In Phasen höherer Inflation und steigender Zinsen schlagen sich Dividenden-Strategien überdurchschnittlich gut, solange die Anleger sich nicht selbst ins Knie schießen. Denn wer nicht ruhig seine Aktien im Depot liegen lassen kann, sondern ständig tradet, der reduziert sein Jahresergebnis gewöhnlich noch einmal erheblich. Ketzerisch gesagt sind nämlich tote Anleger die besten Anleger. Nicht weil sie tot sind, sondern weil sie ihre Aktien einfach liegen lassen. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Citibank, die vor einigen Jahren mal in einer ihrer Auslandstöchter eine Reihe von „verschollenen“ Aktien-Depots von Weltkriegs-Flüchtlingen gefunden hat. Und diese unbeachteten und unangetasteten Depots wiesen deutlich bessere Renditen auf als die der normalen Kunden, die eben auch zu häufigerem Umschichten neigen. „Tausende von Menschen haben es versucht, und die Beweise sind eindeutig: Je mehr man tradet, desto weniger Rendite erzielt man.“ – Benjamin Graham – Benjamin Graham – viele haben schon von ihm gehört, vor allem, weil Warren Buffett ihn so schätzt und häufig erwähnt, aber nur wenige haben Grahams Bücher gelesen. Benjamin Graham wurde am 9. Mai 1894 in London als Benjamin Grossbaum geboren und starb am 21. September 1976. Er war ein einflussreicher US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und legendärer Investor. Er gilt als Urvater der fundamentalen Wertpapier-Analyse, der Basis für das Value-Investing. Zwischen 1928 und 1957 lehrte Graham an der Columbia University, wo auch Warren Buffett zu seinen Schülern gehörte. 1934 veröffentlichte Graham gemeinsam mit David Dodd das Buch „Security Analysis", das noch heute als Bibel für Value-Investoren gilt. 1949 erschien die Erstausgabe von "The Intelligent Investor", einer etwas populärwissenschaftlicheren Version von "Security Analysis". Graham, der auch "Dekan der Wall Street" genannt wurde, vertrat die Lehre, dass eine Aktie nur deutlich unterhalb ihres fundamentalen Wertes gekauft werden sollte. Um den Wert einer Aktie bestimmen zu können, setzte Graham auf die fundamentale Wertpapier-Analyse und auf die Verwendung von Bewertungskennzahlen wie Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), Gewinnwachstum, Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) oder Dividendenrendite. Nach dem Bestimmen des fairen Wertes sollte nach Graham hiervon eine Sicherheitsmarge (Margin of Safety) von 40-50% abgezogen werden, um den maximalen Einstiegspreis zu ermitteln. Derartig unterbewertete Unternehmen kaufte Graham und wartete geduldig darauf, dass der Markt die Unterbewertung irgendwann erkennen und durch Kurssteigerungen beheben würde. Warren Buffett absolvierte sein Studium an der Columbia Universität, weil er unbedingt bei Benjamin Graham studieren wollte. Für Buffett waren diese beiden Bücher Grahams prägend und die Grundlage seiner eigenen Tätigkeit als Investor; seine Karriere begann er übrigens in der Investment-Firma von Benjamin Graham, wo er erstmals über Geico stolperte, eines seiner besten Investments aller Zeiten. Aber das ist eine andere Geschichte... Dogs of the Dow-Dividenden-Strategie Diese eigentümlich klingende Strategie geht auf Benjamin Graham zurück, der sie in „The Intelligent Investor“ vorgestellt hatte. Allerdings noch ohne diesen Namen. Der wurde ihr erst später verpasst, wobei das „Dogs“ für