wie vor jeder Wahl wird auch vor der Europawahl gefordert, unbedingt wählen zu gehen. Es sei nichts Geringeres als eine Sünde gegenüber der Demokratie, dieses Recht nicht auszuüben. Andere hätten schließlich mit ihrem Leben dafür bezahlt, dass wir heute unser Kreuz machen können. Cicero-Autor Gideon Böss sieht das anders. Mal davon abgesehen, schreibt er, dass hohe Wahlbeteiligungen nicht automatisch den Extremisten schaden, steht auch eine verdrehte Erwartungshaltung hinter dieser Forderung. Böss fragt: Warum sollte der Souverän aus Prinzip irgendeiner Partei seine Stimme geben? Und ist es wirklich besser, die eine Partei zu wählen, die einen am wenigsten stark enttäuscht hat? Überdies schafft die Unterteilung von Politikern in „demokratische“ und „undemokratische“ zwei Klassen von Opfern, wenn es zu Gewalt kommt. Nicht erst der jüngste Messerangriff auf einen AfD-Politiker zeigt, wie unangemessen es ist, Gewalt gegen Politiker im Parteienstreit auszuschlachten, wie Cicero-Redakteur Ferdinand Knauß schreibt. Hierzulande geht Ideologie vor Pragmatismus. Die AfD ist selbst den übrigen rechten Parteien in Europa zu radikal, die Grünen sind auch durch Energiekrisen und geopolitische Erdrutsche nicht zu erschüttern. Und die Solidarität mit Israel wird „wertegeleiteter Außenpolitik“ geopfert. Dominik Pietzcker über ein Land ohne Maß und Mitte. Texte, die auf Cicero Online erscheinen, sind selbstverständlich immer lesenswert. Aber folgenden Text von Simon Akstinat möchte ich Ihnen besonders ans Herz legen, weil das Thema ebenso spannend wie zum Kopfschütteln ist. Es geht um den Papst, die Queen und indianische Gräber in Kanada, die nie gefunden wurden. Akstinat erzählt, wie eine der größten Fake News der westlichen Welt im deutschen Blätterwald unwidersprochen zur „Wahrheit“ werden konnte. Immer mittwochs erscheint seit kurzem eine Filmkritik von Ursula Kähler. Dieses Mal geht es um den neuesten Film von Regisseur Nicolaj Arce: „King’s Land“ ist ein packender skandinavischer Western. Mads Mikkelsen ist hier mal nicht als Bösewicht zu sehen. Mit Bravour gibt er den stoischen Außenseiter, sturen Kontrollfreak und romantischen Helden. Kählers Filmkritik lesen Sie hier. Blick ins Ausland: Taiwans neuer Präsident William Lai will die Sicherheit seiner existenziell bedrohten Inseldemokratie stärken, indem er deren weltweite ökonomische Verzahnung vorantreibt. Felix Lill hat ihn für unsere Juni-Ausgabe porträtiert. Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre. Bleiben Sie optimistisch. Ihr Ben Krischke, Leitung Cicero Digital |