 | | |  | | 30. März 2025 | | Prantls Blick | | Die politische Wochenschau | | | |
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| |  | Prof. Dr. Heribert Prantl | | | |
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| | | der Hass ist ein niedriger Beweggrund, der sich mit Geltungssucht selbst erhöht. Es gibt eine Menschenrechtsorganisation, die HateAid heiÃt und gegen den Hass im Netz arbeitet. Das Gefährliche am Hass ist nämlich, dass er ansteckend ist; und der digitale Raum ist da ein ganz besonders gefährlicher Ansteckungsraum. Dort entsteht die monströse Dynamik des Hasses. Es muss gelingen, diese Dynamik zu stören und zu zerstören. HateAid versucht das.
Wenn ein Konzern wie Facebook Lügnern, Hetzern und Fälschern dadurch die Stange hält, dass er nichts gegen sie unternimmt und sie einfach hetzen und hassen lässt, dann ist dieser Konzern nicht einfach nur duldsam oder faul, sondern ein strafbarer Beihelfer â ein globaler Riese Goliath. Es braucht daher neue Davids die sich trauen, gegen ihn anzutreten und Paragraphen in die Schleuder zu legen. So ein David ist HateAid. An HateAid wurde am vergangenen Donnerstag der âRotenburger Preis für Erinnerung und Zukunftâ verliehen, dotiert mit 8000 Euro. Ich habe nicht die Laudatio, aber die Festrede gehalten unter dem Titel âIst die Demokratie noch zu retten?â Sie ist es, wenn die Demokratinnen und Demokraten sich anstrengen.
Die Lawine der Verhetzung
Wie schwer das werden wird, konnte man am Dienstag vergangener Woche spüren. Es war ein anständiger Tag. Jedenfalls war bei der Eröffnungssitzung des 21. Bundestags viel von Anstand die Rede; auch von Streitkultur und von der Würde des Hauses. Es war wie eine Beschwörung. Aber zu spüren war davon wenig; dafür sorgte die AfD, die mit neuer Macht in den Bundestag eingezogen ist. Ihre Redner zeigten sogleich, welcher Ton in den kommenden vier Jahren zu erwarten ist: Die demokratischen Parteien wurden von der AfD beschimpft und beleidigt - als Verschwörungskartell und Mischpoke. Das waren, das sind gezielte Provokationen und Pöbeleien, die sich in den Internet-Medien potenzieren sollen. Das ist der Sinn solcher Auftritte. Aus dem Schneeball im Bundestag wird im Internet eine Lawine â es ist eine Lawine aus Schmähung, Verhöhnung und Verhetzung.
Yvonne Magwas, sie war zuletzt Vizepräsidentin des Bundestags, hat das nicht ausgehalten. Sie ist heute 45 Jahre alt, mit 34 war sie über die CDU-Landesliste Sachsen in den Bundestag gewählt worden. AnschlieÃend hat sie zweimal das Direktmandat im Vogtlandkreis gewonnen, jeweils knapp vor dem Kandidaten der AfD. Sie wurde von der AfD als âbemerkenswert dumme Vizepräsidentinâ beschimpft. Das war der Beginn einer Kaskade von Beleidigungen und Bedrohungen, das war der Beginn eines Shitstorms, der zum Orkan wurde. Yvonne Magwas erhielt Morddrohungen. Sie wollte sich das nicht mehr antun, sie hat nicht mehr kandidiert, sie ist im neuen Bundestag nicht mehr vertreten.
Magwas lebt mit Marco Wanderwitz zusammen, dem früheren Ostbeauftragten der Bundesregierung, der seit 2002 für die CDU im Bundestag saà und als engagierter Verfechter eines Verbotsantrags gegen die AfD bekannt wurde. Die beiden haben ein gemeinsames Kind. Wanderwitz war Opfer von heftigen Attacken und eines Anschlags. Auch er hat sich aus dem Bundestag zurückgezogen.
Einschüchterung und Abschreckung funktionieren. Ein Forscherteam der Technischen Universität München hat zusammen mit HateAid vor kurzem eine Studie vorgelegt mit dem Titel âAngegriffen und alleingelassen: Wie sich digitale Gewalt auf politisches Engagement auswirktâ. Die frühere Bundesministerin Renate Künast kennt diesen Hass nur zu gut. Sie wurde als âDreckschweinâ, als âDrecks Fotzeâ, als âStück ScheiÃeâ und als âPädophile Trullaâ beleidigt. Sie ist, mit logistischer und finanzieller Unterstützung von HateAid, erfolgreich dagegen vorgegangen, sie hat bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht dagegen prozessiert, dass solche Hetzereien als straflose MeinungsäuÃerungen bewertet wurden.
