EZB schließt weiter sinkende Zinsen aus
EZB schließt weiter sinkende Zinsen aus von Sven WeisenhausDie EZB hat am Ende ihrer zweitägigen Sitzung in der estnischen Hauptstadt Tallinn heute beschlossen, die Leitzinsen und das Volumen der Anleihenkäufe wie erwartet unverändert zu belassen. Doch eine wichtige Neuerung hat es gegeben. Denn in dem Statement zu den geldpolitischen Beschlüssen wurden Teile eines Satzes gestrichen. Genau darauf hatte ich in der Börse-Intern am Dienstag bereits hingewiesen, als ich schrieb, dass eine leichte Änderung der „forward guidance“ anstehen könnte. Leichte Änderung der „forward guidance“ Bislang hieß es in den Statements der EZB: „Der EZB-Rat geht weiterhin davon aus, dass die EZB-Leitzinsen für längere Zeit und weit über den Zeithorizont des Nettoerwerbs von Vermögenswerten hinaus auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden." Nun heißt es hingegen: „Der EZB-Rat geht davon aus, dass die EZB-Leitzinsen für längere Zeit und weit über den Zeithorizont des Nettoerwerbs von Vermögenswerten hinaus auf ihrem aktuellen Niveau bleiben werden.“ Gestrichen wurden also die drei Worte „oder einem niedrigeren“. Aber genau auf derartige kleine Änderungen achten die Märkte. Denn mit solchen Hinweisen bereiten die Notenbanken die Märkte auf zukünftige Maßnahmen vor. Dabei müssen sie im Hinblick auf mögliche Marktauswirkungen sehr behutsam vorgehen. Wir wissen nun also, dass die EZB die Zinsen nicht weiter senken wird. Indirekt sagen die Notenbanker damit, dass die Krise überstanden ist und sich die Wirtschaft derart gefestigt hat, dass stärkere stimulierende Maßnahmen auf absehbare Zeit nicht benötigt werden. Und letztlich hat die Notenbank damit den Weg freigemacht, um zukünftig das Tempo der Anleihenkäufe weiter zu drosseln. Bis Ende Dezember 2017 wird es wohl bei den derzeit monatlich 60 Mrd. Euro bleiben. Aber noch vor dem Jahreswechsel muss die EZB den Märkten mitteilen, was folgt. Eventuell wird also auf einer der nächsten Sitzungen (wahrscheinlich im September) eine Reduzierung auf zum Beispiel 40 Mrd. Euro ab Januar 2018 beschlossen. Wirtschaft wächst stärker als erwartet Eine weitere Reduzierung oder gar ein Ende der Käufe ist auch durchaus sinnvoll, schließlich war die Wirtschaft der Eurozone im ersten Quartal 2017 sogar stärker gewachsen als in den USA. Und heute wurden die Wachstumszahlen sogar noch nach oben angepasst. Statt wie in der ersten Schätzung gemeldet, wuchs die Wirtschaft nicht um 0,5 Prozent, sondern sogar um 0,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal. (Quelle: Eurostat) In der Pressekonferenz sagte EZB-Chef Mario Draghi daher auch, dass die Wachstumsrisiken inzwischen ausgeglichen und nicht mehr abwärtsgerichtet seien - eine weitere feine Änderung der „forward guidance“. Die aktuellen Daten würden auf solides und breites Wachstum hinweisen. Die Projektionen für das Wirtschaftswachstum wurden daher leicht nach oben angepasst (für 2017 von 1,8 % auf 1,9 %, für 2018 von 1,7 % auf 1,8 % und für 2019 von 1,6 % auf 1,7 %). Wachstumsprognosen angehoben, Inflationsprognosen gesenkt Allerdings bereitet weiterhin Sorge, dass sich die Inflation im Währungsraum nicht dem Notenbank-Ziel von knapp unter zwei Prozent nähert. Die Notenbank senkte ihre Inflationsprognosen (für 2017 von 1,7 % auf 1,5 %, für 2018 von 1,6 % auf 1,3 % und für 2019 von 1,7 % auf 1,6 %). Bedingt sei dies aber fast ausschließlich durch gesunkene Ölpreise. Die Inflations- bzw. Deflationsrisiken seien hingegen kaum noch vorhanden, sagte Draghi auf Nachfragen der Reporter auf der Pressekonferenz. Markterwartungen wurden getroffen Da auch die Märkte von dieser Änderung nicht überrascht wurden, blieben größere Kursreaktionen an den Börsen aus. Experten hatten schließlich im Vorfeld schon darauf hingewiesen, dass die EZB das überraschend starke Wirtschaftswachstum entsprechend würdigen müsse. Um aber der Angst vor einem schnelleren Ausstieg aus der ultra-lockeren Geldpolitik entgegen zu wirken, musste die EZB über die Senkung der Inflationsprognosen ein Gegensignal senden. Fazit Man kann die EZB-Sitzung damit zwar im Hinblick auf die feinen Änderungen als interessant bezeichnen, aber aus Marktsicht im Grunde sehr schnell abhaken. Und da es keine größeren Kursbewegungen gab, sind auch alle charttechnisch bislang genannten Marken unverändert gültig. Im DAX hat sich allerdings im sehr kurzfristigen Bereich etwas Interessantes getan. Zwar hatte die EZB keinen Einfluss auf den Kampf um die 12.705er Marke, es setzt sich jedoch die Tendenz von höheren Tiefs fort, die seit dem 26. Mai vorherrscht (siehe grüner Pfeil im Chart). Wenn also die jüngsten Tiefs bei 12.660 und 12.640 Zählern unterschritten werden, ist es sehr wahrscheinlich, dass der DAX in Richtung 12.530 Punkte läuft. Kommt es aber auf der Oberseite zu einem Sprung über 12.750 Punkte, dürfte damit ein neuer Anlauf auf das Allzeithoch starten. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage Ihr Sven Weisenhaus www.stockstreet.de
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