Gartenbrief vom 14.10.2016 - Lustvoll gärtnern mit Markus Kobelt.
(Fast) alles über die Birne Sehr geehrter Herr Do, an Themen mangelt es im heutigen Lubera-Gartenbrief mal wieder nicht: Von Apfel-Zwergen ist die Rede, von Stauden, die auch jetzt noch attraktiv sind, von Mondbeeren und Sorbetbeeren ("direkt aus der Kantine des Raumschiffes Enterprise") und von so manchem wohltuenden Kraut. Unangefochtener Hauptdarsteller aber ist heute die Birne, jene etwas altmodische Frucht, mit ihrer Hoch-Zeit im 19. Jahrhundert, Sinnbild für butterweichen, schmelzenden und so manches Mal auch "schlabbernden" Genusses - und Anlass für wohl einen meiner längsten Gartenbrief-Texte überhaupt. Der Titel aber verrät es schon, hier und heute gibt es eben nur "fast" alles über die Birne. Im nächsten Gartenbrief geht es dann weiter ;-) Mit herzlichen Grüssen Markus Kobelt Themenübersicht: Deal | Apfel-Zwerge für's kleine Platzangebot Gartentipp | Vom richtigen Birnen-Zeitpunkt Pflanze | Von Laubfärbern und bunten Spätblühern Pflanze | Von Mondbeeren, von Sorbetbeeren ... von Pointillas eben Rezept | Kräuterkissen Züchtung | Meine Notizen zur Birnenzüchtung Leserbrief | Gartenwitz |
Garten Deal: Apfel-Zwerge für's kleine Platzangebot | 2 Platzspar-Apfelbäume mit 30% Rabatt Sie besitzen keinen grossen Garten oder Ihr Platz ist begrenzt? Oder Sie nutzen nur eine Terrasse oder einen Balkon und träumen dennoch von der eigenen Apfelernte? Dann lesen Sie unbedingt weiter! Denn mit unseren eigenen Züchtungen sind Apfelbäume auch auf kleinstem Raum möglich, sogar im Kübel auf der Terrasse oder dem Balkon. Dieser Deal enthält folgende 2 Sorten: 1x Lubera® Malini Pronto® 1x Lubera® Maloni Sally® Beide Sorten zeigen eine sehr gute Pflanzengesundheit, Spritzungen im Hausgarten sind nicht nötig. Durch die aufeinanderfolgenden Reifezeitpunkte können Sie im August und September eigene, frische Äpfel geniessen, die sich (bei Sally) auch bis zum Februar lagern lassen. Dieser Deal ist nur begrenzt vorrätig, sichern Sie sich schnell Ihre Platzspar-Apfelbäume! Das Angebot gilt nur in dieser Woche!
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Wann Birnen geerntet werden und wann sie reif sind | Die Reife, genauer gesagt die Erntereife und die Genussreife, ist wohl das schwierigste Thema bei den Birnen. Man könnte mit guten Gründen auch sagen, dass dieses Thema die Birne etwas schwierig macht, denn bei der Birne sind Erntereife und Genussreife in den meisten Fällen nicht nur weit voneinander entfernt, sondern auch schwierig festzustellen. Die Birne ist eine klimakterische Frucht, sie reift also am Baum, aber auch nach der Ernte nach, unter dem beschleunigenden Einfluss des Reifegases Ethylen, das von ihr selber, aber auch von anderen Früchten (z.B. im Lager, aber auch in der Fruchtschale) produziert wird. Diesen klimakterischen Reifeprozess kennen wir auch vom Apfel, aber bei der Birne läuft er deutlich beschleunigt und dynamischer ab. Vor allen Dingen kann der einmal begonnene Reifeprozess, der dann innerhalb von 4-14Tagen zu einer butterweichen, nur noch jetzt und hier geniessbaren Frucht führt, nicht mehr aufgehalten werden. Aus dieser speziellen Eigenschaft der Birne ergibt sich eine interessante Widersprüchlichkeit: Je früher ich eine Birne ernte, je weiter entfernt der Erntezeitpunkt von der Genussreife am Baum ist, desto länger kann die Birne gelagert, desto später kann sie dann künstlich nachgereift und genossen werden. Das heisst praktisch: Die am frühesten geernteten Birnen esse ich am spätesten, die später geernteten Birnen muss ich früher geniessen, und die am Baum reif gewordenen Früchte kann ich kaum nach Hause tragen, wenn ich nicht will, dass sie zu Matsch werden. Natürlich möchten Sie das jetzt noch etwas genauer wissen, aber die Reifedynamik bei der Birne ist so komplex und von verschiedenen sich überlagernden Faktoren (Temperatur, Lage, Ethylen, Erntezeitpunkt, andere Früchte in der Umgebung) abhängig, dass sie nicht in eine feste Regel pro Sorte gefasst werden kann. Dennoch würde ich im Garten folgende Vorgehensweise vorschlagen: Warten Sie bei der ersten Ernte einer neuen Birnensorte in ihrem Garten die Essreife am Baum ab. Ernten und geniessen sie die Früchte also erst, wenn die grüne Grundfarbe etwas gelb aufhellt und wenn das Fruchtfleisch auf