was macht eigentlich der Liberalismus? „Zu viele Menschen scheinen zu glauben, dass die Idee aus der Mode gekommen ist. Sie sagen zum Beispiel, dass die Freiheit der Rede eine überkommene konservative Idee sei. Warum steht niemand auf, wenn Redner, deren Ansichten vielleicht unpopulär sind, öffentlich niedergeschrien werden? Warum sagt keiner was, wenn Professoren gefeuert werden, weil ihre Lehrmeinung vielleicht nicht der linken Orthodoxie entspricht? Die Angst ist groß, als reaktionär und rechts gebrandmarkt zu werden, wenn man in solchen Fällen die Stimme erhebt. Ich bin überzeugt, dass nach wie vor viele Menschen an den Liberalismus glauben, aber kaum jemand macht sich auf, um ihn zu verteidigen.“ Das sagt der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama im Cicero-Interview. Fukuyama wurde mit seiner These vom „Ende der Geschichte“ und seinem 1992 erschienenen gleichnamigen Bestseller nach dem Ende der Sowjetunion und dem Untergang des Kommunismus zu einem der wichtigsten Vordenker der freiheitlichen Gesellschaft. Anlässlich seines aktuellen Buches „Der Liberalismus und seine Feinde“ sprach er mit Ralf Hanselle über die Krise des Westens, Wladimir Putin und die Gefahren von rechtem Nationalismus und linker Identitätspolitik. Fukuyama ist überzeugt, dass der Westen seine freiheitliche Lebensweise gegen äußere Bedrohungen robust verteidigen muss. Dies könne aber nur gelingen, wenn Freiheit auch im Inneren gelebt wird: „Identitätspolitik diskreditiert den Liberalismus.“ Die Freiheit gegen Russland verteidigen wollen die 44 Staats- und Regierungschefs, die von Emmanuel Macron nach Prag eingeladen wurden, um das neue Gipfelformat „Europäische politische Gemeinschaft“ aus der Taufe zu heben. Mit dabei sind Mitglieder der EU und ihre Nachbarn. Was sie vor allem eint, ist die Gegnerschaft zu Putin. Eine Tagesordnung gibt es nicht und auch keine Ergebnisse. Aber sowohl die britische Premierministerin Liz Truss als auch der türkische Präsident Erdoğan sitzen mit am Tisch. „Eine große Innovation“, sagt Bundeskanzler Olaf Scholz. Für Cicero-Redakteur Volker Resing ist es aber bisher lediglich ein „Hochamt des Informellen“. Während man sich in Prag verbündet, bleibt die Frage weiter ungeklärt, wie der Krieg in der Ukraine eigentlich zu beenden sei. Droht der Kreml mit weiteren Eskalationen, glaubt Kiew an die Macht der derzeitigen Erfolge auf dem Schlachtfeld: Bei realistischer Betrachtung könnten die Aussichten auf einen Verhandlungsfrieden im Ukraine-Krieg zur Zeit daher kaum schlechter sein. Doch auch diejenigen, die sich ein Ende des Krieges nur durch eine militärische Niederlage Russlands vorstellen mögen, können nicht erklären, wie sich dies denn realistisch bewerkstelligen ließe. Daher braucht es, fordert der Althistoriker Michael Sommer, eine lebhaftere Diskussion darüber, welche Ziele die deutsche Außenpolitik verfolgt – und welchen Preis man bereit ist, dafür zu zahlen. In seinem Beitrag spricht Sommer „von der Notwendigkeit einer überfälligen Debatte“. Ebenso notwendig wäre es, endlich einen Ausweg aus der drohenden bzw. dräuenden Energiekrise zu finden. Zur erratischen deutschen Energiepolitik äußern sich heute gleich zwei ausgewiesene Energie-Expertinnen. Um den Strompreis zu senken, müssten alle verfügbaren Kohle- und Kernkraftwerke ans Netz, fordert die Energieökonomin Veronika Grimm, Mitglied des Sachverständigenrats der Wirtschaftsweisen, im Cicero Wirtschaft Podcast. Das würde auch dabei helfen, einen drohenden Gasmangel im Winter zu vermeiden. Im Gespräch mit Cicero-Redakteur Daniel Gräber erklärt die Energiemarktexpertin, was in der Krise notwendig ist: „Wir müssen die Kraftwerke nutzen, die jetzt zur Verfügung stehen.“ Und die Technikhistorikerin, Expertin für nukleare Sicherheit und Buchautorin Anna Veronika Wendland nimmt sich im Cicero-Interview mit Clemens Traub Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vor. Der kündigte diese Woche die Verlängerung zweier Braunkohlekraftwerke und im selben Atemzug den Ausstieg aus der Kohle in Nordrhein-Westfalen bis 2030 an. Doch wie passt das zusammen? Wendland ist sich sicher: Der Kohleausstieg sei in einer Zeit großen Energiemangels reine Augenwischerei, die das grüne Wählerklientel besänftigen solle. „Habeck ist ein Geschichtenerzähler.“ Ihr Ingo Way, Leiter Online-Redaktion |