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Tagesspiegel Checkpoint vom Donnerstag, 30.01.2020 | Dicht bewölkt und regnerisch, dazu böiger Wind, max. 6°C. | ||
+ Ist Franziska Giffey die Richtige für Berlin? + Erster Berlinale-Leiter war ein hochrangiger Nazi + Die südkoreanische Boyband BTS will zweimal das Olympiastadion füllen + |
von Robert Ide |
Guten Morgen, gut geschlafen, Franziska Giffey? Zumindest fühlt sich Berlins SPD wieder wachgeküsst. Die wegen komatöser Umfragen monatelang in Albträumen und unruhigen Rangeleien gefangenen Spezialdemokraten sind derzeit in Berlin ohne Chance. Diese immerhin nutzen sie jetzt mit dem angekündigten Machtwechsel von Michael Müller, ihrem blassen weil bloßen Sachwalter in einer zuweilen grenzdiffizilen rot-rot-grünen Koalition - hin zu Franziska Giffey, dem einzigen Schwergewicht der hiesigen Landesleichtpolitik. Die Bundesfamilienministerin mit Neuköllner Kiezerfahrung und ostdeutschem Erfahrungshintergrund hat zwar zuletzt hausgemachte Affären auch nur mit Schrammen (und auch noch nicht ganz) überstanden, von ihrer Popularität dabei aber nicht viel eingebüßt. Sie soll im Mai das Parteiamt im Verbund mit Raed Saleh übernehmen, der als Fraktionschef intern nicht unumstritten, aber zumindest zäh genug ist für die Kabale, die Berlins SPD ausmachen. Auf die bis zuletzt geheim gehaltenen Gespräche der Parteispitze, an denen auch der talentierte Mr. Kühnert beteiligt war, ist man sichtlich stolz. „Wir haben etwas geschafft, was man uns kaum noch zugetraut hat: eine echte Überraschung“, sagt ein Spitzenfunktionär und ergänzt fast ungläubig: „Und eine positive noch dazu.“ Kühnert selbst, gestartet vom linken Parteiflügel, findet auf Nachfrage für die Frau von der anderen Seite der gleichen Partei nur lobende Worte: „Franziska Giffey ist eine der beliebtesten Politikerinnen in Deutschland und stellt sich in den Dienst der Berliner SPD. Das finde ich gut.“ Teil des Tableaus, bei dem noch die Bundestags-Spitzenkandidatur zwischen Müller und Kühnert auszuhandeln ist, ist Raed Saleh. Der kann schließlich auch mal eine Kneipe für sich und für seine bundespolitisch nur noch lauwarm aufgeschäumte Kaffeehaus-Partei begeistern. „Ich will die Sozialdemokratie an die Stammtische zurückbringen“, sagt Saleh. „Dort haben sich viele von uns abgewandt.“ Giffey hat schon eine Idee, mit welchen Themen sie das zu schaffen gedenkt: sozialer Wohnungsbau, „Sicherheit und Ordnung“ in Parks und U-Bahnen, ausreichend Schulplätze für die auch im Kleinen größer werdende Stadt. Linke und Grüne, die die SPD derzeit vor sich her treiben, müssen sich also nächstes Jahr auf geballte Konkurrenz bei der Abstimmung fürs Abgeordnetenhaus einstellen. Die grüne Wirtschaftssenatorin Ramona Pop führt mit ihrer Partei zwar die Umfragen an. Doch bei der Verkehrswende, für die die Grünen mehrheitlich gewählt worden sind, blättert nicht nur die Farbe auf den wenigen umlackierten Radwegen ab. Zudem hält die linke Basis der Partei, inklusive des selbstherrlich agierenden Bezirks-Baustadtrats Florian Schmidt, ihre Spitze immer wieder von moderner Metropolenpolitik ab. Auch der Linken gelingt nicht alles mit links. Zwar kann der designierte Linke-Spitzenkandidat Klaus Lederer eine gute Kultur- und Erinnerungspolitik vorweisen und hat als Wahlkampfhit den von den Linken gekaperten Mietendeckel im Gepäck. Dieser muss sich aber erst noch als rechts- und vor allem für Mieterinnen und Mieter als alltagssicher erweisen. Der schleppende Wohnungsneubau, verantwortet von Bausenatorin Katrin Lompscher, fällt auf die Sollseite. Viele Zuzügler kann man bei der linken Wählerschaft bisher also abziehen. Auch deshalb will die Linke keinesfalls Giffey vorzeitig als Mitbewohnerin ins rot-rot-grüne Rathaus lassen. „Die Koalition hat Michael Müller für fünf Jahre gewählt“, lässt Lederer auf unsere Nachfrage wissen. Und die Opposition? Von der ist derzeit wenig zu sehen und zu hören. Von Giffey dafür umso mehr. “Ich hab Lust. Das wird gut. Ich sach’s Ihnen“, sachte sie gestern. Und „Berlin ist einfach mal geil“, findet sie sowieso (noch mehr Zitate hier). Und was sachen Sie? Machen Sie mit bei unserer Checkpoint-Live-Umfrage zu neuer Macht und alter Ohnmacht der Berliner SPD. Denn eines immerhin hat die Partei gestern gezeigt – sie ist der Stadt noch nicht egal. | |||||