Daumendruck etwas nachgibt. Nicht vergessen, die so spät geernteten Früchte müssen sofort, innerhalb von 1-3 Tagen gegessen werden. Dieser Erntezeitpunkt gibt ihnen nun für die folgenden Jahre - unter Miteinbezug des Vegetationsverlaufs - einen guten Anhaltspunkt, wann die Ernte zu erfolgen hat. Wählen sie dann in den Folgejahren einen Erntezeitpunkt ca. 2-3 Wochen vor der Baumreife und damit erhalten sie dann mit ziemlicher Sicherheit Früchte, die bei 5-10 Grad gut gelagert werden können. Auch in diesem Klima werden sie irgendwann natürlich essreif werden, aber der Prozess kann je nach Bedarf beschleunigt werden, indem Sie die bald zu verzehrenden Birnenfrüchte in eine Fruchtschale in der temperierten Wohnung legen und den Reifeprozess je nach Gutdünken mit zusätzlichen reifenden Früchten (Bananen, Apfel) beschleunigen, die den Etyhleneffekt noch steigern. Noch ein abschliessender Tipp: Birnen produzieren im natürlichen Reifeprozess, aber auch im Kellerlager, besonders viel Ethylen. Sie beschleunigen also auch den Reifeprozess bei anderen mitgelagerten Früchten (z.B. Kiwi oder Apfel). Wenn man also die Lagerdauer dieser Früchte nicht gefährden möchte, sollte man sie möglichst nie gemeinsam mit Birnen lagern. Umgekehrt kann man sich bei der künstlichen Nachreife diese Fähigkeit der Birnen zunutze machen und sie bewusst einsetzen, um andere Früchte - ich mache das häufig mit Kiwi - schneller nachreifen zu lassen.
| | Keine Farbe mehr im Garten? Selber Schuld. | Zugegeben, die Hoch-Zeit des Gartens ist jetzt, Mitte Oktober, vorbei. Ein bisschen muss man sich dem Charme des Morbiden hingeben wollen und können. Wer es tut, erlebt den Garten und nicht zuletzt das Staudenbeet von einer beruhigend-schönen, ja anmutig sanften Seite. Was keineswegs heisst, dass der Garten im Einerlei aus Braun und Grau verschwimmen muss. Wer jetzt schon keine Farbe mehr im Garten hat, ist selber schuld! So gesellen sich zu spätblühenden Astern wie Aster pringlei 'Pink Star' oder auch Aster ericoides 'Erlkönig' gerne die eine oder andere Chrysantheme. Und Kerzen-Knöteriche setzen nicht weniger farbkräftige wie markante Farbtupfer - ziemlich genau so lange, bis der erste Frost sie "dahinrafft". Hier und da soll er ja bereits zugeschlagen haben. Neben den üblich Verdächtigen - und darunter zähle ich jetzt mal die eben genannten - gibt es auch weniger bekannte Spätblüher - was sie freilich um so mehr zu Hinguckern werden lässt. Im eigenen wie in Nachbars Garten. Liriope muscari beispielsweise, die Lilientraube. Sie bildet prachtvolle dunkelgrüne Horste mit immergrünem, grasartigem Laub und blauvioletten Blütenkerzen, die stolz und kräftig über dem Laub stehen - und dabei an überdimensionierte Traubenhyazinthen erinnern. Liriope bevorzugt tendenziell eher saure Böden und steht gerne an halbschatten Plätzchen - quasi das ganz grosse Rampenlicht meidend. Zweite hübsche Herbst-Besonderheit: Salvia azurea var. grandiflora. Noch ein Vertreter, der kein Repräsentant der klassisch gelb-und-orange dominierten Herbstfarbskala ist. Der Spätherbst-Salbei, so sein deutscher Name, trägt ein so irres Blau zur Schau, dass wir uns Jahr für Jahr wieder über ihn wundern. Angemerkt sei: Diesem Salbei wird seine Winterhärte oft angezweifelt, dabei treibt er nur sehr spät aus. Wer lange schläft, hält es spät im Jahr eben länger aus ;-) Farbe aber bringen nicht nur Blüten in den Garten! Jetzt ist die Zeit der "Laubfärber" gekommen, jener Stauden, deren Blätter uns mit leuchtenden Rot- und Gelbtönen begeistern. Epimedien, die Elfenblumen, zeigen teils wunderschöne, farbige Marmorierungen auf ihren Blättern. Diverse Storchschnäbel wie z.B. Geranium wlassovianum färben sich kräftig rot und gelb. Was freilich nur einer der Vorteile von Storchschnäbeln ist, die an sich zu den wertvollsten Bodendeckern überhaupt zählen. Aber das ist ein anderes Thema ... für einen anderen Gartenbrief ... Eine noch! Denn Ceratostigma plumbaginoides darf keinesfalls unerwähnt bleiben. Die Bleiwurz treibt spät aus und blüht ab August mit kleinen, phantastisch intensiv blauen Blüten. Das grosse Spektakel aber geben die Blätter, die sich an sonnigen Standorten in einer knallroten Herbstfärbung zeigen. Wie gesagt: Von Grau und Braun und Tristesse ist jetzt, Mitte Oktober, noch keine Spur. Kommt noch früh genug ...
