Gas und EZB: Auf diese beiden Faktoren gilt es kurzfristig zu achten
Gas und EZB: Auf diese beiden Faktoren gilt es kurzfristig zu achten von Sven Weisenhaus Torsten Ewert hat sich gestern festgelegt: die jüngste Erholung an den Aktienmärkten war nur eine Bärenmarkt-Rally. „Endgültig klar gemacht hat uns das Fed-Chef Powell höchstselbst mit seiner Rede auf dem jährlichen Zentralbanker-Symposium in Jackson Hole“, schreibt er. Und: „Damit sind alle Hoffnungen hinfällig, dass der jüngste Anstieg mehr war, als nur eine Bärenmarkt-Rally.“ Denn: Eine „richtige“ Rezession sei „noch einmal ein anderes Kaliber“ und die Aktienmärkte müssten dieses Szenario „in den kommenden Wochen einpreisen“, so die Begründung für seine pessimistische Einschätzung. Ist eine tiefe Rezession bereits eingepreist? Mit Blick auf den DAX und meine Analyse vom Freitag (siehe „Powell zerstört Hoffnungen der Bullen“) kann ich dieser Einschätzung sicherlich etwas abgewinnen. Doch ich teile sie nur eingeschränkt und lege mich nach wie vor noch nicht fest. Denn die jüngsten Kurserholungen stellen sich erst dann eindeutig als Bärenmarkt-Rallys heraus, wenn die Aktienindizes auf neue Korrekturtiefs fallen. Und aus meiner Sicht ist es immer noch möglich, dass die Börsen eine tiefe (bzw. „richtige“) Rezession bereits eingepreist haben, unter anderem mit ihren diesjährigen Korrekturen am Aktienmarkt. Auch der Anleihemarkt deutet darauf hin. Denn das Tief der US-Zinsstrukturkurve scheint bereits hinter uns zu liegen. Zwar ist die Kurve noch invertiert (siehe folgender Chart), was als klares Signal für eine Rezession gilt, mit aktuell -36 Basispunkten hat sie sich jedoch vom Tief des noch laufenden Monats bei -48 Basispunkten bereits etwas erholt. Vergangene Rezessionen (siehe dunkle Balken in der Grafik) folgten stets zeitversetzt auf das Signal der inversen Zinsstruktur. Die Aktienmärkte befinden sich allerdings für gewöhnlich bereits wieder in einer Aufwärtsbewegung, wenn die Rezession anhand der Konjunkturdaten sichtbar wird. Euro STOXX 50: bislang nur eine Korrektur im Aufwärtsimpuls Und während es im DAX eine bearishe Überscheidung in den (Elliott-)Wellen gegeben hat (siehe Börse-Intern von Freitag), liegt diese in anderen Aktienindizes bislang nicht vor, so zum Beispiel im STOXX 600 und Euro STOXX 50 (siehe folgender Chart). Zudem hat der Euro STOXX 50 auch erst fast punktgenau 61,80 % der Kurserholung abgegeben. Damit gilt diese aus Sicht der Fibonacci-Marken (graue Linien im Chart) noch als intakt. Bislang wurde lediglich das Maximalziel einer Korrektur erreicht. Und man kann die aktuelle Abwärtsbewegung aus Sicht der Elliott-Wellen als klassische ABC-Korrektur zählen (rot im folgenden Chart). Die Bullen haben also noch gute Chancen, das bullishe Szenario eines neuen 5-gliedrigen Aufwärtstrends (grüne Ziffern) fortzusetzen. Geteiltes Bild auch in den US-Indizes Ähnlich geteilt ist das Bild bei den Aktienindizes in den USA. Der Dow Jones (siehe folgender Chart) ist heute unter das Hoch der ersten Aufwärtswelle von Ende Juni (Elliott-Welle 1) gerutscht. Er hat damit das gleiche bearishe Signal gesendet wie der DAX, womit auch hier das bullishe Elliott-Wellen-Szenario hinfällig ist. Angesichts der charttechnischen Analyse vom Freitag kam dies nicht unbedingt überraschend. Doch beim S&P 500 und dem Nasdaq 100 liegt dieses Signal noch nicht vor. Bearishe Signale können noch folgen Was nicht ist, kann aber natürlich noch werden. Und im Euro STOXX 50 lässt sich die aktuelle Abwärtsbewegung durchaus auch 5-gliedrig zählen, statt als abc. Damit droht auch bei diesem Index noch weiteres Ungemach. Zudem hatte mich die hohe Dynamik der aktuellen Abwärtsbewegung bereits beim DAX bearish gestimmt. In diesem Zusammenhang erinnere ich an das Szenario aus der Börse-Intern-Ausgabe vom 26. Juli: Ich hatte dazu geschrieben, dass dieses insbesondere dann wahrscheinlich ist, „wenn die Energiekrise über die kommenden Wochen und Monate anhält und sich die Probleme der Unternehmen durch die anhaltend hohen oder gar weiter steigenden Energiepreise verschärfen.