Sehr geehrte Damen und Herren, das war wohl die beste Rede, die Kanzler Scholz seit seinem Amtsantritt gehalten hat: klare Ansagen, wo die roten Linien für seine Regierung liegen, unmissverständliche Kritik am entlassenen Finanzminister und seinen Alleingängen, Benennung der jetzt zu lösenden Probleme. Das hat er frei, ohne Sprechzettel und ohne Schnörkel vorgetragen. Unabhängig davon, ob das nun die politische Linie ist, für die man sich begeistern kann: Hier steht ein Politiker zu seinem Auftrag. Und jetzt? Das Aus der Regierung ist der Ausdruck einer Krise und die Chance für einen Neubeginn. Einen grundsätzlichen Neubeginn. Bis dahin ist eine Minderheitsregierung keine Katastrophe. Sie kann eine Übung in Demokratie sein. Nur den Koalitionsvertrag abzuarbeiten, durchzuregieren, wird nicht mehr gehen. Jetzt heißt es für die bestehende Regierung, auf die anderen Fraktionen im Parlament zuzugehen. Sie wird sich Mehrheiten organisieren müssen. Für das Parlament kann das eine große Chance sein. Weniger Partei, mehr Demokratie. Nach dieser Phase einer Minderheitsregierung – oder schon währenddessen – geht es in den Wahlkampf. Und in den sollten die besten Ideen zur grundsätzlichen Erneuerung einfließen. Dabei darf es nicht nur um das Verhältnis der Parteien untereinander gehen, sondern auch um das der Politik zur Bevölkerung. Und hier werden wir gebraucht: Wir müssen jetzt unsere Vorschläge zur Erweiterung der Demokratie und zur Verbesserung politischer Prozesse einbringen. Ohne Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger wird die Politik kaum zu tragfähigen Lösungen kommen. Helfen Sie uns, das demokratische System zu erneuern. |