das Debakel wegen der „erweiterten Ruhezeit zu Ostern“ steckt einem noch in den Knochen, da folgt heute auch schon eine Regierungserklärung der Kanzlerin. Natürlich war die spannende Frage, ob und wie Angela Merkel ihre mit einer regelrecht dramatischen Entschuldigung garnierte Rücknahme des verschärften Feiertags-Lockdowns begründen würde. Aber darum ging es gar nicht groß. Bemerkenswert fand ich allerdings ihr Eingeständnis, dass Deutschland in der Corona-Krise etliche strukturelle Defizite habe erkennen lassen – die es jetzt zu beheben gelte. Das ist zwar keine neue Erkenntnis. Aus dem Munde der Regierungschefin beinhaltet eine solche Aussage aber doch erstaunliche Selbstkritik. Und dafür war es auch höchste Zeit, denn die Menschen erwarten inzwischen deutlich mehr Phantasie als nur wiederkehrende Lockdowns und Kontaktbeschränkungen. Nämlich einen modernen Staat mit effizienten Institutionen, der in der Lage ist, eine Pandemie auf der Höhe der Zeit zu bekämpfen. Und eben nicht mit analoger Nachverfolgung, ungenutzten Impfstoff-Reserven und einer Logistik wie aus dem vorigen Jahrhundert. „Wer glaubt, der Kampf gegen diese Krise sei allein Aufgabe des Staates, verzwergt sich selbst“, schreibe ich in meinem Kommentar. „Als mündige Bürger jedoch, die sich ihrer Eigenverantwortung bewusst sind, erwarten wir umgekehrt auch effiziente staatliche Strukturen. Nicht mehr. Aber eben auch nicht weniger.“ Folgeschäden durch die Lockdowns Mein Kollege Ralf Hanselle hat sich derweil mit einem Thema beschäftigt, das angesichts der Aufregung um abgesagte Ruhezeit-Erweiterungen aus dem Blick zu geraten droht: Seit einigen Wochen häufen sich Studien, die eine immense Zunahme psychischer Folgeschäden durch die Lockdowns belegen: Bei Menschen, die ohnehin bereits an Depressionen litten, gaben 44 Prozent der Befragten an, dass sich ihre Symptomatik in den letzten sechs Monaten durch die Corona-Maßnahmen verschlechtert habe – und das zum Teil drastisch. Acht Prozent aus dieser Gruppe hatten sogar verstärkt Suizidgedanken oder suizidale Impulse. Den allermeisten fehlten die sozialen Kontakte, gut zwei Drittel der Vorbelasteten verbringen immer mehr Zeit im Bett. Cicero hat diese beunruhigenden Ergebnisse zum Anlass genommen, in der gestern erschienenen April-Ausgabe das Schicksal der Kinder und Jugendlichen während der Pandemie unter die Lupe zu nehmen: „Generation Lockdown – wie Corona unseren Kindern die Zukunft nimmt“, lautet unsere aktuelle Titel-Geschichte, die zahlreiche Studien, Beobachtungen und Prognosen zusammenfasst. Ich bin mir sicher, dass das nicht nur für die Betroffenen und ihre Eltern eine wichtige Lektüre ist. Sondern auch für alle Politiker, die in Zeiten von Corona Verantwortung tragen müssen. Ihr Alexander Marguier, Chefredakteur |