| | Von Mondbeeren, Sorbetbeeren, Seniorenbeeren und Kaugummibeeren | Jeder Hobby-Gärtner freut sich über Neuigkeiten für seinen geliebten Garten, sei es bei Blumen, Gemüse oder Früchten. Neue Sorten versprechen Spannung, neue Geschmackserlebnisse und ja, auch ein bisschen Freude an dem Angeben mit Pflanzen, die nur man selber hat, aber nicht der Nachbar und die Gartenfreunde. Nennen wir es mal etwas freundlicher "Besitzerstolz". Mein momentaner Liebling, "my alltime Favorite" wie es Neudeutsch heißt, ist die Pointilla. Ich liebe sie, weil sie anders ist, weil sie einen ganz neuen Fruchtgeschmack in meinen Garten gebracht hat, weil sie so vielseitig ist und weil noch niemand anderes sie in meinem Bekanntenkreis hat ;-) Gestern, im letzten Herbstsonnenschein, habe ich die roten Pointillas gepflückt und die kleinen Perlen mit ihren tausend Pünktchen leuchteten wie kleine Juwelen. Und ich habe gemerkt, wie entspannend sie zu pflücken sind. Zuvor hatte ich meine letzte Aronia Hugin gepflückt und da der Strauch so niedrig ist, tat der Rücken gehörig weh, wie das nun mal in der Generation 50+ oftmals der Fall ist. Wie ich zu der Pointilla wechselte, merkte ich sofort, dass etwas anders ist. Man kann sie im Stehen, mit geradem Rücken ernten, eine Wohltat für die geplagte Wirbelsäule. Das erste, was mir einfiel: Die Pointillas sind ja ideale Seniorenbeeren! Man muss sich nicht bücken, sie lassen sich ganz leicht von den Zweigen streifen und alles ist so wunderbar mühelos, verglichen mit den anderen Beerensträuchern im Garten, von den Obstbäumen ganz zu schweigen. Und als ich eine Handvoll der kleinen Juwelen in den Mund steckte, dachte ich: Sie schmecken wie aus einer anderen Welt. Da fiel mir ein, wie ich als junges Mädchen das erste mal in die Disco durfte, in Begleitung eines älteren Cousins und als er mir einen Ginger Ale bestellt hatte, sagt er damals: Das musst du unbedingt mal probieren, dieses Getränk schmeckt als käme es vom Mond, es ist nicht von dieser Welt. Tja, und genau so schmecken die Pointillas, dachte ich nun über 30 Jahre später. Unglaublich lecker, anders und wie direkt aus der Kantine des Raumschiffes Enterprise. Mein (erwachsener) Sohn, den ich immer begeistert all meine Gartenschätze zu probieren zwinge, meinte nach dem Genuss der Pointilla (der säuerlichen Sorte): Sie schmecken wie die Kaugummis früher, die Center Schock, die mit dem flüssigen, sauren Kern. Und er meinte das als Kompliment! Ich persönlich liebe die gelbe Sorte am meisten und zwar in gefrorener Version. Ich habe, wie letztes Jahr, meinen gesamten Vorrat eingefroren. Den Winter über hole ich jeden Morgen eine kleine Menge aus dem Gefrierer, streue sie übers Müsli und genieße sie als erstes, als Sorbet-Beere, denn genauso schmecken sie, wie eine gesunde Nascherei, eine gefrorene Vitamin-Bombe, meine eigenen Sorbet-Beeren. Ranka Tessin
| | Schlaf, Kindlein, schlaf | Die letzte Möglichkeit vor dem Herbst, um Kräuter zu ernten, kommt bald. Ich habe in diesem Jahr von meinen Kräutertöpfen einiges zaubern und zwei Rezepte mit Euch teilen können: Kräuterbutter und Kräutersalz Neben der Nutzung der Kräuter in der täglichen Küche habe ich auch viele Kräuter getrocknet. Aus diesen werde ich jetzt, wo die Tage kühler werden, mal wieder öfter einen Tee zubereiten und mit dem Gedanken an sonnigere Tage geniessen. Aus einigen Kräutern mache ich aber auch duftende Kräuterkissen und -säckli. Ein Rezept davon ist das Ruhekissen. Auf die Idee kam ich vor einigen Jahren während eines Hotelurlaubs in Vorarlberg. Da war auf den Zimmern ein Kissenmenü aufgelegt. Man stelle sich das mal vor. Das gewünschte Kissen mit duftenden Kräutermischungen darin zum Bestellen. Eine prima Idee. Zum Kaufen waren die Kissen einfach viel zu teuer, also warum