Drei Fragen, drei Antworten, drei Lehren für Ihren langfristigen Erfolg an der Börse Ein kurzes Update zum großen Juni-Verfallstag
Drei Fragen, drei Antworten, drei Lehren für Ihren langfristigen Erfolg an der Börse von Torsten EwertSehr verehrte Leserinnen und Leser, in der vergangenen Woche erhielt ich drei Leserfragen, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. In der ersten Frage ging es um Bitcoin, in der zweiten darum, wann ein günstiger Einstiegszeitpunkt ist (oder nicht) und in der dritten um die Performance einiger Musterdepotwerte meines Geldanlage-Briefs. Aber eigentlich drehten sie sich alle um ein Thema: Wie wird man langfristig an der Börse erfolgreich und was ist dabei förderlich, was hinderlich? Ist Bitcoin was für Langfristanleger? Die erste Frage lautete: „Sollte man als Langfristanleger schon in Bitcoin investieren oder ist das noch zu spekulativ?“ Meine Antwort: Nein, eine Investition in Bitcoin ist nicht notwendig und vermutlich auch nicht sinnvoll. Ich weiß, dass viele das anders sehen. Und ich habe vor einiger Zeit auch gelesen, dass selbst geachtete Vermögensverwalter durchaus eine Investition in Bitcoin empfehlen, z.B. mit einem Depotanteil von ca. 5 %. Und mir ist klar, dass einige Leute mit geringstem Einsatz durch Bitcoin ein so großes Vermögen erworben haben, wie es viele andere mit klassischen Investitionen in Aktien und Co. niemals schaffen werden. Doch Letzteres sind Ausnahmen, vieles davon sogar Zufall. Doch wenn wir diesen Maßstab anlegen, dann könnte ich Ihnen auch empfehlen Lotto zu spielen – dabei gibt es auch stets einige, die mit geringstem Einsatz Millionensummen gewinnen. Geldanlage mit Geling-Garantie Ich rede hier jedoch über die langfristige Geldanlage mit „Geling-Garantie“. Die Rezepte dafür sind seit Jahrzehnten bekannt und ähnlich simpel wie bei Dr. Oetker: Man nehme ... Und zwar Aktien, Anleihen und nur wenig anderes – wenn überhaupt. Oder wie es ein mir bekannter Fondsmanager ausdrückt: Aktien müssen, Anleihen können, Immobilien und Gold brauchen nicht sein. Letzteres gilt auch für viele andere Anlageklassen, die mitunter genannt werden, z.B. Rohstoffe. Bitcoin und andere Kryptowährungen – sofern diese überhaupt schon eine eigene Anlageklasse sind – gehören also ebenfalls in die Kategorie „braucht man nicht“. Ein bisschen wie Lottospielen Gut, man kann Kryptowährungen mit wenigen Prozent dem Depot „beimischen“, aber ein solcher Mini-Anteil kann doch nur einen Sinn haben: Entweder man hofft darauf, dass der bisherige Preisanstieg weitergeht und damit dieser kleine Anteil zu einem großen wird. Oder man sieht Bitcoin und Co. tatsächlich als Wertsicherung à la Gold an. Das ist allerdings Ansichtssache und vor allem für Menschen geeignet, die tatsächlich jede Chance wahrnehmen wollen. Dann sollten Sie aber auch Lotto spielen, denn wie es ein Kollege mal formulierte: Wenn du spielst, hast du eine Chance, wenn nicht, kannst du auch nicht gewinnen. Auf Bitcoin übertragen bedeutet das jedoch auch, dass man wie beim Lotto damit rechnen muss, dass der Einsatz schlimmstenfalls weg ist, wenn Kryptowährungen langfristig doch nicht so sicher sind, wie ihre Protagonisten uns suggerieren. Die 1. Lehre für unseren langfristigen Börsenerfolg Welche Lehren können wir also daraus für unser Thema (langfristiger Erfolg an der Börse) ziehen? Konzentriere dich auf wenige, bewährte Vermögensklassen die nachweislich den höchsten langfristigen Ertrag bieten und verringere nach Möglichkeit das Risiko größerer Verluste. Die langfristig ertragreichste Anlageklasse sind bekanntlich Aktien. Sie sind daher zwingend in jedem Depot. Mit Anleihen im Depot reduziert man die Schwankungsbreite, die durch die unvermeidlichen Kursschwankungen am Aktienmarkt entstehen. Je nach Risikobereitschaft und Lebenssituation kann man also einen gewissen Anteil an Anleihen ins Depot nehmen. Der Rest ist eher „Verzierung“. Bitcoin und Co. und