerliches Recht, Familienrecht und Deutsche Rechtsgeschichte an der Universität Regensburg. Dort gab es einen Schreibtisch für mich in einem Dreier-Büro, in dem es nicht so wuselig, gedrängt und laut zuging wie in der juristischen Bibliothek. Ins Regal stellte ich mir, wieder als Bücherstütze, den Palandt aus dem Jahr 1953. Und wenn ich etwas Familienrechtliches zu studieren hatte, las ich â der Gaudi halber â in diesem alten Opa-Exemplar nach. Es war dies dann wie eine archäologische Expedition in die Steinzeit der Gleichberechtigung: Am Beginn der Bundesrepublik galten ja im Familienrecht, trotz des Gleichberechtigungsartikels im Grundgesetz, noch die alten Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs aus dem Jahr 1900: Der Mann gab der Frau und den Kindern seinen Namen, er bestimmte den Wohnsitz, er verfügte allein über das Vermögen seiner Frau und über ihre Berufstätigkeit, er konnte jederzeit ihr Arbeitsverhältnis kündigen; er hatte auch die sogenannte väterliche Gewalt, entschied also allein über Umgang, Schule und Ausbildung der Kinder. âStichentscheidâ nannte man dieses Letztentscheidungsrecht des Vaters in der Kindererziehung. Vor genau 65 Jahren, am 29. Juli 1959, verkündete das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit dieses väterlichen Stichentscheids. Es war dies das Ende der Steinzeit des Familienrechts, ein Meilenstein für die Entwicklung des Familienrechts in der Bundesrepublik. Dieses Urteil des Ersten Senats hat damals Erna Scheffler verkündet; sie war die erste und lange Zeit die einzige Frau am Bundesverfassungsgericht. Weitere Meilensteine folgten: Das Verfassungsgericht hat die Politik vierzig Jahre lang in Sachen Gleichberechtigung vor sich hergetrieben. Das Familienbild hat sich grundlegend geändert. Von diesem Familienbild (und davon, was noch zu tun ist) handelt mein heutiger SZ-Plus-Text â er beginnt mit einem alten Foto von der Familie meines GroÃvaters väterlicherseits. Im Gleichberechtigungshimmel ist Deutschland gleichwohl noch lange nicht. Nach wie vor gibt es zum Beispiel die Lohndiskriminierung der Frauen. Es gibt den Gender Pay Gap â der Lohnunterschied liegt noch immer bei achtzehn Prozent; damit gehört Deutschland bei der Lohngleichheit zu den Schlusslichtern in Europa. Ein bisschen Steinzeit gibt es also immer noch.
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| | | Im Himmel der Gleichberechtigung ist Deutschland noch lange nicht | | |
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| Ich wünsche Ihnen einen August mit Sonne im Herzen und auf der Badematte Ihr
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| Heribert Prantl | | Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung |
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| | | | | | | | | Was unser Leben rundet | | Rita Süssmuth hat der CDU den Feminismus beigebracht, sie hat es jedenfalls versucht. Sie war Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit; sie war eine hochengagierte Präsidentin des Bundestags, sie hat aus diesem Amt eine politische Plattform gemacht. Und sie hat sich nie unterkriegen lassen â nicht von Niederlagen, nicht von Bösartigkeiten, nicht von mächtigen Männern. Sie mag sich auch heute von ihrer Krebs-Erkrankung nicht unterkriegen lassen. Sie zitiert immer noch gern eine Devise von Samuel Beckett: âscheitern, weitermachen, nochmal scheitern, besser scheitern, weitermachenâ. Deshalb hat Rita Süssmuth jetzt, mit 87 Jahren, ein feines Buch publiziert mit dem Titel âÃber Mutâ. Es ist ihr Leitwort. Das kleine Wort mit den drei Buchstaben ist die Summe ihres Lebens. Mit diesem Mut machte sie einst ihr Ministerium zu einer Emanzipationszentrale, mit diesem Mut propagierte sie eine liberale Abtreibungspolitik, setzte sie in der Anti-Aids-Politik nicht auf Drohungen, sondern auf Aufklärung und Beratung, warb sie für eine moderne Einwanderungspolitik. Mit diesem Mut wirbt sie heute für Paritätsgesetze â die dafür sorgen sollen, dass in den Parlamenten zur Hälfte Frauen und zur Hälfte Männer sitzen; sie will die Unterrepräsentation von Frauen beenden, die sich in Deutschland durch die gesamte Parlamentsgeschichte zieht. Für Süssmuth ist Parität gelebte Demokratie. Mit diesem Mut hat sie sich soeben, âein letztes Malâ, wie sie sagt, mit einem Buch zu Wort gemeldet; mit diesem Mut will sie anstecken, auch möglichst viele jüngere Frauen â um dann loslassen zu können: âWir können unsere Werte retten â aber nur, wenn wir sie verteidigenâ. Ihr Buch ist ein Aufruf: Nicht kuschen, nicht wegducken vor Kriegstreibern, Neonazis, Machos und sonstigen Reaktionären. Putin, so schreibt sie, âist nicht die einzige Katastropheâ. Die 160 Seiten beschreiben keine detaillierte politische Agenda, sie beschreiben die Grundhaltung, mit der man ein konkretes politisches Programm entwickelt. Ihre Grundhaltung zum Krieg in der Ukraine und zu Russland formuliert sie auf Seite 39 so: âSo stark wie die Aufrüstung jetzt ist, so stark müsste die Diplomatie eigentlich seinâ. Die mutigen Entscheidungen, so klagt sie auf Seite 93 über die Gesundheitspolitik von Karl Lauterbach, bleiben auf der Strecke. Das Hamlet-Syndrom, nämlich die Unfähigkeit zu handeln, greife um sich, Machterhalt âgeht offensichtlich vor Wohlergehenâ. Der Schluss des Buches ist anrührend: âErst das Loslassen rundet das Zupacken ab.â Und dann philosophiert sie darüber, âwas uns in der Stunde unseres Todes erwartetâ: Wird alles endgültig vorbei sein? Gibt es das groÃe âDanachâ? Und kommt sie zum Schluss: âWir wissen nicht, was kommt. Aber vielleicht ist es gerade dieses Geheimnis, das unser Leben rundet. Zupacken und Loslassen sind die Pole eines geglückten Lebens. Beides erfordert Mut.â Rita Süssmuth: Ãber Mut. Vom Zupacken, Durchhalten und Loslassen. Das Buch ist vor wenigen Wochen im Bonifatius-Verlag erschienen. Es hat 160 Seiten und kostet 18 Euro.
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| | | | | Zupacken, durchhalten und festhalten | | Kamala Harris hat die USA vorübergehend in ein Land verwandelt, in dem Donald Trump um Aufmerksamkeit kämpfen muss: So schreiben es die Kollegen Boris Herrmann und Christian Zaschke in ihrem erkenntnisstarken Porträt des Landes, in dem die ehemalige Staatsanwältin Harris die erste Präsidentin werden will. Ob sie das schafft â es hängt auch davon ab, wie lange das âvorübergehendâ dauert. Zwölf Bundesstaaten werden schon von Gouverneurinnen regiert. Das sei, so die Porträtisten, âdeutlich ausbaufähig, aber ein Hinweis darauf, dass es so undenkbar nicht ist, in diesem Land auch Frauen bestimmen zu lassen.â Die 59-jährige Kamala Harris hat den Mut, den die 87-jährige Rita Süssmuth (siehe oben) propagiert. Sie kann zupacken und durchhalten. Und sie hat Charme und Kompetenz. Sie ist ein weiblicher Kennedy. Da schaut der Trump alt aus. | | | |
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