nicht selbst machen? Da die Rezepte natürlich nicht öffentlich waren, habe ich meine eigene Mischung für ein Ruhekissen gemacht, darin finden sich sechs beruhigende, schlaffördernde Pflanzen aus meinem Garten: Hopfen + Goldmelisse + Zitronemelisse + Lavendelblüten + Rosenblüten Diese getrockneten Pflanzen werden gut durchmischt und zusammen mit Dinkel oder in kleinere Kissen zusammen mit Traubenkernen eingefüllt. Um süsse Träume zu haben, einfach das Ruhekissen mit ins Bett nehmen und unter das eigene Kopfkissen legen oder sich je nach Grösse direkt darauf betten. Nur mit Lavendel und Traubenkernen gefüllt habe ich mir eine Meditationsschlafmaske genäht, mal sehen, ob diese nach den Yoga-Runden zum Einsatz kommt wird. So ein kleines Kräuterkissen kann man auch sehr gut kurz in der Mikrowelle oder im warmen Backofen erwärmen, um es bei Verspannungen oder ankommender Erkältung zu nutzen. Oder man kann es im Tiefkühler lagern und bei Kopfschmerzen benutzen. Eine Freundin von mir nutzt das tiefgekühlte Lavendelkissen jeden Morgen, um ihre geschwollenen Augen wieder "ausgeh-fit" zu machen. Bei Verspannungen denker ist zum Beispiel ein Kissen mit folgender Mischung: Lavendel, Arnika, Gänsefingerkraut, Johanniskraut. Bei Kopfschmerzen einer zum Beispiel mit folgender Mischung: Mutterkraut, Pfefferminze, Lavendel Bei Bauchkrämpfen wiederum denkbar ist ein Kissen zum Beispiel mit folgenden Kräutern: Gänsefingerkraut, Lavendel, Rosmarin, Kamille Einfach mal ausprobieren, welche Pflanzen einem gut "anduften" und rein damit in ein kleines Kissen. "Guet Nacht" und "gueti Besserig" falls nötig. Pascale Treichler
| | Meine Notizen zur Birnenzüchtung | Seit einigen Jahren betreiben wir bei Lubera auch ein Birnenzüchtungsprogramm - und jetzt in den ersten Oktobertagen - kann ich die diesjährige Selektionsarbeit bei den Birnen gerade abschliessen. Grund genug, einige Bemerkungen zur Birnenzüchtung festzuhalten. Schliesslich sind Sie genauso gespannt wie ich, was da einmal rauskommen wird ;-) Am Ende dieses Artikel, das kann ich Ihnen versprechen, werden Sie genau so wenig wissen wie ich. Immerhin. Das gleiche nochmals Ganz allgemein ist die genetische Bandbreite bei den Birnen viel schmaler als bei den Äpfeln - man findet also immer wieder etwa Dasselbe. Die andere Seite der gleichen Medaille: Man selektioniert auch sehr schnell viele GUTE und sehr GUTE Birnen, die aber immer wieder an ihre Eltern oder andere Vorgängersorten erinnern, die fast allesamt aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammen. Und noch was fällt auf: Eine der produktivsten und am häufigsten züchterisch reproduzierten Sorten ist Conference; die Sämlinge dieser Sorte fruchten einfach am schnellsten und haben auch in sehr grosser Zahl eine schöne Form und eine sehr gute Qualität. Und teilweise können sie auch den Weg in eine Zukunft der Birnenzüchtung weisen: mit knackigerem Fruchtfleisch, mit längerer Haltbarkeit. Doch davon weiter unten mehr. Was vielfach bei Conference und ihren Nachkommen fehlt: das extraordinäre Aroma. Die Birnenmanie des 19. Jahrhunderts Im 19. Jahrhundert, das man mit gutem Recht als das Jahrhundert der Birne bezeichnen könnte, betätigten sich unzählige Kleinadelige, Beamte, Lehrer, Pfarrherren, Lokalpolitiker und auch schon die ersten Baumschulbesitzer als Birnenzüchter und produzierten so in relativ kurzer Zeit eine fast unübersehbare Anzahl von neuen Birnensorten. Die besten - oder eher die Überlebenden davon - machen noch heute den Hauptharst des Birnensortiments aus. Es war ganz einfach leicht, so vermute ich nun mit meiner neuen Erfahrung als Birnenzüchter, eine neue Birnensorte zu finden, indem man einige Dutzend Samen einer anderen guten Birnensorte aussäte und dann auf die Früchte wartete. Denn fast