die FOMO-Angst Übrigens erhalte ich zum Thema Bitcoin viel häufiger Zuschriften, in denen die Leser wissen wollen, ob Kryptowährungen weiterhin solche exorbitanten Kurssteigerungen haben werden oder wo sonst bald ein ähnlicher Trend zu erwarten ist. Solche Fragen offenbaren die Angst vieler Anleger, etwas zu verpassen. Da stößt man auf eine Aktie, die sich innerhalb kürzester Zeit vervielfacht hat - und ärgert sich, dass man nicht eher darauf gestoßen ist. Oder dass man nicht einen der vielen Rücksetzer (nach denen es erneut steil nach oben ging) zum nachträglichen Einstieg genutzt hat. Diese Gefühle dürften viele beim Blick auf die Kursentwicklung von Bitcoin, Wasserstoff-Aktien, Tesla, Apple und etlichen anderen Anlagen haben. Doch das ist FOMO – englisch für Fear Of Missing Out, die (destruktive) Angst etwas zu verpassen. Das führt dazu, dass man hin und her springt in seiner Anlagestrategie, zweifelhaften Tipps folgt und versucht, jeden angesagten Trend zu erwischen. Gibt es auch eine konstruktive FOMO-Angst Meist kommt man dabei zu spät, denn Otto Normalanleger wird erst dann etwas von neuen Trends mitbekommen, wenn diese schon fast vorbei sind. Außerdem macht Hin und Her bekanntlich die Taschen leer. André Kostolany nannte solche Leute daher auch geringschätzig „Hausse-Trottel“. Es gibt aber auch eine sehr konstruktive FOMO-Angst. Das heißt, nein – eigentlich gibt es sie nicht, denn sie ist so wenig verbreitet, dass ich bisher noch niemanden getroffen habe, der darunter leidet. Darum geht es in der zweiten Frage. Jetzt noch groß in den Aktienmarkt einsteigen? Diese zweite Frage lautete: „Soll man jetzt noch eine größere Geldsumme im Aktienmarkt anlegen, obwohl womöglich in den kommenden Wochen oder Monaten ein Hoch an den Aktienmärkten zu erwarten ist?“ Meine Antwort: Ja, denn Sie müssen fürchten, dass die Märkte weiter steigen! Wie passt das zusammen? Gerade noch habe ich argumentiert, dass man nicht jedem Trend hinterherlaufen und blind darauf vertrauen soll, dass ein Kursanstieg weitergeht. Und jetzt sage ich, dass es egal ist, ob man sein Geld ohne Überlegung an einem möglichen Kurshoch in die Aktienmärkte wirft oder es gezielt investiert, wenn die Kurse durch eine Panik nach unten geprügelt werden. Nun, dann frage ich Sie: Wann haben Sie das letzte Mal in einem Crash oder einer Baisse einen Großteil Ihres Vermögens investiert – im Corona-Crash, in der Finanzkrise, 2003 oder nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001? Sehen Sie… Warum Sie stets sofort investieren sollten Abgesehen davon, dass viele Anleger bei solchen Rückschlägen auch kein Kapital haben, um zu investieren (weil es noch in Aktien steckt, die scheinbar hoffnungslos eingebrochen sind), sind nur die allerwenigsten Investoren mental in der Lage, genau dann ihr Geld anzulegen, wenn alle anderen aus Aktien fliehen. Und deshalb sollten Sie Ihr Geld einfach dann anlegen, wenn Sie es haben. Genauso lautete auch der Ratschlag von Sir John Tempelton, dem legendären Gründer der gleichnamigen renommierten Fondsgesellschaft. Nun weiß ich selbst, wie schwer es ist zu investieren, wenn man damit rechnet, dass die Kurse fallen könnten. Doch ganz ehrlich: Wann können wir denn nicht damit rechnen? Es gibt also keine Gewähr, dass zu irgendeinem Zeitpunkt ein Tief erreicht ist, von dem aus die Kurse auf absehbare Zeit nur steigen. Der Ausweg aus dem Dilemma, der keiner ist Was machen wir in diesem Dilemma? Wir helfen uns damit, schrittweise einzusteigen. Aus psychologischer Sicht ist das völlig verständlich - für unser Ziel, unser Vermögen bestmöglich zu vermehren, ist es jedoch kontraproduktiv. Die Statistik ist da eindeutig: Anleger, die seit 1926 zu einem beliebigen Zeitpunkt einmalig eine bestimmte Summe in den Aktienmarkt investiert haben, erzielten damit in ca. 73 % der Fälle eine durchschnittlich mehr als 11 % höhere Rendite als Anleger, welche die gleiche Summe über 