Liebe/r Leser/in, früher war alles schlimmer. Natürlich. Aber es war auch einfacher. Irgendwie. Versetzen wir uns etwa für einen Augenblick ins armselig beleuchtete und beleumundete Mittelalter. Wir befinden uns in einem düsteren, vergitterten Raum, an dessen rohen Mauern Ketten und Haken hängen. Ich selbst hänge von der Decke herab. Kopfüber. Jemand sähe es gern, wenn ich meine Schuld bekennen würde. Dieser Jemand ist ein erfahrener Inquisitor. Seinem Wunsch weiß er eine gewisse Dringlichkeit zu verleihen, indem er mir als Gegenleistung für ein etwaiges Geständnis ein rasches und relativ schmerzloses Ende zusichert. Andernfalls kämen glühende Zangen zum Einsatz. Oder vielleicht die Eiserne Jungfrau. Ich glaube, nein, ich bin sicher, dass ich mich auf diesen Deal einlassen würde. Ich würde alles gestehen – und mir bliebe das Ärgste erspart. Ob ich tatsächlich schuldig bin? Das interessiert den Inquisitor nicht. Es zählt das Geständnis. So einfach wäre das. Und, ja, es wäre auch schlimm. Heute verläuft die Suche nach Schuld und Sühne weniger brachial. Der frühere Audi-Chef Rupert Stadler sieht sich als Angeklagter keiner Inquisition gegenüber. Lediglich das Münchner Landgericht würde gern von ihm die Wahrheit erfahren – ob er nämlich seinerzeit als Vorstandsvorsitzender des Unternehmens von den Abgas-Manipulationen an Dieselfahrzeugen gewusst habe. Stadler erklärte über Jahre, er habe von derlei Betrügereien nichts gewusst. Bliebe er bei seinen Unschuldsbeteuerungen, so würde ihm keinerlei physisches Ungemach drohen. Statt glühender Zangen und Eiserner Jungfrau greifen Staatsanwälte und Richter heute auf zivilisiertere, verfeinerte Werkzeuge zurück. Sie stellen Stadler vor die Wahl: Wenn er weiterhin seine Schuld abstreitet, so ließ ihn vor Kurzem der Richter wissen, werde er ihn zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilen. Wenn er dagegen ein Geständnis ablege, komme er mit einer Bewährungsstrafe davon. Die Haft bliebe ihm erspart. Stadler willigte in diesen Deal ein. Er wird jetzt ein vollumfängliches Geständnis ablegen. Man kann dieses Geständnis gut finden. Es spart dem Staat womöglich Zeit und Geld. Es verhilft zu einem raschen, gnädigen Urteil. Man kann dieses Geständnis auch anders bewerten. Es wird abgelegt aus Angst vor der Haft. Das Gericht benötigt es für ein Urteil nicht. Dass es Rupert Stadler schuldig sprechen wird, hat es bereits kundgetan. Der Angeklagte wird so oder so für seine Mitverantwortung im Dieselskandal bestraft. Mit Blick auf die Wahrheit ist das Geständnis ohne jeglichen Wert. Es verhilft Stadler zu einem Leben in Freiheit. Und es raubt ihm seine Glaubwürdigkeit. So einfach ist das. Und ja, es ist auch schlimm. Irgendwie. Mögen Ihnen Ihre Entscheidungen in dieser Woche leichtfallen. | | Herzlich grüßt Markus Krischer, stellvertretender Chefredakteur FOCUS Magazin |
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