sicher fand man in den Nachkommen einer guten Sorten etwas ähnlich Gutes. Vielleicht war es auch in der Denke des 19. Jahrhunderts gar nicht so schlimm, wenn sich dann die neue Sorte nicht so sehr von den alten unterschied. Viel wichtiger war, das sie (auch) gut war, vielleicht noch etwas besser als die Vorgänger- und Konkurrenzsorten - vielleicht aber auch nicht. Der Züchter und Entdecker fühlte sich schon erhöht und ausgezeichnet von der Entdeckung, vom Genuss und von der Beschreibung der Sorte und des Fruchtgenusses selber. Da musste die Sorte nicht auch noch ganz anders sein. Vielleicht war ganz einfach im 19. Jahrhundert bei Züchtern und bei ihren Sorten der Individualismus noch nicht so ausgeprägt wie heute, wo von neuen Sorten möglichst klare und revolutionäre Unterscheidungsmerkmale verlangt werden, unerhörte Fortschritte, ganz neue Erlebnisse. Die Variation des Guten war damals noch gut genug, der Genuss einer schmelzenden Birne einerseits und die umständliche, möglichst detailgetreue, geradezu kleinkarierte Fruchtbeschreibung in mehrbändigen Pomologien reichte zu Glück des Connaisseurs und Züchters. Das war zwar kein Massenphänomen, aber ging doch nicht ganz ohne Gruppendynamik: Mit Vorliebe und Inbrunst schrieben Pomologen über andere Pomologen und deren Sorten, und geradezu systematisch verewigten sie sich gegenseitig mit Sortennamen: Van Mons benannte eine Birne nach Léon Leclerc de Laval (übrigens die Muttersorte von Conference). Und Léon Leclerc, ein Agronom, Beamter und Politiker aus Laval in Frankreich, revanchierte sich früher oder später bei seinem belgischen Kollegen mit einer Sorte Van Mons. Wie du mir, so ich dir. Vereint im Birnengenuss und der Birnenverrücktheit. Und vereint auch in einer biedermeierlichen Ernsthaftigkeit, ja Humorlosigkeit, die der Grenzenlosigkeit des Genusses so gar nicht angemessen scheint. Die 'Wissenschaft' der Pomologie und die beckmesserische Beschreibung der Früchte waren so unglaublich wichtig, da blieb kein Platz für Humor - und übrigens auch kein Platz für eine phantasievolle Sprache. Die Pomologien, die Sortenbücher des 19. Jahrhunderts sind unglaublich ... langweilig. Das Gute noch besser machen Zunächst verstehe ich genau die beschriebene (zugegebenermassen allerding nur vermutete) Gefühlslage meiner Kollegen im 19. Jahrhundert. Da ist zunächst das epikuräische Glück des Züchters, der Zauber des Genusses, der sich bei Birnen immer wieder in Varianten wiederholt. Da ist aber auch schon der neuzeitliche Zwang zur Wissenschaftlichkeit, zur Genauigkeit, zur hypergenauen Fruchtzeichnung und Beschreibung in den zeitgenössischen Pomologien. Letzteres gilt zwar auch für die Apfelzüchtungen des 19.Jarhhunderts, aber die Unterschiede zwischen den Sorten sind da deutlicher, das Genusserlebnis ganz allgemein weniger dominierend. Interessanterweise schreiben die Pomologen des 19. Jahrhunderts auch ganz und gar nicht ausschweifend über ihren Birnengenuss, sondern versuchen das Erlebnis in wissenschaftlicher 'codierter' Sprache zu domestizieren: Der Genuss, das Erlebnis, so vermute ich, ist die Triebfeder ihrer Züchterei und Schriftstellerei, nicht Teil ihres Ausdrucks. Da tauchen bei Dutzenden, ja fast Hunderten von Sorten immer wieder die gleichen Wörter auf. Das einzigartige, aber doch bei der Birne und bei vielen Birnen wiederholbare Esserlebnis, braucht keinen einzigartigen Ausdruck. Eigentlich braucht es auch nicht einzigartige Sorten. Oder anders ausgedrückt: die Variation des Gleichen als Resultat der Züchtung ist kein Problem. Den Genuss hat man ja (fast) auf sicher. Und also züchtete man im 19. Jahrhundert fröhlich unendlich weiter, und noch eine neue Birne, und noch eine ... Und heute? Und ich als Birnenzüchter, was sind meine Ziele, was ist mein