36 Monate gestreckt haben (z.B. per monatlichem Sparplan). Aber was ist, wenn man tatsächlich genau am Hoch investiert? Dann muss man eben warten, bis die Kurse sich wieder erholt haben. Das ist weniger zynisch, als es scheint, denn in der Historie z.B. des Dow Jones seit 1900 gab es nur 8 Fälle, in denen diese Erholung länger als zwei Jahre dauerte. Und da man bekanntlich am Aktienmarkt mindestens mit einem Zeithorizont von fünf Jahren investieren soll, hat man also theoretisch weitere drei Jahre, um Geld zu verdienen. Und meist steigen die Kurse nach Crash oder Baisse besonders stark… Die 2. Lehre für unseren langfristigen Börsenerfolg Übrigens gab es genau 3 Fälle, in denen die Erholung der Aktienmärkte länger als fünf Jahre dauerte. Die Wahrscheinlichkeit einer ausgeprägten Baisse ist also sehr gering. Es wäre daher dumm, sich deswegen der Chancen zu berauben, die der Aktienmarkt sonst bietet. Statt zu fürchten am Hoch zu kaufen, sollten Anleger vielmehr Angst haben, den weiteren Anstieg des Gesamtmarkts zu verpassen. Diese FOMO-Angst wäre konstruktiv, aber wie gesagt, bisher ist sie mir noch nicht begegnet. Die Lehre aus dieser zweiten Frage, um langfristig an der Börse erfolgreich zu sein, ist also, auch größere Summen sofort zu investieren – selbst auf die Gefahr hin, dabei ein Allzeithoch zu erwischen, das längere Zeit nicht wieder erreicht wird. (Weil wir uns bei der Aktienanlage auch wohlfühlen wollen, ist es in der Praxis durchaus sinnvoll, größere Summen in einige wenige Teilpositionen zu splitten. Mehr als 3 bis 5 sollten es aber nicht sein.) Eine verblüffende Begründung Die dritte Frage war ursprünglich gar keine Frage, sondern die Begründung eines Lesers, die er uns angab, warum er sein Probe-Abo meines Geldanlage-Briefs nicht verlängerte. Er schrieb: „In Ihrem Musterdepot sind viele Aktien schon sehr stark gestiegen. Ich denke, dass ich mit diesen Werten nichts mehr erreiche, wenn ich sie erst jetzt kaufe.“ Diese Antwort hat mich verblüfft. Aber die Frage, die dahintersteht ist berechtigt. Sie lautet: „Soll ich in Aktien einsteigen, die schon sehr stark gestiegen sind?“ Meine Antwort: Ja – wenn Sie sie heute für kaufenswert halten. Die Betonung liegt auf „heute“. Jeder Anleger kann eine Entscheidung zum Kauf oder Verkauf nur auf Basis der aktuellen Informationen treffen. Wir können uns nicht einfach eine E.ON- oder RWE-Aktie ins Depot legen, nur weil diese vor 30 und mehr Jahren mal als Witwen- und Waisen-Aktien galten. Das ist längst nicht mehr so. Und wir alle hatten keine Chance, eine Coca Cola zu kaufen, als sie kurz nach ihrer erstmaligen Börsennotiz noch „billig“ war. Die meisten von uns hatten diese Chance auch nicht bei Microsoft, Apple oder SAP. Aber das ist noch lange kein Grund, diese Aktien links liegen zu lassen. Schließlich sind die meisten Aktien schon stark gestiegen, wenn sie ein paar Jahre an der Börse notiert sind. Denkt man die Argumentation des Lesers zu Ende, dann dürfte man keine Aktien kaufen, die gestiegen sind, sondern nur die Rohrkrepierer der Börse. An der Börse wird Zukunft gehandelt – blicken Sie also nicht zurück! Das wäre natürlich Unsinn, und so meinte es der Leser wohl auch nicht. Sein Problem war eher psychologischer Natur. Im Musterdepot des Geldanlage-Briefs stehen diese Zahlen einfach schwarz auf weiß, weil genau das in einem Musterdepot so gewünscht ist. Und weil es beim Geldanlage-Brief um die langfristige Anlage geht, bleiben Aktien, für die es keinen Verkaufsgrund gibt, auch jahrelang im Depot. Und dann stehen dort schon mal gut dreistellige Zahlen – schließlich gibt es den Geldanlage-Brief inzwischen schon seit mehr als 12 Jahren! Doch die Zahlen der Vergangenheit sind keine Richtschnur für die Zukunft (wie unter jedem seriösen Finanzprospekt steht). An der Börse wird aber die Zukunft gehandelt, und daher sollten Sie sich stets daran orientieren, was Sie oder die anderen Anleger von einer