Liebe Frau Do, nach den ersten Gesprächen in größerer Runde sind die Parteichefs von Grünen und FDP gestern vor die wartenden Journalisten getreten, haben wenig gesagt und doch einiges verraten. Dass sie sich als „orientierungsgebende Kraft“ verstehen zum Beispiel und durchaus mit „geschichtlichem Bewusstsein“ tagen. So viel Pathos sollte sein. Immer wieder fiel zudem das neue Lieblingswort „vertrauensvoll“, das sich bisher vor allem daran bemessen lassen soll, wie wenig aus den Gesprächen „zu Markte getragen“ – also öffentlich werde. Für die Teilnehmer selbst mag die Geheimhaltungsquote die derzeitige Währung für Vertrauen sein. Doch es wäre ein merkwürdiges Politikverständnis, wenn die Sphäre der Bürger als eine Art Gegner betrachtet würde, der tunlichst aus dem Spiel bleiben sollte. Was in den nächsten Tagen ausgehandelt wird, geht den Wähler durchaus etwas an. Als vertrauensbildende Maßnahme ist Verschwiegenheit im frühen Stadium der Kontaktaufnahme sicher sinnvoll. Doch auf Dauer ist nur stark, wer Transparenz nicht scheut. Und die Öffentlichkeit nicht fürchtet. Heute wichtig: Eurowings-Streik: Relativ überraschend haben gestern die Flugbegleiter der Lufthansa-Tochter Eurowings die Arbeit niedergelegt. Mit dem Warnstreik will Verdi Druck machen, um nach der Corona-Krise einen akzeptablen Tarifabschluss zu erreichen. Warum sich der Streit bis in die Herbstferien ziehen könnte, erklärt Reinhard Kowalewsky. Lkw-Fahrer: Seit Tagen begleiten uns Bilder aus England, die lange Schlangen vor Tankstellen zeigen. Weil es auf der Insel zu wenige Lkw-Fahrer gibt, ist das Benzin an den Tankstellen knapp. Eine Ursache ist natürlich der Brexit, aber auch in Deutschland fehlen Fahrer, wie Eirik Sedlmair berichtet. Logistiker sind besorgt. Union: Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen hat nach dem Zustandekommen einer neuen Bundesregierung eine Aufarbeitung der schweren Niederlage der Union bei der Bundestagswahl angemahnt. „Wir müssen auch über eine personelle Neuaufstellung sprechen“, sagte er. Noch mehr aktuelle Nachrichten gibt es zum Hören – von Montag bis Samstag jeden Morgen ab 5 Uhr in unserem „Aufwacher“-Podcast. Meinung am Morgen: Querdenker: Im Moment rutscht die Pandemie ein wenig aus dem Fokus und mit ihr auch die Querdenker-Szene. Doch könnte gerade das zu neuer Radikalisierung führen, schreibt Christian Schwerdtfeger in seinem Kommentar. Darum müssten sämtliche Sicherheitsbehörden sehr eng zusammenarbeiten, damit selbst winzige Informationen nicht zwischen Zuständigkeiten verloren gehen. Grüne und FDP: Die emsigen Vorsondierer Grüne und FDP wollen nicht nur eine Vernunftehe eingehen, das beteuern sie gerade bei jedem Schritt vor die Kameras. Martin Kessler blickt in seiner Analyse auf die historischen Vorbilder für liberalen Aufbruchsgeist und landet etwa im Jahr 1969, als die sozial-liberale Koalition den Muff der Adenauer-Jahre abstreifen wollte. Politbarometer: Umfragen sind Momentaufnahmen, darum sollte man sie vor Wahlen nicht mit Prognosen verwechseln. Nach einer Wahl aber spiegeln sie unbestechlich die Stimmung im Land. Umso bitterer für die Union und ihren Kanzlerkandidaten, dass ihre Zustimmungswerte im jüngsten Politbarometer derart abgestürzt sind. Wie sich die Union in ihre aktuelle Handlungsohnmacht manövriert hat, beschreibe ich in meinem Kommentar. So gesehen: Pilze sind geheimnisvolle Zwischenwesen: wachsen wie Pflanzen, ernähren sich wie Tiere und bilden darum ein eigenes Reich unter den eukaryotischen Lebewesen. So nennt das die Biologie. Was man beachten muss, wenn man „in die Pilze geht“, um den giftigen grünen Knollenblätterpilz nicht mit einem leckeren Champignon zu verwechseln, hat mein Kollege Jörg Isringhaus zusammengesammelt in seinem auch Appetit anregenden Text über die „Sprießgesellen“. Macht Lust auf Moosduft und Herbstspaziergänge mit oder ohne Körbchen am Arm. Dieses Wochenende – unbedingt! Herzlich, Ihre Dorothee Krings Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |