| | | | | 26. Februar 2023 | | Prantls Blick | | Die politische Wochenschau | | | |
|
| | | Prof. Dr. Heribert Prantl | | | |
|
| |
|
| | | wie würde die deutsche AuÃenpolitik aussehen, wenn nicht Annalena Baerbock, sondern ihre grüne Parteifreundin Antje Vollmer AuÃenministerin wäre? Welche deutsche Beteiligung am Ukraine-Krieg hätte Vollmer gebilligt? Wie hätte ihre Nothilfe für das überfallene Land ausgesehen? Und welche diplomatische Initiativen würde sie als Ministerin betreiben, um einen Weg zum Frieden zu finden? Antje Vollmer ist eine exzellente Mediatorin, sie war eine groÃe politische Vermittlerin und Versöhnerin. Sie gehört zu den Frauen, die die grüne Partei ganz wesentlich geprägt haben, Urgestein sagt man dazu. Heute gehört Vollmer dort eher zum Abraum. Sie verzweifelt am bellizistischen Kurs ihrer Partei - wie sie soeben in einem politischen Testament dargelegt hat, über das ich in meinem heutigen SZ-Plus-Text schreibe. Vollmer ist fast 80 Jahre alt und sehr krank. Sie blickt in ihren vermächtnishaften Darlegungen zurück auf die politischen Fehler, die seit 1989 gemacht worden sind und sie kämpft mit der Ratlosigkeit, wie man jetzt mit den Folgen der Fehler umgehen soll. Vollmer vermittelte einst zwischen den Fundis und den Realos, sie trieb den innerparteilichen Erneuerungsprozess voran. Ihr erstes groÃes politisches Versöhnungsthema war die RAF; sie versuchte, den Terrorismus durch Dialog zu beenden, und das ist ihr auch mit einer vom damaligen Bundesjustizminister Klaus Kinkel und vom damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker getragenen Versöhnungsinitiative gelungen. Ihr zweites Versöhnungsthema war die Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen. Wie könnte Mediation und Vermittlung im Ukraine-Krieg aussehen? Es ist Fastenzeit, Vorbereitung auf Ostern, auf das Fest des Friedens und der Auferstehung. Der Frieden liegt nicht als Geschenk im Osternest, so dass man ihn nur auspacken müsste. Man muss ihn entwickeln, ihn erarbeiten, so wie das vor 375 Jahren im Westfälischen Frieden gelungen ist. Selbst das Reden gegen Wände kann ein Gespräch eröffnen. Der Krieg bringt den Frieden nicht, auch demjenigen nicht, der ihn gewinnt. Siegen? Verlieren? Frieden ist das Einzige, was es zu gewinnen gibt â so hat es Heinrich Böll gesagt. Und ich wünsche mir, dass wir, wenn wir über den richtigen Weg zum Frieden ringen, nicht rhetorisch Krieg miteinander führen. Der Frieden in der Ukraine ist ein noch ungelegtes Ei. Solange das so ist, kann man aber schon mal das Nest dafür bauen, man kann die Materialien dafür sammeln und darüber verhandeln, wie man verhandeln könnte, man kann darüber reden, wie man miteinander reden könnte. Das wünsche ich mir. Man kann Verhandlungsbereitschaft auch herbeiverhandeln. Das ist erfolgversprechender als der Plan, Frieden herbeizubomben.
