Wir stehen an Eurer Seite – auch im nächsten Jahr ... ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏ ͏
Ein Brief an Euch, die Grenzen überwinden
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Erneut neigt sich ein Jahr dem Ende zu. In diesen Tagen tendieren wir dazu, auf uns selbst zu blicken: Was haben wir erreicht? Wie oft waren wir im Einsatz, wie viele Menschen konnten wir retten, wie viele Stunden waren wir in der Luft? Wie viele Spenden haben wir eingenommen? Es gibt gute Gründe, diese Zahlen zu sammeln. Sie helfen uns, Rechenschaft abzulegen – für das Vertrauen und die Unterstützung, die uns entgegengebracht werden. Sie zeigen auch, dass die politisch geschaffene Katastrophe an den Außengrenzen Europas noch lange nicht vorbei ist. Doch Zahlen haben ihre Grenzen. Sie anonymisieren, entmenschlichen, lassen Geschichten hinter Statistiken verschwinden. Viele von uns werden niemals begreifen, was es heißt, zu fliehen. Was es wirklich bedeutet, Angst um die eigene Sicherheit oder die der Liebsten zu haben. Ihr, die ihr das erleben müsst, seid Menschen von unermesslicher Tapferkeit. Ihr, die Grenzen überwindet, den Mut aufbringt, alles Vertraute hinter Euch zu lassen, lebensgefährliche Wege wagt – trotz der Gewissheit, dass Gewalt, Gefangenschaft oder der Tod drohen. Auf unseren Rettungsschiffen begegnen wir vielen von Euch. Wir begleiten Euch für einen kurzen Moment auf Eurer Flucht, teilen ein Stück Eures Weges. Während der Kontakt zu einigen bleibt, sind die meisten Begegnungen nur Erinnerungen – doch diese bleiben für immer. |
| Junior, Du warst erst sechs Jahre alt, als Du in Libyen von Deiner Familie getrennt wurdest. Deine Mutter und Schwester waren gezwungen, ihre gefährliche Reise fortzusetzen und erreichten Europa. Ein halbes Jahr lang warst Du auf Dich allein gestellt, bis die Crew unserer Sea-Watch 3 Dich am 17. Juni 2020 rettete. In Italien konnte Deine Mutter Dich endlich wieder in die Arme schließen. Souleman, am 23. August 2020 hast Du es gemeinsam mit Deiner Frau und Deinem Sohn auf unser Rettungsschiff geschafft. Noch in der ersten Nacht an Bord batst Du um Stift und Papier, um einen Brief an Europa zu schreiben. Darin hast Du von den Höllenlagern Libyens berichtet, von Folter und Zwangsarbeit, die Ihr überleben musstet. Du hast gefordert, dass Black Lives Matter überall gelten muss – im Mittelmeer, in Libyen und in Europa. Wenige Tage später gingt Ihr in Sizilien an Land. Wir hoffen, dass es Euch heute gut geht. Rahman, im März dieses Jahres fanden wir Dich im völlig überfüllten Unterdeck eines Holzbootes. Du warst bereits bewusstlos, vergiftet von den tödlichen Treibstoffgasen, als wir Dich an Bord der Sea-Watch 5 brachten. Stundenlang kämpften unsere Ärzt:innen um Dein Überleben. Du hast es nicht geschafft. Du warst noch nicht einmal 20 Jahre alt. Sara, 2015 bist Du mit Deiner kleinen Schwester aus Syrien geflohen. Ihr habt Euer sinkendes Boot schwimmend und mit eigener Kraft an die griechische Küste gezogen. Dafür wurdest Du angeklagt – weil Du Dich selbst und die anderen Menschen an Bord gerettet hast. 2021 hast Du Dich unserer Crew auf der Sea-Watch 4 angeschlossen. Mit unerschütterlichem Mut bist Du aufs Mittelmeer zurückgekehrt, um anderen zu helfen. Aliou*, am 21. November 2021 wurdest Du an Bord eines wackeligen Holzbootes geboren. Du hattest Glück: 15 Stunden später fanden Du und Deine Mutter nach einer herausfordernden Rettungsaktion auf unserer Sea-Watch 4 Sicherheit. Du bist nicht das erste Kind, das auf den Wellen des Mittelmeeres zur Welt kam. Wir denken auch heute noch oft an Euch. Es gibt so viele weitere Geschichten von Euch – Geschichten, die Grenzen überwinden. Grenzen, die geschaffen wurden, um zu trennen und zu unterdrücken. Doch trotz allem tragt Ihr so viel Resilienz, Stärke und Hoffnung in Euch. Euer Mut zeigt uns, was es bedeutet, für Sicherheit zu kämpfen, die Liebsten zu schützen und Euer Recht auf Freiheit einzufordern. Wir stehen an Eurer Seite – auch im nächsten Jahr. Im Kampf für sichere Fluchtwege, für das Recht auf Bewegungsfreiheit und für eine Welt, in der die Würde aller Menschen geachtet wird. In Solidarität Eure Sea-Watch-Crew |
| Foto: Rebecca Ruetten * „Aliou“ ist ein von uns gewählter Name, da uns der echte Name des Babys nicht bekannt ist. |
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Sea-Watch e.V. – Zivile Seenotrettung von flüchtenden Menschen |
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