"Ich bin evangelisch und katholisch …"Nach einer ganzen Lutherdekade geht nun auch das Reformationsjubiläumsjahr in die letzte Runde. Man hat das Gefühl, dass dem guten alten Luther auf den letzten Metern endgültig die Puste ausgeht. Vielleicht ist es zu früh für eine abschließende Bewertung, aber zurückschauen darf man so kurz vor dem Ende:
Die neue Lutherbibel, unzählige verkaufte Playmobil-Luther, eine Ausstellung nach der anderen, sogar ganze Lutherfestspiele, gekrönt mit einem Jubiläumskirchentag. Das Land der Reformation feierte mit beeindruckenden Gedenkgottesdiensten und reich an Erinnerungen. Aber das Beste kommt zum Schluss: Ein zusätzlicher freier (Reformations-)Tag für alle!
Doch was bleibt am Ende? Die neue Bibel verstaubt im Regal und der Playmobil-Luther hat ausgespielt. Die Kirchenoberen loben eine neue Gesprächskultur und den Fortschritt bei der "versöhnten Verschiedenheit". Die breite Masse dürfte davon bisher wenig mitbekommen haben.
Nach 500 Jahren schmerzhafter Trennung ist man vom Auftrag des Herrn – "Alle sollen eins sein" – aber leider noch weit entfernt. "Ein Herz und eine Seele?" Das erscheint immer noch als kaum erreichbares Ziel. In einer modernen, durchdigitalisierten Welt, die nach Werten und Orientierung sucht und die ein gemeinsames Glaubenszeugnis der Christen so gut gebrauchen könnte, ist man sich selbst in den beiden getrennten Kirchen völlig uneins darüber, wie es weiter gehen soll. So ist für die einen der gemeinsame Gang zum Tisch des Herrn längst überfällig. Die anderen befürchten dagegen den Glaubensabfall von der reinen Lehre. Wie will man da das Ziel der Einheit erreichen, wenn schon die eigenen kirchlichen Reihen – auf beiden Seiten – so zerrissen sind?
Nach den vielen klugen Worten von Bischöfen und Professoren stammen die für mich schönsten zum Thema von einem elfjährigen Mädchen. Die Enkelin einer Freundin antwortete der Religionslehrerin auf die Frage nach ihrer Konfession: "Ich bin evangelisch wie mein Vater und katholisch wie meine Mutter und Oma. Außerdem glauben wir sowieso an den gleichen Gott!"
Kindesmund tut Wahrheit kund. Dieser Wahrheit muss man nichts hinzufügen. Vielleicht nur den Wunsch, der Herr selbst möge allen Christen Beine machen, dass sie fortan ein glaubwürdiges gemeinsames Zeugnis ihrer Einheit im Glauben abgeben und leben.
In dieser Sehnsucht und Hoffnung grüßt Sie herzlich für das ganze domradio.de-Team
Ihr
Ingo Brüggenjürgen,
Chefredakteur
P.S.: Klar, unser Sender ist in Trägerschaft des Katholischen Bildungswerkes der Erzdiözese Köln. "Wer zahlt, bestimmt", sodass in unserem Haus die übergroße Zahl der katholischen Mitarbeiter unüberhörbar ist. Trotzdem möchte keiner von uns auf die wenigen, wertvollen Kolleginnen und Kollegen verzichten, die in der "falschen" Kirche getauft wurden. In guter Einheit im Glauben bemühen wir uns gemeinsam um den "guten Draht nach oben!"