Antrieb? Zunächst ist da mal der bescheidene Ansatz, den ich immer wieder gerne mit dem Züchterzwerg auf den Schultern des Riesen, der Züchtungstradition beschreibe: Ich werde ganz sicher - und ohne eine Spur schlechten Gewissens, denn Genuss kennt kein Gewissen - in der Nachfolge der ebenso biederen wie epikuräischen Birnenzüchter des 19. Jahrhunderts einige Sorten selektionieren, die nicht viel anders sein werden als ihre Vorfahren, aber vielleicht, vielleicht doch ein kleines bisschen besser. Vielleicht aber auch nicht. Aber ich zuerst und dann auch unsere Kunden werden unseren Genuss, unseren Spass daran haben ... Aber wäre es auch möglich, eine ganz neue, andere Birne zu züchten? Texturen ... oder die Ungleichzeitigkeit von Birne und Apfel Der Idealtyp einer klassischen Birne, mit dem perfekten Birnengeschmack, mit einem butterzarten Esserlebnis, ist Comice, die Vereinsdechantbirne, oder eine ihrer leicht rot gefärbte Varianten, wie zum Beispiel die Löffelbirne. Und da bin ich wirklich nicht sicher, ob das noch besser geht!? Die Frage aber, die ich mir beim Birnenessen draussen auf dem Feld vor meinen Sämlingen stelle, ist eine ganz andere: Könnte es nicht noch andere Birnengenüsse, andere Texturen geben, die interessant wären. Kürzlich ass ich eine Birne, eine europäische Birne, die nach den Massstäben des 19. Jahrhunderts unreif war, eben noch nicht schmelzend, die aber grobzellig und kackig war, und einen explosiven, säuerlich süssen Saft hergab, der direkt an das Esserlebnis der asiatischen Birnen denken liess. Nur mit mehr Pepp! Hier wären also vielleicht neue Birnen möglich, und ich bin mir nicht sicher, ob dazu wirklich die asiatischen Birnen eingekreuzt werden müssen, die sehr gerne und schnell bei leichter Überreife oder nach einigen Tagen im Verkaufsgestell einen alkoholischen Beigeschmack bekommen. Also sind neue Texturen gefragt! Nicht zuletzt deshalb, weil unser Zahnapparat ganz anders aussieht, als vor 150 Jahren: War dort eine schmelzende Birne letztlich die Voraussetzung eines funktionierenden Esserlebnisses, so lechzen unsere scharfen und intakten Beisser heutzutage geradezu nach festem Fleisch, nach Knackigkeit. Und so steht man dann als Birnenliebhaber manchmal fassungslos vor oder neben modernen Birnenessern (und sei es in der eigenen Familie!), die ungerührt in unreife Birnen beissen, und das feste Fruchtfleisch, mit dem leicht süsslichen, aber noch weitgehend neutralen, wenn nicht grünlichen Aroma, als fein und gut deklarieren. Welche Verschwendung! Was für ein Sakrileg! Wenn sie nur wüssten, wie man Birnen richtig geniesst!!! Aber was ist denn schon 'richtig? Und vielleicht wäre umgekehrt auch gefahren bzw. gegessen. Vielleicht sollten wir die Birnen dem neuzeitlichen Zahnapparat anpassen, an die Art und Weise, wie wir heute, hier und jetzt gerne Früchte geniessen: (leider) nicht mehr saftend und vielleicht sogar grunzend und schlabbernd, sondern fein säuberlich aufgeräumt, mit möglichst wenig Geräuschemission beissend und kauend. Alles hat ganz abgeschirmt im Mund selber zu erfolgen. Und wie schon gesagt: Die Werkzeuge dazu haben wir ja unterdessen zur Verfügung! Sie hören natürlich meine Sympathie für den alten Genuss, der sich auch nach aussen, öffentlich zeigt, wo der Saft fliesst und der Mund tropft. Als moderner Mensch weiss ich aber auch um die Vorteile, um die Segnungen eines intakten Zahnapparats. Und als Züchter habe ich gelernt, dass es andere spannende und genussmässig interessante Texturen, Fruchtaggregatzustände gibt, die wir vielleicht für die Birne erst noch erkunden müssen. Eine letzte Überlegung möchte ich noch nachschieben, wenn wir versuchen, die Entwicklung von Apfel und Birne nachzuverfolgen. Die Hoch-Zeit der Birne im 19. Jahrhundert, ihre Priorisierung