Kolumne von Cathrin Kahlweit • 3sat wird 40 • Achterbahn im Eichenwald
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8. November 2024
SZ Österreich
Cathrin Kahlweit
SZ-Korrespondentin in Wien
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Nationalratswahl in Österreich ist mittlerweile sechs Wochen her. Aber nach einer Nachdenkphase und einer Vorsondierungsphase, in welcher der Bundespräsident erst die Parteien und dann sich selbst befragte, wird seit einer Weile sehr, sehr entspannt darüber palavert, ob man sich eventuell ernsthaften Gesprächen, vulgo Koalitionsverhandlungen nähern will.

Von „bilateralen Kaffees“ ist gern die Rede, und weil die ÖVP nichts überstürzen will, geht es, laut Kanzler Karl Nehammer, erst einmal nur um Allgemeines wie die Stärkung des Wirtschaftsstandorts, illegale Migration, Pflege und Gesundheit. Ob zwischen ÖVP und SPÖ die wirklich schwierigen Themen wie Erbschaft- oder Vermögensteuer schon angesprochen wurden, ist unklar. Auch, ob es überhaupt am Ende eine große Koalition, oder womöglich gar eine ganz große Koalition mitsamt den Neos geben soll, die „Zuckerlkoalition“, ist offenbar noch nicht ausgemacht.

Das Ende der Ampel in Deutschland wird als schlechtes Omen genommen; überall wird derzeit diskutiert, ob eine Koalition aus drei Parteien wirklich lebensfähig sei. Dass es solche Mehrparteien-Koalitionen in vielen EU-Ländern gibt – und ja in Österreich zum Glück nicht die FDP dabei sein müsste –, das wird in dieser Debatte von denen gern übergangen, die insgeheim auf ein Scheitern der Gespräche von ÖVP und SPÖ setzen.

Um dann irgendwann, vorzugsweise nach der Landtagswahl in der Steiermark Ende November, der Weihnachtspause und der Gemeinderatswahl in Niederösterreich Ende Jänner, sagen zu können: Seht her, hat nicht sein sollen. Jetzt müssen wir halt doch mit der FPÖ zusammengehen. So wie in Oberösterreich, Niederösterreich, Salzburg, dieser Tage in Vorarlberg und wohl demnächst auch in der Steiermark. Es tut doch gar nicht so weh, wird es dann heißen, und irgendeine staatstragende Erklärung, warum Nehammer zwar nicht mit Herbert Kickl wollte, aber nun leider mit Kickl und der FPÖ muss, wird sich schon finden.

Das Budget-Defizit wird übrigens nach Einschätzung des Fiskalrats 2025 auf 4,1 Prozent klettern, was der ÖVP-Finanzminister und seine Partei vor der Wahl tunlichst nicht erwähnt hatten. Dieser Finanzminister, Magnus Brunner, ist demnächst EU-Kommissar und muss sich damit nicht mehr herumschlagen; die SPÖ, die diese Misere wahrlich nicht verantwortet, würde aber in einer Koalitionsregierung sparen, sparen, sparen müssen, was beim Wähler nie gut ankommt.

Vielleicht mindert das auch bei einigen Sozialdemokraten die Begeisterung für eine mögliche Koalition, wobei andererseits zu vermuten steht, dass die Genossen – oder zumindest ihr Parteichef Andreas Babler – nur zu gern zeigen würden, dass sie regierungs- und „paktfähig“ sind. Bisher hatte die ÖVP eine solche Paktfähigkeit, also Handschlagqualität, vor allem der in Teilen rechtsextremen FPÖ attestiert. Das ist wiederum ein Urteil aus der Ära von Sebastian Kurz und im Rückblick nur schwer nachvollziehbar, beweist aber die stille Zuneigung der Schwarzen, die seit Kurz die „Türkisen“ heißen, zu den Blauen, die man nicht verschrecken will, nur weil sie einen schrecklichen Parteichef haben.

Was das alles lehrt? In Österreich wird derzeit viel geredet, aber wenig gesagt. Die Konservativen lassen sich nicht in die Karten schauen, die Roten und die Pinken (Neos) werden am langen Arm gehalten wie Bittsteller, die man nicht braucht, sondern duldet. Und wer zum Schluss Österreich regiert, das könnte sich erst in einem Vierteljahr zeigen.

Wähler, die das demokratiepolitisch bedenklich oder gar arrogant finden, haben nichts zu melden. Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist nach einer Bandscheibenoperation noch nicht zurück am Schreibtisch, der Kanzler vertritt ihn protokollarisch, und politisch sitzt er derzeit eh am längsten Hebel.

Immerhin eine interessante Geste hat Nehammer in dieser Woche gemacht: Er werde, hat er angekündigt, beim informellen EU-Gipfel in Budapest nicht nur Viktor Orbán treffen, mit dem die ÖVP ja in den vergangenen Jahren mehr Gemeinsamkeit demonstrierte und mehr Freude hatte als viele andere Regierungschefs in Europa. Sondern auch dessen Kontrahenten, den Oppositionspolitiker Péter Magyar. Der ist mittlerweile in Umfragen an Orbán vorbeigezogen und ein Mann, mit dem man rechnen muss.

Wer daheim in Wien der Mann ist, mit dem Nehammer rechnen muss – ob es Kickl ist, der geduldig auf seine Chance wartet, oder Babler, der irgendwann Vizekanzler werden will, oder aber Bundespräsident Van der Bellen, der Herbert Kickl am Ende dann doch nicht vereidigen würde – das erfahren Sie eventuell im Jänner oder Februar an dieser Stelle. Ich könnte jetzt Frohe Weihnachten wünschen, aber dafür ist es definitiv noch zu früh.
Schönes Wochenende!
Cathrin Kahlweit
SZ Mail
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