“ Genau dazu ist es gekommen. Und so erscheint diese Prognose auch mit Blick auf den (folgenden) aktuellen Kursverlauf aktuell wieder sehr realistisch. Vor allem, weil die heutigen Versuche einer Kurserholung vollständig abverkauft wurden. Dauerhafter Gaslieferstopp? Außerdem steht ab morgen wieder ein vollständiger Gaslieferstopp bei der Pipeline Nord Stream 1 an. Fließt auch nach der angeblichen erneuten Wartung kein Gas aus Russland, könnte dies die Aktienmärkte natürlich weiter belasten. Und das könnte dann, wie am 26. Juli bereits zu der obigen DAX-Prognose geschrieben, mit der typischen Herbstschwäche einhergehen. Wird die Gaslieferung aber wieder aufgenommen, könnte es noch einmal zu einer Erleichterungsrally kommen. Vielleicht wird mit dieser dann aber lediglich der rechte rote Bogen mit Kerzen gefüllt. Nicht nur die Fed, sondern auch die EZB macht Tempo Daneben gibt es noch einen zweiten sehr wichtigen Faktor, der die Kurse stark beeinflussen kann: die Europäische Zentralbank (EZB). Die Augen der Marktteilnehmer haben sich jüngst vor allem auf die US-Notenbank (Fed) und die Aussagen von Fed-Chef Jerome Powell gerichtet. Doch dieser hat eigentlich nur bekräftigt, was aus der Fed zuvor schon zu hören war: die Märkte haben zu früh auf einen weniger stark steigenden bzw. gar im kommenden Jahr wieder sinkenden Leitzins gesetzt. Die EZB hat dagegen jüngst womöglich eine Kurskorrektur vorgenommen – hin zu einer stärker und schneller gestrafften Geldpolitik. Denn auf dem Geldpolitik-Symposium in Jackson Hole hatten sich auch führende Mitglieder der europäischen Notenbank für kräftige Zinsanhebungen ausgesprochen. Sowohl EZB-Direktorin Isabel Schnabel als auch die Notenbank-Chefs von Frankreich und Lettland, Francois Villeroy de Galhau und Martins Kazaks, argumentierten für kraftvolle oder deutliche Zinserhöhungen, um die ausufernde Inflation zu bekämpfen. „Wir sollten offen dafür sein, sowohl 50 als auch 75 Basispunkte als mögliche Schritte zu diskutieren“, sagte beispielsweise Kazaks. Heute fügte sich Klaas Knot, Chef der niederländischen Notenbank, in die Reihe ein. Am Geldmarkt hatte dies entsprechende Auswirkungen. Händler haben inzwischen 0,67 Prozentpunkte an Zinserhöhungen für die kommende Zinssitzung der am 8. September in den Kursen eingepreist. Eine Anhebung um 0,50 Prozentpunkte gilt bei Investoren als ausgemachte Sache und die Wahrscheinlichkeit einer noch stärkeren Anhebung um 0,75 Prozentpunkte wird auf etwa 67 % taxiert. Vor den Auftritten der Notenbanker lag die Wahrscheinlichkeit für einen solchen noch kräftigeren Zinsschritt nur bei 24 %. Fazit Es ist also aktuell aus meiner Sicht am Aktienmarkt charttechnisch noch nichts eindeutig entschieden. Doch eines ist klar: Die Charts haben sich jüngst durch die dynamischen Abwärtsbewegungen deutlich eingetrübt. Und daher sollte man weiter fallende Kursen am Aktienmarkt zumindest einkalkulieren. Derweil gibt es kurzfristig zwei wichtige Faktoren, auf die es zu achten gilt: die Gaslieferung aus Russland und die Zinsentscheidung der EZB. Beide haben das Zeug, die Kurse kräftig zu bewegen, in beide Richtungen, je nach Ausgang. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg an der Börse Ihr Sven Weisenhaus www.stockstreet.de
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