vor dem Apfel, hängt natürlich auch wieder mit den unmittelbaren Umständen des Genusses zusammen: mit dem Zahnapparat. Beim Apfel gibt es eben keinen schmelzenden Fruchtzustand, ein essbarer Apfel war nur weich, mehlig und im besten Falle noch ein bisschen süss. Allenfalls war er noch gekocht denkbar, als Apfelmus oder Applesauce. Die meisten Äpfel aber wurden flüssig, als vergorener Saft lagerfähig und 'geniessbar' gemacht. Mit anderen Worten: Der Apfel als Frischfrucht passte nicht wirklich gut ins 19. und auch die vorhergehenden Jahrhunderte. Umgekehrt sind heute beim Apfel die Anpassungen an die neuen sozialen und ökonomischen Umstände des Essens weitgehend abgeschlossen. Der Apfel ist im 20. Jahrhundert regelrecht zu sich selber gekommen: als Frischfrucht, knackig und bissfest, dank neuer Lagertechnik fast unendlich lagerfähig. Die Birne aber muss erst noch einen Weg in die Moderne, meinetwegen auch in die Postmoderne ;-) finden. Das 20. Jahrhundert hat die Birne sozusagen verpasst. Sie ist zu einer Reminiszenz vergangener Zeiten geworden. Mal schauen, was das 21. Jahrhundert bringt. …und Farben Die Birne ist farblich eine etwas langweilige bicolore Angelegenheit: Es gibt grossomodo nur zwei Farben, grün und bronze-berostet, allenfalls noch gelb, wenn die grüne Birne reif wird. Das alles allerdings mit allen möglichen Übergangs- und Mischformen. Rot war selten. Kein Wunder also, wenn in den letzten 20 Jahren eine regelrechte Jagd nach roten Birnen losgegangen ist. Die Schwierigkeit dabei: Die rote Farbe auf Birnen ist meistens ziemlich flüchtig, je früher sie sich auf den Birnenbäckchen zeigt, desto eher verabschiedet sie sich nach der Ernte auch wieder. Wirklich rote Birne gibt es deshalb nur ganz wenige ... Aber selbstverständlich ist hier ein grosser Raum für Verbesserungen. Und rotfleischige Birnen? Unter den alten, teilweise sehr alten Birnensorten existieren zwei Gruppen von rot- oder rötlichfleischigen Birnen: Die Sommerblutbirnen, die sehr früh reif werden, meist nur einen Hauch von Rot im Fruchtfleisch zulassen, aber geschmacklich recht gut sind. Aber sie verschwinden wegen ihres frühen Reifezeitpunktes, gänzlich ohne Lagerfähigkeit, jeweils fast schneller wieder aus unserem Fruchtgedächtnis als sie auftauchen. Dennoch kann hier züchterisch natürlich angeknüpft werden. Und dann ist da noch eine Gruppe sehr spät reifender rotfleischiger Birnensorten, vor allem bei den englischen Perry-Birnen, mit rot marmoriertem Fruchtfleisch und tiefrotem Kerngehäuse. Die roten Perries sind spät bis sehr spät reif, sie sind teilweise sehr schön rot, aber frisch weitgehend ungeniessbar, weil die Bitterstoffe jeden auch nur entfernt angenehmen Fruchtgeschmack und Zucker überdecken. Die Perries werden denn auch vor allem für die Produktion von Birnen-Cider benutzt. Bei Lubera verfolgen wir beide Züchtungsmöglichkeiten, früh und spät, aber bis zu essbaren, ja wirklich guten Birnen wird da noch einige Zeit vergehen. Slow fruit – fast food Die Birne, in ihrem historischen aus dem 19. Jahrhundert überlieferten Zustand, ist eine 'slow fruit'. Sie wird nicht so gegessen, wie sie geerntet wird. Sie braucht Zeit und Geduld; was man bekommt, ist nicht das, was man zunächst sieht und erntet. Aber irgendwann, wenn die Birnen dann essreif werden, geht es auch sehr sehr schnell. Von den Birnenliebhabern des 19. Jahrhunderts wird kolportiert, dass sie mitten in der Nacht, wenn möglich nicht nur einmal, aufgestanden seien, um zu überprüfen, ob der Gegenstand ihres Verlangens, die nächste reife Birne, vielleicht gerade den idealen, aber auch äusserst prekären Reifezustand erreicht habe. Denn nach dem kurzen Höhepunkt kommt bei der Birne nichts Erstrebenswertes mehr ... Auch diese Geschichte erzähle ich übrigens