Liebe Frau Do, heute vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Aus diesem Anlass haben unser stellvertretender Chefredakteur Horst Thoren und unser Kulturchef Lothar Schröder mit dem Historiker Rafael Seligmann ein sehr lesenswertes Interview geführt. „1945 war ein Sieg des freien Europas“, sagt er. „Heute ist Deutschland ein freiheitlich-demokratischer Staat, der sogar Menschen wie Herrn Gauland aushalten kann.“ So ist es. Dass der Herr Gauland, Ehrenvorsitzender der AfD, von „einem Tag der absoluten Niederlage“ spricht, würde mich empören, wenn seine Provokation nicht so erwartbar wäre. Noch so ein Vogelschiss. Was der Jahrestag der Befreiung bedeutet und was er mit den aktuellen Tagen der Unfreiheit zu tun hat, habe ich in einem kleinen Essay aufgeschrieben. Das Datum berührt mich persönlich: Ich wurde 20 Jahre nach Kriegsende geboren, das meine Eltern sehr bewusst erlebt haben. Die Jahre der Barbarei waren in meiner Kindheit und Jugend stets präsent. Ich bin für diese Prägung dankbar, weil sie mir Maßstäbe an die Hand gegeben hat. Dass am Montag die Restaurants und Kneipen wieder aufmachen, könnte auch Dankbarkeit auslösen. Es war schließlich eine lange Zeit. In meinem Stammlokal wird schon fleißig gewerkelt und geputzt. „Wir freuen uns auf euch“, steht draußen auf einer Schiefertafel. Aber bei mir überwiegt die Sorge. Ob Ischgl oder Gangelt, Geselligkeit auf relativ engem Raum scheint das größte Infektionsrisiko zu sein. Die neuen Regeln für die Gastronomie haben Kirsten Bialdiga und Georg Winters zusammengetragen. Die Angst vor der zweiten Welle kann erst enden, wenn es einen Impfstoff gibt. Das sagt der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, in einem Interview, das Philipp Jacobs geführt hat. „Mit den bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus gewinnen wir Zeit, um einen Impfstoff zu bekommen, den wir dringend brauchen. Denn nur der Impfstoff ist am Ende die Lösung des Problems.“ Die bisherigen Maßnahmen enden nun auch für den Profifußball. Am übernächsten Samstag geht die Bundesliga weiter. Aber ohne Fans und ohne das Gemeinschaftserlebnis im Stadion zeigt sich umso mehr, dass sie ein Wirtschaftszweig und Teil der Unterhaltungsindustrie ist, wie mein Kollege Robert Peters in einer Analyse schreibt. „Überhaupt ist es ein grandioses Missverständnis, den Profifußball mit Sport zu verwechseln.“ Home Office lässt sich übrigens nicht mit Urlaub verwechseln. Wahrscheinlich haben Sie schon Reisepläne ad acta gelegt und Buchungen storniert, wollen aber trotzdem irgendwann auch mal wieder raus. Marlen Kess hat für Sie aber eine Reihe lohnender Ausflugsziele in NRW ausgewählt und außerdem Tipps für die wichtigsten Destinationen an Nord- und Ostsee, in den Niederlanden und in Bayern zusammengestellt. Vorfreude ist die schönste Freude. Lassen Sie uns den heutigen Tag der Befreiung als einen Tag der Dankbarkeit feiern. Unsere Städte liegen nicht in Trümmern, unsere Gesellschaftsordnung ist intakt, seit 75 Jahren herrscht Frieden, und mit der Pandemie werden wir gemeinsam fertig. Herzlich Ihr Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |