es gibt zwei gute Nachrichten und eine schlechte: Der Schriftsteller Salman Rushdie , das ist die erste gute, kommt nach Deutschland und wird am 16. Mai im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals im Deutschen Theater aus seinem neuen Buch „Knife. Gedanken nach einem Mordversuch“ lesen und darüber sprechen. Leider ist dieser Abend – das ist die schlechte – schon ausverkauft, wird aber, was wiederum gut ist, von radioeins live übertragen. Und ich kann es nur empfehlen, sich dazuzuschalten. Auf der Buchmesse, als Rushdie im vergangenen Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekam, hatte ich das Glück, im Publikum sein zu dürfen. Und es war ein sehr besonderer Moment, als er, mit einer Augenklappe vor seinem verlorenen Auge, in der Frankfurter Paulskirche ans Pult trat und eine Rede hielt, die, trotz der Fatwa des iranischen Ajatollah Chomeini, trotz des Mordanschlags im August 2022 und der massiven körperlichen und psychischen Folgen, mit denen er noch immer ringt, so viel Humor und Lebensfreude ausstrahlte, dass man davon nur tief berührt sein konnte.
Daniel Kehlmann, der mit dem Schriftstellerkollegen schon lange befreundet ist, hielt die Laudatio und schilderte, wie sehr sein Freund, auch nach dem Attentat, das Gegenteil eines weltabgewandten Menschen geblieben ist. Denn als Kehlmann sich mit seinem Sohn die neue Star-Wars-Serie „Obi Wan Kenobi“ ansah, gab es im Bekanntenkreis überhaupt nur eine Person, die sie schon gesehen hatte und mit der sie sich, von Kontinent zu Kontinent, austauschen konnten: Salman Rushdie. Das sei auch so gewesen, als Amazon die teuerste Serie aller Zeiten, „The Rings of Power“, herausbrachte, wobei hier das Resultat so schlecht war, dass sogar Salman, wie Daniel Kehlmann erzählt, nach einer Weile das Handtuch geworfen hatte: „The Tolkien thingy is disgracefully bad. I've tried and given up“, schrieb Rushdie an Daniel Kehlmann – und das nur wenige Wochen nach dem fürchterlichen Attentat.
Julia Encke
Verantwortliche Redakteurin für das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.
In der Paulskirche gab es während der Verleihung einen fragilen Moment: Vorne in den ersten Reihen wurde plötzlich nach einem Arzt gerufen. Dem Ehemann der Politikerin Agnes Strack-Zimmermann ging es für einen Moment offenbar nicht gut, er wurde nach draußen begleitet. Rushdie bemerkte am Pult die Unruhe im Publikum nicht gleich, hielt dann inne, wartete. Was ihm wohl durch den Kopf gegangen sein muss, fragte man sich hinterher und bewunderte ihn für seine Ruhe. Schließlich war er nicht viel mehr als ein Jahr zuvor bei einem Auftritt mit einem Messer angegriffen worden, der die Sicherheit von Schriftstellern zum Anlass hatte: Bei einer Veranstaltungswoche zum Thema „Zuflucht in Amerika“, auf dem Gelände eines gemeinnützigen Bildungszentrums in Chautauqua, New Jersey. Ob ihn der neue Moment beim Friedenspreis beunruhigte oder sogar triggerte, sah man ihm nicht an.
„Knife“ sei „eine Festung aus Worten, für die Freiheit errichtet“, hat meine Kollegin Elena Witzeck über das neue Rushdie-Buch geschrieben . Das Memoir, in dem der Schriftsteller das Attentat rekonstruiert, enthält vier Gespräche, in denen Rushdie mit seinem Beinahemörder diskutiert, ihm Fragen stellt. Der Schriftsteller selbst will das nicht als Akt therapeutischen Schreibens verstanden wissen. Eine Befreiung ist es dennoch, geschrieben in der ersten Person: „Wenn fünfzehnmal auf einen eingestochen wurde, fühlt sich das definitiv nach erster Person an“, schreibt Salman Rushdie.
Wo es, anders als bei dem Rushdie-Abend in Berlin, noch Tickets gibt, ist in Hamburg im Kleinen Saal der Elbphilharmonie bei der Verleihung des Deutschen Sachbuchpreises am 11. Juni. Hier wird, in Anwesenheit der Autoren, der Preisträger oder die Preisträgerin bekanntgegeben. Das Publikum hat die Gelegenheit, die Nominierten und die Jury kennenzulernen und die Dankesrede des Preisträgers oder der Preisträgerin zu hören. Nominiert sind Jens Beckerts Buch „Verkaufte Zukunft – Warum der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern droht“ (Suhrkamp), Sebastian Conrads „Die Königin – Nofretetes globale Karriere“ (Propyläen), Roman Kösters „Müll – Ein schmutzige Geschichte der Menschheit“ (C. H. Beck), Christina Morinas „Tausend Aufbrüche – Die Deutschen und ihre Demokratie seit den 1980er Jahren“ (Siedler), Marcus Willascheks „Kant – Die Revolution des Denkens“ (C. H. Beck), Frauke Rostalskis „Die vulnerable Gesellschaft – Die neue Verletzlichkeit als Herausforderung der Freiheit“ (C. H. Beck), Ruth Hoffmanns „Das deutsche Alibi – Mythos ‚Stauffenberg-Attentat‘“ (Goldmann) und Moshe Zimmermanns „Niemals Frieden? Israel am Scheideweg“ (Propyläen). Ich bin gespannt –
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