nicht ohne Sympathie, aber ich weiss auch genau, dass eine solche Frucht eigentlich nicht mehr in unsere Zeit passt. Die Birne ist gleichzeitig zu langsam und zu schnell. Sie braucht Zeit und Aufmerksamkeit, die wir - leider, aber auch tatsächlich - nicht mehr haben. Vielleicht ist auch genau das der Fehler der Slow Food Bewegung: Dass sie sich gegen die Zeit stellt, dass sie letztlich rückwärtsgewandt ist, anstatt zu versuchen, den Genuss so neu zu strukturieren, dass er wieder in diese Zeit passt. Nichts anderes ist das Ziel der Obstzüchtung, so wie wir sie verstehen und zusätzlich noch auf den Gartenanbau auszurichten versuchen. Für die Birne aber heisst das: Das Shelflife, also die Haltbarkeit muss verbessert werden. Damit ist aber nicht die Haltbarkeit im Lager des Obstbauern oder Fruchthändlers gemeint, sondern die Haltbarkeit beim Konsument oder Gärtner: Wir brauchen Birnen, die eine längere Zeit im idealen Genusszustand verbleiben, welcher das auch immer sei. Die Neue Birne? Ist eine solche neue Birne zu erreichen, die in unsere Zeit passt? Die den Genuss des 19. Jahrhunderts in unsere Zeit rettet, ihn sich neu entfalten lässt? Geben wir es zu, die Birne ist altmodisch; wie kann sie wieder neu und spannend werden? Sicher ist, dass wir das mit Rückwärtsgewandtheit allein, mit der Predigt der vergangenen Tage (so erstrebenswert sie im sehr weiten Rückblick auch erscheinen mögen) nichts erreichen. Ich sehe aber auch, das der Garten als Zeitoase eine Nische bleiben wird, ein Refugium, wo die alte Birne, mit ihrer prekär-kurzen Genusszeit, ihren Platz behalten kann. Ob es mir, ob es uns bei Lubera zusätzlich gelingen wird, neue Birnen für heute, für morgen zu züchten? Noch weiss ich das selber nicht, wir sind ganz am Anfang, wie vielleicht vor 20 Jahren mit unseren Apfelzüchtungsprogrammen. Aber so langsam zeigen sich die Möglichkeiten, zeigen sich neue Wege auf. Und auf dem Weg dahin, zur neuen Birne, gebe ich mich immer wieder gerne und ohne schlechtes Gewissen dem Genuss einer alten oder auch neuen schmelzenden und feinzungigen Butterbirne hin ... Ja ich weiss, das ist nicht die Zukunft, aber das ist MEIN Genuss, hier und jetzt, in meinem Züchtungsgarten.
| | Gartenwitz | Ende September hatten wir mal wieder den Humor von Gärtnern hinterfragt (nicht zum ersten Mal, im August 2014 fragten wir "Sind Gärtner humorlos?") - und gleichzeitig einen Gartenwitz präsentiert. Lange freilich haben wir nicht auf weitere Gartenwitze warten müssen. Hier einer unserer Newsletter-Abonnentin D. Wälchli: Guten Tag, liebe Lubera-Leute, als Hobbygärtnerin und leidenschaftliche Hobby-Hühnerhalterin ist dies mein Lieblingswitz: Zur Hühnerfarm kommt ein junger Mann und sagt: "Ich hätte gerne fünfzig Küken, ich möchte Hühner züchten!" Der Bauer verkauft sie ihm und fragt: "Soll ich Ihnen noch ein paar Tipps geben?" Der junge Mann verneint, kommt aber nach zwei Wochen wieder, um erneut fünfzig Hühner zu kaufen, es habe nicht geklappt. "Soll ich Ihnen nicht doch ..." "Nein danke, ich schaff das schon!" winkt der junge Mann ab. Wieder zwei Wochen später kommt er zum dritten Mal, um Küken zu kaufen. "Was haben Sie denn für Probleme?" fragt der Bauer. "Ich weiss auch nicht", sagt der junge Mann, "entweder ich pflanze sie zu dicht oder zu tief!" Entdeckt auf http://www.wyandotten.ch/
| Alle unsere Produkte und viele weitere Infos finden Sie in unserem Internet Shop www.lubera.com. Herzliche Grüsse Markus Kobelt
Impressum Redaktion Gartenbrief: Lesya Kochubey, lesya.kochubey@lubera.com, Telefon: +49 (0)4403 984 75 90 Herausgeber und verantwortlich für die Inhalte: Markus Kobelt, info@lubera.com, Geschäftsführer Lubera AG, Lagerstrasse, 9470 Buchs, Schweiz Unserer Standorte:
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