Loser steht im Sinne von hundeelend. Graham hielt Emotionen für den größten Feind eines erfolgreichen Investors und wollte diese durch ein stringentes und einfaches Handlungskonzept ausschalten. Und darüber hinaus setzte er auf Substanz-Werte, die ein geringeres Kursrisiko aufweisen und Rückschläge besser verkraften können. Graham zog gerne Vergleiche zwischen (Dividenden-) Aktien und Anleihen und kam zu dem Schluss, dass Anleihen Aktien vorzuziehen seien, wenn das Zinsniveau deutlich über 4% läge. Dann würde ihr Chance/Risiko-Verhältnis das von Aktien schlagen. Darüber hinaus stufte Graham eine langfristige und zuverlässige Dividendenzahlung als ein besonderes Qualitäts-Merkmal für die Auswahl von geeigneten Aktien-Investitionen ein. „Einer der überzeugendsten Tests hoher Qualität von Firmen ist eine ununterbrochene Historie von Dividenden, die sehr viele Jahre zurückreicht.“ – Benjamin Graham – Insofern kann es nicht verwundern, dass er auf die Dividendenrendite als Kriterium für seine Strategie abstellt und nach seiner Überlegung waren Dividendenrenditen dann besonders hoch, wenn die Aktienkurse – ob nun zu Recht oder zu Unrecht – eingebrochen waren. Die Dogs of the Dow-Dividenden-Strategie folgt nur einigen wenigen, klaren Regeln: • Einen Index auswählen (Graham verwendete den Dow Jones). • Zu Jahresbeginn die 10 Werte mit der höchsten Dividendenrendite auswählen. • Diese 10 Werte zu gleichen Geldanteilen kaufen. • Nach einem Jahr die Zusammensetzung prüfen und anhand der Kriterien das Depot neu zusammenstellen. Vorteile Die "Dogs of the Dow" Dividenden-Strategie ist ein Investmentansatz für jedermann, denn sie erfordert nur wenig Börsen-Knowhow, ist einfach umzusetzen und reduziert die Transaktionskosten, da nur einmal jährlich geordert wird. Darüber hinaus sorgt sie für stetige Dividenden-Einnahmen. Nachteile In Bullen-Märkten gibt es erfolgreichere Strategien und Wachstums-Aktien sind per se ausgeschlossen, da sie nur selten üppige Dividenden auskehren, sondern das verdiente Geld wieder in ihr Business investieren. Des Weiteren besteht die Gefahr eines Klumpenrisikos, dass also zu viele Werte aus denselben Branchen stammen, wie zum Beispiel Finanzwerte oder Versorger. Als weiterer Kritikpunkt wird gerne angeführt, dass die Strategie erfordert, stets mit 100% im Markt investiert zu sein. Es sei viel sinnvoller, stets ordentlich Cash auf dem Konto zu haben, damit man bei Kurseinbrüchen die günstigen Kurse ausnutzen könne. Tja, diese Theorie ist Quatsch! Richtig gelesen: Sie funktioniert nicht! „In der Theorie sind Theorie und Praxis gleich. In der Praxis nicht.“ – Yogi Berra – Sie scheitert nicht an der Theorie, weit gefehlt, denn sie klingt bestechend logisch. Leider versagt sie in der Praxis völlig. Was nicht an ihr selbst liegt, sondern an uns Anlegern. Denn wir werden von Angst und Gier getrieben und handeln nicht rational. Wenn die Kurse steigen jammern wir, dass wir nicht die am schnellsten steigenden Aktien im Depot haben und selbst wenn wir eine von denen erwischen, leiden wir, weil wir auch noch andere Aktien gekauft haben, die nicht ganz so schnell zulegen. Und wenn die Kurse fallen, dann verkaufen wir Aktien, um „Gewinne mitzunehmen“ oder aus Panik. Aber wir setzen unser Cash nicht ein, denn wenn die Kurse heute fallen, könnten sie ja morgen noch weiter fallen, und dann würden wir