Liebe/r Leser/in, angenommen, wir haben einen Fehler gemacht. Wir sehen das ein und bitten um Verzeihung. Das war’s. Was im privaten Umfeld so einfach wirkt (auch wenn es einem manchmal ziemlich schwerfällt), ist im politischen Raum eine höchst delikate und extrem gefährliche Angelegenheit: die Bitte um Entschuldigung. Wer öffentlich sein Versagen oder Scheitern eingesteht, kämpft bereits um das politische Überleben. Die vergangenen Tage zeigten uns, welche Tricks und Techniken der politischen Entschuldigung möglich sind. Von großer Bedeutung etwa ist das Einflechten kleiner, „entlastender“ Botschaften. So entschuldigte sich Manuela Schwesig, die Landesmutter von Mecklenburg-Vorpommern, dafür, dass sie über Jahre am Bau der Gas-Pipeline Nord Stream 2 festgehalten hatte. Dies sei, so gab sie sich zerknirscht, „aus heutiger Sicht“ ein Fehler gewesen. Ähnlich raffiniert formulierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, als er jüngst zugeben musste, dass seine Russlandpolitik gescheitert sei. Er habe eben „wie viele andere auch“ geglaubt, man könne Moskau in eine europäische Politik einbinden. Eine andere Technik der Entschuldigung wählte Karl Lauterbach. Seinen Rückzieher in Sachen Corona-Quarantäne verpackte er in einer verschraubte Twitter-Meldung: „Die Beendigung der Anordnung der Isolation nach Coronainfektion durch die Gesundheitsämter zugunsten von Freiwilligkeit wäre falsch und wird nicht kommen. Hier habe ich einen Fehler gemacht.“ Ja, wenn das so kompliziert ist, kann schon mal ein Fehler passieren, oder? Bewegt, ja erschüttert hat mich die Entschuldigung von Familienministerin Anne Spiegel, die sich als Umweltministerin in Rheinland-Pfalz wenige Tage nach der Flutkatastrophe im Ahrtal mit ihrer Familie für vier Wochen in den Urlaub verabschiedet hatte. Spiegel erklärte diesen „Fehler“ gestern auf einer Pressekonferenz mit ihrer beruflichen und privaten Überforderung. Sie berichtete von der Krankheit ihres Mannes, von ihren durch Corona belasteten vier Kindern und von ihrem persönlichen Drama als Politikerin, Mutter und Ehefrau. Sie gab sich der Öffentlichkeit vollkommen preis. Ein unheimlicher, verstörender Auftritt. Er zeigte eine Ministerin, die verzweifelt um Ansehen und Amt kämpfte. Und deren Entschuldigung im Grunde ein Hilferuf war. Vor wenigen Minuten ist Anne Spiegel von ihrem Amt als Ministerin zurückgetreten. Ich wünsche Ihnen eine besinnliche Karwoche, | mit vielen Grüßen Robert Schneider, Chefredakteur FOCUS-Magazin |
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