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Das Leben ist eine Baustelle. Für diesen großartigen und immer noch gültigen Berlin-Film (Trailer hier) werden seit Jahren würdige Nachfolger gesucht. Auf der 70. Berlinale drehen sich gleich mehrere Beiträge um uns selbst, mit drei Kiezstreifen geht allein der Wettbewerb auf Kiezstreife: „Berlin Alexanderplatz“, „Undine“ von Christian Petzold sowie „Schwesterlein“ mit Nina Hoss, Lars Eidinger und Theaterintendant Thomas Ostermeier als Theaterintendant. So viel Theater wie gestern auf der Pressekonferenz war auf der Berlinale lange nicht – vor allem weil der Potsdamer Platz sich wegen diverser Umbauten und Umzüge gerade selbst als Zentrum des Festivals und der ganzen Stadt abschafft. Die Berlinale will trotzdem in den leergezogenen Arkaden ihre Tickets und Taschen verkaufen, die Food Trucks parken um ins Sony Center, und für die Eröffnungsparty am 20. Februar ist im Berlinale-Palast nicht genug Platz – die Gäste müssen ins Kulturforum rübermachen. „Es wird ein bisschen unbequemer“, weiß die neue Berlinale-Chefin Mariette Rissenbeek. Aber bequem kann Berlin sowieso nicht – sieht man mal von der Bequemlichkeit auf öffentlichen Baustellen ab. Und eine solche ist die Berlinale diesmal auch. | |||||
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Wie sehr die Berlinale auch bei sich selbst umbauen muss, zeigte sich am Mittwochabend, als das Festival hektisch auf Enthüllungen der „Zeit“ reagieren musste. Diese hatte in Archiven herausgefunden, dass der erste Festivalleiter Alfred Bauer ein hochrangiger Nazi war und dies nach dem Krieg verschleiert hatte. Der Berlinale, eng mit der Kinematik und mit Filmhistorikern verbunden, war das nie aufgefallen oder als Rechercheauftrag an sich selbst eingefallen – in keinem Festivalband ist davon die Rede. Die Leitung setzte eilig den Alfred-Bauer-Preis ab und will nun ihre eigene Geschichte angemessen aufarbeiten. Nach 70 Jahren wird das langsam mal höchste Zeit. | |||||
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Ach ja, Filme gibt‘s auch noch beim weltweit größten Publikums-Filmfest. Und Abonnentinnen und Abonnenten des ungekürzten Checkpoint (kostenloses Probeabo hier) können Teil des Publikums sein. Nach dem Start unserer Kinogruppe mit einer Vorab-Premiere zum Udo-Lindenberg-Film (Bericht hier) verlosen wir nun exklusiv Tickets für das Berlinale-Kurzfilmprogramm. Denn nicht nur im Newsletter liegt die Würze meist in der Kürze. | |||||
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Steiler Querpass ins Olympiastadion: Wer hier den Zentralschlüssel haben will, muss schon mal rund eine halbe Million Euro pro Event oder Konzert überweisen, inklusive Betriebskosten (Warmwasser), aber ohne Schnickschnack – hinzu kommen Ordner, Logistik, Abdeckplatten für den Rasen und gefüllte Kühlschränke im Vip-Bereich. Und die Künstler sollen ja auch noch zwei, drei Euro abhaben wollen – oder zwei, drei Won, wenn sie aus Südkorea kommen und so beliebt sind wie die Boyband BTS. Die Jungs in den Zwanzigerjahren spielen asiatischen K-Pop-R’n’B-Hip-Hop (Video zum Mitsingen hier) und wollen im Juli das Stadion, das Hertha oft zu groß ist, gleich an zwei Tagen kurz und klein tanzen. Der Gig dürfte nach Checkpoint-Informationen eine Won-Won-Situation werden und dürfte insgesamt zwei bis drei Millionen Euro kosten. Nicht viel weniger wird wohl auch die andere Boyband an der Stadionkasse lassen, die hier ebenfalls an zwei Tagen im Juli ihren Nuschelrock spielt: Rammstein. Aber Vorsicht vor böhsen Onkels: Wer den Zentralschlüssel von Berlins Zentralstadion verschusselt oder verschlüsselt, muss mindestens 100.000 Euro draufzahlen. Im Sommerschlossverkauf. | |||||
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