die FTC-Klage gegen Amazon enthüllt neue Vorwürfe, die ein Bild von Amazon Strategien zeichnen, das ich als "Schatten-Flywheel" bezeichnen möchte. Eine Growth-Strategie, die auf den gesamten Markt abzielt und nicht nur eigenes Wachstum befördert, sondern auch das Wachstum anderer erheblich behindert haben könnte. Die Übersicht und meine Einschätzungen dazu finden Sie im Thema des Tages. Außerdem: Die Themen der Woche noch mal im Rückblick, falls Sie eines verpasst haben sollten, oder nur am Wochende Zeit für eine ausführliche Lektüre haben.
Ein klaglos entspannendes Wochenende wünscht
Ihr Jochen G. Fuchs | Ressortleiter E-Commerce INTERNET WORLD
Hat Amazon ein Schatten-Flywheel errichtet? Neue Details zur FTC-Klage gegen Amazon
Frisch enthüllte Details aus der Klage gegen Amazon, zeigen, dass die FTC Amazon im Wesentlichen vorwirft, mit verschiedenen Taktiken nicht nur das Geschäft auf der eigenen Plattform, sondern auch den Markt stark zu eigenen Gunsten zu beeinflussen. Die unterstellten Praktiken wirken, als hätte Amazon versucht, ein zweites Flywheel im Verborgenen zu installieren, eine Art "Schatten-Flywheel", kommentiert IW-Redakteur Jochen G. Fuchs. Konkret wirft die Handelsbehörde Amazon vor, eine monopolistische Strategie entworfen zu haben, die gezielt Wettbewerber im Wachstum behindern soll, berichtet die Seattle Times. Durch diese Strategie sei verhindert worden, dass der Wettbewerb skaliert und an Momentum gewinnt. So sei der Abstand des Wettbewerbs zu Amazon immer größer geworden.
Steuerung des Preisgefüges am Markt, zur Kontrolle des Wettbewerbs
Nessie, der Dynamic-Pricing-Algorithmus von Amazon, soll einige Jahre dauerhaft in Betrieb gewesen sein, um dann schließlich nur noch punktuell aktiv geschaltet worden zu sein. Zuletzt zeigt die Klageschrift eine Amazon-interne Anweisung von Januar 2022, Nessie wieder zu reaktivieren. (Fast alle Absätze, die sich auf Nessie bezogen, waren bisher weitestgehend geschwärzt) Neu bekannt geworden ist die Zahl von 1 Milliarde US-Dollar Umsatz, die der Algorithmus Amazon direkt und indirekt beschafft haben soll, in welche Zeitraum ist unklar, aber alleine 2018 soll Nessie für 334 Millionen US-Dollar Gewinn gesorgt haben. Dynamic-Pricing-Algorithmen sind in der Branche seit Langem bekannt und spezialisierte Anbieter vertreiben spezielle Software, die Onlinehändlern dabei helfen soll, automatisiert auf Preisänderungen der Wettbewerber zu reagieren. Ebenfalls neu ist die konkrete Anschuldigung, dass Amazon gezielt Preissenkungen von Wettbewerbern gefolgt sei, um zu verhindern, dass deren Werbeaktionen Effekte zeigen. So hätten die Werbeaktionen Amazons Wettbewerbern keine Neukunden gebracht, sondern nur Erträge deren bestehender KundInnen kannibalisiert. Sowohl diese Taktik, als auch die stetige Erhöhung von Händlergebühren hätte laut FTC zu höheren Preisen für EndkundInnen gesorgt. Eine weitere Taktik, die das Abwandern von Kunden zu Händler-eigenen Onlineshops und Plattformen verhindern sollte, war und ist laut FTC die Überwachung der Preisparität. Händler durften keine niedrigeren Preise anbieten, als auf dem Amazon Marktplatz. (Diese Praxis war 2013 Gegenstand einer Untersuchung des Bundeskartellamts in Deutschland, die eingestellt wurde, als Amazon die Praxis einstellte.) Bei einem Verstoß gegen die Regel verloren Händler die Buy Box, was gleichbedeutend mit dem Versinken in der Bedeutungslosigkeit auf der Amazon Plattform ist. Denn frisch enthüllte Zahlen aus der Klage zeigen, dass rund 98 Prozent der Verkäufe der Buy Box entstammen. Zusätzlich wurden Produkte tief in den Suchergebnissen versteckt, Preise schwer auffindbar gestaltet, selbst wenn es sich um den besten Preis auf der Plattform handelte.