| |
|
| | | Das Testament einer grünen Pazifistin | | |
|
|
| |
| Ich wünsche Ihnen eine Fastenzeit, in der man über Wörter und über Werte wie "Besinnung" und "Umkehr" nachdenken und daraus Kraft schöpfen kann. | |
|
| Heribert Prantl | | Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung |
| |
---|
| |
|
| | | | Jahresabo ab 99 ⬠+ SZ Mütze geschenkt | |
|
| |
---|
Beim Kauf eines Jahresabos erhalten Sie eine SZ Mütze gratis dazu. | | | |
|
|
| | | | | | | | Der Friedensschluss â eine verlorene Kunst | | In seiner Studie zu den Kriegsursachen (The causes of war) stellt der australische Historiker Geoffrey Blainey resigniert fest, dass auf tausend Seiten über Kriegsursachen nur eine einzige über Friedensgründe kommt. Es ist auch so, dass auf zehntausend Bilder vom Krieg nur ein Bild vom Frieden kommt. Bilder des Friedens langweilen schnell. Frieden ist, sagt Blainey, ein ânewsless vacuumâ, eine vergleichsweise nachrichtenfreie Zeit, schwer kommunizierbar. Der Frieden stimuliert die Phantasie auch weit weniger als der Krieg; das zeigt sich schon bei den allegorischen Darstellungen von Krieg und Frieden. Der Frieden ist mehr als das Ende des Krieges. Er muss gestiftet werden. Friedensverhandlungen gehören zu diesem Stiften. Der Kriminalwissenschaftler Hans von Hentig hat in den frühen 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein Buch über den âFriedensschlussâ geschrieben. Es ist zuletzt 1965 bei dtv neu aufgelegt worden, sein Untertitel: âGeist und Technik einer verlorenen Kunstâ. In diesem Buch blättere ich gerade. Es handelt vom punktuellen Friedensakt, wie der Westfälische Friede 1648 einer war und wie ihn der Autor nach dem 2. Weltkrieg vermisst. Ein neueres, umfassendes und beeindruckendes Werk darüber, âwie Kriege endenâ, hat 2002 der Hamburger Historiker Bernd Wegner als Herausgeber vorgelegt. Es behandelt die âWege zum Frieden von der Antike bis zur Gegenwartâ und ist eine Fundgrube. Es bedarf â wenn wir an den Ukraine-Krieg denken â nicht einfach eines Friedensvertrags. Es bedarf eines gesteuerten Friedensprozesses, der schrittweise zur Deeskalation der Gewalt führt. Es ist ein schöner Traum, sich vorzustellen, dass in Neuauflagen oder neuen Werken über Friedensschlüsse berichtet werden könnte, dass und wie die verlorene Kunst wiederentdeckt und erweitert worden ist. Hans von Hentig: Der Friedensschluss. Geist und Technik einer verlorenen Kunst. 288 Seiten, zuletzt erschienen als Taschenbuch 1965 bei dtv. Nur noch antiquarisch zu erwerben.
| | | |
|
| Bernd Wegner (Hrsg.): Wie Kriege enden. Wege zum Frieden von der Antike bis zur Gegenwart. Das Buch hat 385 Seiten, es ist 2002 im Verlag Ferdinand Schöningh erschienen und kostet 34,90 Euro. | | | | |
|
| | | | | Angst vor der Eskalation | | Der Historiker Frank Biess, er lehrt europäische Geschichte an der University of Califonia in San Diego, wundert sich über Fachleute, âdie vorgeben zu wissenâ, dass es im Ukraine-Krieg nicht zu einer nuklearen Eskalation kommen werde: âDenn diese Gewissheitâ, so sagt er im Interview mit dem Kollegen Johan Schloemann in der SZ vom 22. Februar, âhaben wir eben nichtâ. Biess hat vor ein paar Jahren ein viel beachtetes Buch über die Geschichte der Bundesrepublik als eine Geschichte kollektiver Ãngste geschrieben: âRepublik der Angstâ heiÃt es. Beim Ukraine-Krieg hält es Biess für falsch, die Angst vor einer Eskalation einfach zu verdrängen. âWarum soll manâ, fragt er, âin einer Situation der Unsicherheit die Risiken nicht mitreflektieren?â Er hält solche Zwischentöne für wichtig, um eine offene Debatte führen zu können. | | | |
|
| | | | | | Meinung | | Kommentare, Kolumnen, Gastbeiträge und Leserdiskussionen im Ãberblick | |
|
| | | | | | | | | | Entdecken Sie unsere Apps: | | | |
| |
---|
| | | Impressum: Süddeutsche Zeitung GmbH, Hultschiner StraÃe 8, 81677 München Tel.: +49 89 2183-0, Fax: +49 89 2183 9777 Registergericht: AG München HRB 73315 Ust-Ident-Nr.: DE 811158310 Geschäftsführer: Dr. Karl Ulrich, Dr. Christian Wegner Copyright © Süddeutsche Zeitung GmbH / Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH. Hinweise zum Copyright Sie erhalten den Newsletter an die E-Mail-Adresse [email protected]. Wenn Sie den âPrantls Blickâ-Newsletter nicht mehr erhalten möchten, können Sie sich hier abmelden. | Datenschutz | Kontakt | |
|
|
|