âDie Würde des Menschen ist unantastbarâ â so lautet der erste Satz im Grundgesetz. Es darf nicht sein, dass da im Alltag die stillschweigende Ergänzung gilt: âAntastbar ist sie aber im Internetâ. Darüber schreibe ich heute in meinem SZ-Plus Text: | |
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| |  | Prantls Blick |
| Wo Hass und Hetze wachsen und gedeihen | | |
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| Ich wünsche Ihnen eine gute Woche und unserer Demokratie eine gute Zukunft.
Ihr | |
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| Heribert Prantl | | Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung |
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| | | | | | | | | Vom Wert der Erinnerungen | | Vielleicht, so denkt der alte Mann in diesem Kinderbuch, âist die Zeit reif, um loszulassenâ. Und er verkauft also sein Andenken an die verstorbene Rosie, seine groÃe Liebe, er verkauft sie an den Erinnerungshändler. An was erinnert er sich: Wie Rosies Zopf geduftet hat, als er sie traf: Er duftete nach Kirschen und nach Himbeeren. Und erinnert sich an ihr Lächeln und daran, dass ihr zwei Milchzähne fehlten und wie sie ihm bei ihrer ersten Begegnung die Hand reicht und fragt: âWollen wir den ganzen Weg nach Hause hüpfenâ. Der alte Mann meint, er brauche das alles nicht mehr. Sogar den Namen seiner groÃen Liebe hat er daraufhin bald fast schon vergessen â aber er spürt dann, wie ihm die Erinnerung fehlt und dass er ohne sie nicht weiterleben kann. Er bereut und kauft die Erinnerung zurück.
Mir ist das Buch in die Hand gekommen, als ich nach Kinderbüchern über den Frieden suchte. Es ist dies ein berührendes Buch, ein poetisches Buch, es ist ein Buch über die Menschlichkeit und die Kraft des besonderen Augenblicks. Das Buch lehrt, wie kostbar Erinnerungen sein können. Die Erinnerung an Menschen, die man geliebt hat, lässt diese Menschen weiterleben und sie verbindet mich mit ihnen, sie gibt ihnen das ewige Leben. Das ist etwas unendlich Friedliches. Ich meine aber, dass nicht nur die schönen Erinnerungen nicht verkauft werden dürfen; auch die schlechten und die bitteren Erinnerungen dürfen nicht verkauft werden, zum Beispiel die Erinnerungen der Generation, die den Krieg noch erlebt hat. Diese Erinnerungen wären nicht friedlich, aber vielleicht friedensstiftend.
Ich habe mich beim Lesen des Buches so sehr an meine GroÃmutter erinnert, die mir so viel vorgelesen und mir das Lesen und das Recherchieren beigebracht hat. Sie hatte zwei Weltkriege erlebt und erlitten und ihre Lebenserfahrung, die sie an mich weitergab, war die: dass der Krieg das gröÃte denkbare Unglück ist. Deshalb reihe ich das Buch vom Erinnerungshändler bei den Friedensbüchern ein.
Orit Gidali / Tami Bezaleli: Der Erinnerungshändler. Das Kinder-Bilderbuch ist 2024 erschienen im österreichischen Vermes-Verlag. Es kostet 18 Euro. | | | | |
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| | | | | Da tobt der blanke Irrsinn | | Dieses Stück erklärt, was man eigentlich nicht erklären kann. Aber Boris Herrmann, der US-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung mit Sitz in New York, erklärt es so wunderbar, dass man mit offenem Mund da sitzt beim Lesen. Er erklärt, warum die Amerikaner Donald Trump groÃartig finden. Die Amerikaner in diesem Seite-Drei-Text der SZ sind die Farmer in Kansas, einem US-Bundesstaat im mittleren Westen der USA, denen Trump gerade massiv schadet, die das aber nicht kapieren wollen: âSie sehen die Realität, erzählen davon und leugnen sie gleichzeitig.â Der Kollege Boris Herrmann schreibt das auf und es wird daraus ein kleines, ganzseitiges Stück Literatur: âStimmt schon, über der StraÃe von Kansas ist nichts als der Himmel. Aber unter diesem Himmel ist längst nicht nur die StraÃe. Da tobt gerade der blanke Irrsinn.â
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