Aktie, einem Markt, einer Branche in Zukunft erwarten. Die 3. Lehre für unseren langfristigen Börsenerfolg Übertragen auf den Geldanlage-Brief heißt das: Wenn diese Aktien noch im Depot sind, dann halte ich sie weiterhin für aussichtsreich (was sich theoretisch nächste Woche, nächsten Monat, … ändern kann). Und die Lehre für unseren langfristigen Erfolg an der Börse aus dieser Frage lautet: Orientiere dich nie an den Zahlen der Vergangenheit, um Investitionsentscheidungen zu treffen. Das einzige, das zählt, sind die Zukunftsaussichten. Diese sind zwar unsicher, aber mindestens genauso unsicher ist, ob vergangene Erfolge auch weiterhin Bestand haben. Wenn Sie diese 3 Lehren beherzigen, dann haben Sie schon ein paar wichtige Schritte auf dem Weg zu Ihrem langfristigen Börsenerfolg getan! Mit besten Grüßen Ihr Torsten Ewert
Ein kurzes Update zum großen Juni-Verfallstag von Torsten EwertZum Abschluss ein kurzes Update zum großen Juni-Verfallstag am Freitag dieser Woche. An der Konstellation nach dem Verfallstagsdiagramm hat sich nichts Wesentliches geändert: Die auffälligste Änderung ist, dass die sehr große Call-Position (blaue Balken) bei 16.000 Punkten deutlich reduziert wurde. Sie ist jetzt nur noch mit minimalem Abstand die größte. Dies ändert aber nichts an der grundsätzlichen Wirkung, die von dieser Konstellation ausgeht: (Weiter) steigende Kurse führen zu erhöhtem Absicherungsbedarf bei den Stillhalter, was die Kurse weiter treibt. Fallende Kurse böten den Stillhaltern hingegen Gelegenheit, Absicherungen abzubauen bzw. zu reduzieren, was die Kurse entsprechend drückt. Eine neue Marke auf dem Weg nach unten Dabei ist zu beachten, dass die große Put-Position (rote Balken) bei 15.500 Punkten etwa halbiert wurde, während eine neue große Put-Position bei 15.650 hinzugekommen ist. Letztere ist nun die neue neuralgische Marke im aktuellen Kursbereich. Ein DAX-Stand unterhalb dieses Niveaus könnte einen kurzfristigen Abwärtsschub durch eine Absicherung auslösen. Per Saldo ist der DAX zunächst weiter gestiegen, aber eine größere Dynamik ist nicht aufgekommen. Der Druck durch die Bullen war also moderat, so dass die Stillhalter gemessen reagieren konnten. Aufschlussreiche Kursbewegungen Aufschlussreich sind die jüngsten Kursbewegungen dennoch: So gingen die Kurse in der vergangenen Woche tatsächlich genau bis zur 15.500er Marke zurück; exakt bis 15.505,15 Punkte; siehe grüner Pfeil). Durch diesen Rückgang wurde nicht nur die schwarz gestrichelte Aufwärtslinie bestätigt, die ich schon in der Vorwoche als signifikant nannte, sondern es spannte sich auch ein neuer Aufwärtstrendkanal auf (blau schattiert), der die obere Linie der möglichen „Trompete“ (rote Linien) als Oberkante nutzte. Allerdings erreichte der Kurs inzwischen zum zweiten Mal nicht die obere rote Linie (siehe rote Pfeile 2 und 3), wobei der Abstand immer größer wird. Das Aufwärtsmomentum im DAX nimmt damit ab, was den Stillhaltern zugutekommt. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit stärkerer Kursbewegungen – was schlecht für Trader, aber gut für alle anderen Anleger sein dürfte. Achtung, Donnerstags-Hektik! Hektisch könnte es ab Donnerstag werden, wenn der DAX die Ergebnisse der Fed-Sitzung einpreist (sofern diese einen nachhaltigen Effekt haben). Da die Entscheidung erst am Mittwoch nach Börsenschluss bekanntgegeben wird, kann nur der Futurehandel unmittelbar darauf reagieren, der „richtige“ DAX erst ab Donnerstag. Am Donnerstag verfallen auch viele Optionsscheine und Zertifikate (stets einen Tag vor dem Verfallstag), die im DAX wesentlicher Treiber für die großen Call- und Put-Positionen der Stillhalter (Banken) sind. Wenn also die Fed-Sitzung die DAX-Kurse über oder unter neuralgische Marken drückt, sind kurzfristige dynamische Kursbewegungen möglich. Darüber hinaus hat das in der Vorwoche Gesagte weiterhin Gültigkeit.
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