Ein Teil des hohen Gewinnwachstums ist reine Kosmetik
Ein Teil des hohen Gewinnwachstums ist reine Kosmetik von Sven WeisenhausWie in der gestrigen Börse-Intern zu lesen war, ist den Unternehmen aus dem S&P 500 ein „extrem hohes Gewinnwachstum“ gelungen. Es gibt allerdings Zweifel an der Qualität dieses Wachstums. So hat die Geldpolitik der Notenbanken nicht nur bei Staatsanleihen zu rekordniedrigen Zinsen geführt, sondern auch die Renditen von Unternehmensanleihen sind deutlich gesunken. Und da sich Unternehmen somit zu günstigeren Konditionen verschulden können, hat in den vergangenen Jahren die Emission von Unternehmensanleihen stark zugenommen. Und das den Unternehmen dadurch zufließende Geld wurde häufig nicht für das eigentliche Geschäft, sondern - zumindest in Teilen - für Rückkäufe eigener Aktien verwendet. Rekordhohe Aktienrückkäufe Laut der Bank of America (BofA) haben Aktienrückkäufe gerade einen neuen Rekord erreicht. Nach Angaben von Goldman Sachs haben alleine die Unternehmen in den USA vom Jahresbeginn bis zum 7. Mai Aktien in Höhe von 504 Milliarden US-Dollar zurückgekauft. Das ist das höchste Niveau seit mindestens 22 Jahren. Aktienrückkäufe führen zu einem höheren Gewinn je Aktie Da durch den Rückkauf eigener Aktien die Anzahl der Aktien verringert wird, steigt das Ergebnis je Aktie schon allein aufgrund dieser „kosmetischen“ Maßnahmen. Selbst Unternehmen, die im operativen Geschäft keine steigenden Gewinne erwirtschaften konnten, stehen durch die Reduzierung der Aktienanzahl nun beim Gewinn je Aktie besser da, weil sich der Gewinn auf weniger Anteile verteilt. Allerdings stehen sie nun auch mit einer deutlich höheren Verschuldung da. Rückkäufe eigener Aktien sind nicht in jedem Fall negativ zu werten. Im Gegenteil: Es kann gute Gründe für den Rückkauf eigener Aktien geben. Wenn die Aktien zum Beispiel an der Börse deutlich zu niedrig gehandelt werden und hohe Dividendenrenditen abwerfen, kann es für ein Unternehmen lohnenswert sein, eigene Aktien zurückzukaufen. Unabhängig davon können Aktien auch als Zahlungsmittel bei Übernahmen verwendet werden. Gute Schulden, schlechte Schulden Aber die folgende Grafik zeigt eine zunehmende Divergenz zwischen Schulden und Gewinnen. Und diese Divergenz bedeutet, dass die Schulden für unproduktive Zwecke verwendet wurden. Denn ansonsten wären die Gewinne im gleichen Maße wie die Schuldenkurve gestiegen, oder sogar stärker. (Quelle: realinvestmentadvice.com) Zugleich steht der Anstieg der Unternehmensgewinne (gestrichelte Linie im folgenden Chart) in keinem sinnvollen Verhältnis zum Kursanstieg des S&P 500 (blau). Denn die aktuell gemeldeten Unternehmensgewinne sind nur geringfügig höher als im Jahr 2011. Derweil hat der S&P 500 in diesem Zeitraum von etwa 1.200 auf über 4.100 Punkte zugelegt – ein Anstieg um mehr als 240 %. Zunehmende Inflation und steigende Zinsen erhöhen Kosten Dieses Kartenhaus könnte aufgrund von aktuellen Entwicklungen in Sachen Zinsen und Inflation langsam in sich zusammenfallen. Denn steigende Zinsen führen zu einer höheren Belastung beim Schuldendienst. Die höhere Verschuldung, die für unproduktive Zwecke aufgenommen wurde, könnte den Unternehmen also auf die Füße fallen. Zumal die zunehmende Inflation, die jüngst auch durch steigende Rohstoff- und somit Einkaufspreise getrieben wurde, die Rentabilität der Unternehmen zusätzlich belastet, wenn die gestiegenen Preise nicht oder nicht in voller Höhe an die Verbraucher weitergereicht werden können. Diese Faktoren können die Unternehmensgewinne belasten, und somit auch die Aktienkurse. Eine Vielzahl an Unternehmen beklagt bereits Inflation Dass das Risiko der Inflation für die Unternehmen sehr real ist, zeigt eine Auswertung von FactSet. Demnach haben ganze 175 Unternehmen aus dem S&P 500 bei Vorlage ihrer Geschäftszahlen im Rahmen der aktuellen Berichtssaison Inflation als ein mögliches Risiko benannt. Dies ist der höchste Wert seit mindestens 11 Jahren. Und dabei haben sich noch nicht einmal alle Unternehmen zu Wort gemeldet, weil noch fast 10 % der Unternehmen ihre Bilanzen erst noch vorlegen werden. Höhere Kursgewinne durch Aktienrückkäufe Wie sehr Aktienrückkäufe den Aktienkursen geholfen haben, zeigt folgender Vergleich: Laut einem Artikel des Wall Street Journal ist der „S&P 500 Buyback Index“ seit Jahresbeginn um 21 % gestiegen. Er übertrifft damit den S&P 500 um rund 10 Prozentpunkte. Fragt sich nur, wie lange diese schuldengetriebene Entwicklung noch anhält. Gesund ist sie mit Blick auf die Diskrepanz zwischen Gewinnen und Schulden (siehe Grafik oben) jedenfalls nicht. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg an der Börse Ihr Sven Weisenhaus www.stockstreet.de
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