Locked-In-Effekt mit Prime: Diesmal für Händler
Händler mit Produkten ohne die Prime-Badge, deren Bedeutung für den Absatz in der Branche wohlbekannt ist, seien im nahezu unsichtbaren Teil des Amazon Stores verschwunden, so die FTC. Ziel ist sei die Nutzung der Händlerservices, besonders der Amazon-Logistik-Dienste, um mehr Umsatz mit Händlern zu erwirtschaften. Seller-Fulfilled-Prime ermöglichte erstmalig Unabhängigkeit von diesen Diensten, und förderte stattdessen unabhängige Logistiker. Eine Unterbrechung des Flywheels. Was laut Klage einem Amazon-Manager mit der Bemerkung "Oh crap!" auffiel. Daraufhin sei der Dienst eingestellt worden. Amazon behauptet, der Dienst sei ursprünglich eingestellt worden, weil Händler die Erwartungen nicht erfüllen konnten. Ein Argument, das wie eine Schutzbehauptung klingt. Es gab seitens Amazon sorgfältig eingerichtete Mechanismen im Seller-Fullfiled-Prime-Programm, die die Leistungsfähigkeit der Händler überwachten, und es gab genügend öffentliche Beispiele für Händler, die diese Erwartungen erfüllen konnten. Es war dann klar erkennbar, dass Amazon angesichts der drohenden FTC-Klage das Seller-Fulfilled-Prime-Programm wiederbelebte, aber die Preispolitik des Dienstes so unattraktiv gestaltete, dass Händler doch lieber direkt bei Amazon Logistikdienstleistungen beziehen würden. Anscheinend war diese Taktik zu offensichtlich, weshalb Amazon die unattraktiven Preiszuschläge bei der Neuauflage des Programms wieder fallen ließ.
Werbeflut soll Amazon Suche unbenutzbar machen
Die FTC beschuldigt Amazon, mit Zitat eines Amazon-Managers, die Suchergebnisse konzentriert mit bezahlten Anzeigen überflutet zu haben, was es KundInnen unmöglich machen würde, sich überhaupt noch durch die Anzeigen zu wühlen. Der ehemalige CEO Jeff Bezos soll Amazon-Manager angewiesen haben, "mehr Müll" durchzulassen, weil Amazon an mehr Anzeigen mehr verdient. Diese Anschuldigung wirkt von außen ziemlich plausibel. Stichprobenartige Prüfungen der INTERNET WORLD zeigen, dass bei beliebigen Suchbegriffen die Amazon-Website "above the Fold" ausschließlich gesponsorte Angebote anzeigt. Dann folgen vier organische Produkte und anschließend zeilenweise überwiegend gesponsorte Produkte, bis endlich die organischen Produkte weit unten im Feed überwiegen. In der Stichprobe wurden 10 generische Suchbegriffe verwendet (Wischmopp, Küchenmesser, Vorhang, Knoblauchpresse, Spielzeugauto, Wet Bags, Kaffee, Tassen, Reifen, Stifte).
Kommunikation durch Nutzung des verschlüsselten Signal Messengers vernichtet?
Die FTC beschuldigt Amazon, trotz ausdrücklicher Anweisung den verschlüsselten Messenger Signal verwendet zu haben, und so Kommunikation über Jahre hinweg vernichtet zu haben. Amazon hingegen argumentiert, dass das Unternehmen freiwillig Chatverläufe von Mitarbeitern aus dem (angeblich privat genutzten) Signal Messenger zur Verfügung gestellt hat.
Fazit: Die US-Handelsbehörde FTC zeichnet das Bild eines zweiten Schatten-Flywheels um Amazons Monopolstellung zu dokumentieren
Die FTC gibt sich in der Klageschrift Mühe, die möglichen Auswirkungen von Amazon diverser Strategien auf den gesamten Markt gegenüber dem Gericht zu dokumentieren, um das Argument zu untermauern, dass Amazon eine Monopolstellung erreicht hat und diese Stellung missbraucht. Die Zielsetzung der Behörde ist dabei unklar, da die Klageschrift diesbezüglich vage formuliert ist. Offensichtlich ist, dass die FTC die dokumentierten Praktiken von Amazon unterbinden will, um Chancengleichheit am Markt herzustellen. Ob das eine Zerschlagung von Amazon beinhaltet, lässt die Klageschrift auch nach den jüngsten Enthüllungen offen.
B2B-Commerce - Trends, Prognosen und Erfolgsfaktoren Käufer sind zunehmend mobile-first und bewegen sich nahtlos zwischen Online- und Offlinekanälen. Unternehmen des B2B-Commerce benötigen die richtigen digitalen Tools, um diesen Anforderungen gerecht zu werden - nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft. weiterlesen
Ihr Kontakt zu uns Ebner Media Group GmbH & Co. KG, Büro München Postfach 20 15 52 • 80015 München Bayerstraße 16a • 80335 München Deutschland Telefon: +49 731 88005 - 8205, Telefax: +49 731 88005 - 5203 Geschäftsführer: Marco Parrillo Kommanditgesellschaft, Ulm, Registergericht Ulm, HRA 1900. Persönlich haftende Gesellschafterin: Ebner Ulm MGV GmbH, Ulm, Registergericht Ulm, HRB 576. USt-IdNr.: DE 147041097