wie Blödmänner dastehen. Also kaufen wir bei Kurseinbrüchen nicht, sondern warten ab... Ihr habt den Konstruktionsfehler gefunden, richtig? In der Theorie kaufen wir im Crash billig Aktien, die uns dann in der Nächsten Hausse reich machen. In der Praxis liegen unsere Nerven im Crash aber blank und wir schieben Panik, dass die Aktienkurse noch weiter fallen könnten – und kaufen deshalb nicht. Wir nutzen also die Chance, die uns die hohe Cashquote bietet, nicht. Und deshalb kann man das Konstrukt komplett vergessen! Wer stattdessen immer voll investiert ist, nimmt die Kurssteigerungen voll mit und die Kurseinbrüche auch. Mehr Gewinne und mehr Verluste – ein Nullsummenspiel? Nein, denn historisch betrachtet steigen Aktienkurse an knapp zwei Drittel der Börsentage und durchschnittlich gesehen steigen sie stärker als sie fallen. Schon ein einziger Blick auf einen Langzeit-Chart von Dow Jones oder S&P 500 zeigt dies ebenfalls: Die Kurse steigen auf lange Sicht, trotz Unterbrechungen durch Korrekturen und Crashs. Und, denken wir an die „toten Super-Investoren“, wer immer voll investiert ist, fährt die beste Rendite ein! Alle machen mit!? Ich bin mir sicher, dass die meisten Leser meine Argumente überzeugend finden. Und ebenso, dass sie dennoch anders handeln und lieber Cash auf dem Konto halten werden. Ich habe selbst 35 Jahre gebraucht, um die Zusammenhänge zu verstehen und dann auch konsequent anzuwenden. Und auch wenn ich genau weiß, wie es geht, fühlt sich ein Börsenjahr wie 2022 mit seinen satten Verlusten überhaupt nicht entspannt an... Überrenditen? Zurück zur gewinnbringenden Loser-Strategie: Untersuchungen von Vermögens-Verwalter Michael O´Higgins belegten, dass die Dogs of the Dow-Dividenden-Strategie den Dow Jones Index zwischen 1973 und 1999 outperformt hat. Also sogar in einer Zeit, wo Biotech-, Internet- und Telekommunikations-Werte eine Superblase ausgeformt hatten, die dann im Jahr 2000 platzte. Dennoch hatte sich diese Strategie bewährt. Im Betrachtungszeitraum 1995 bis 2021, also inklusive der Globalen Finanzkrise und des Corona-Einbruchs, legte der Dow Jones Index um 610% zu, also um durchschnittlich 7,8% pro Jahr. Die Dogs of the Dow-Strategie brachte es, sofern die Dividenden umgehend wieder reinvestiert wurden, auf 565% bzw. 7,6% pro Jahr. Ihr Ergebnis fällt also nur marginal schlechter aus, obwohl seit 2009 die größte Hausse aller Zeiten stattfand und hier vor allem die Technologie- und Wachstums-Werte klassische „Value-Aktien“ meilenweit hinter sich gelassen haben. Ein sensationelles, aber vor allem überraschend positives Ergebnis für Grahams 75 Jahre alte Börsenformel! Da man stets auf die Werte mit der höchsten Dividendenrendite setzt, sind darunter üblicherweise auch (wenn sogar nicht ausschließlich) die Aktien, die zuletzt besonders schlecht gelaufen sind. Man kauft also am Jahresanfang die Loser-Aktien – und das kostet Überwindung. Anfang 2022 wären es übrigens diese 10 Dogs-of-the-Dow-Werte gewesen: Name und Dividendenrendite: Dow -4,9% Verizon -4,9% IBM -4,9% Chevron -4,5% Walgreens -3,6% Merck -3,6% Amgen -3,4% 3M -3,3% Coca-Cola -2,8% Intel -2,7% Noch haben wir ein paar Handelstage im Börsenseuchenjahr 2022 und somit steht noch nicht fest, ob die Dogs of the Dow in 2022 besser abgeschnitten haben als der Dow Jones Index selbst. Und auch die neuen Werte für 2023 erfahren wir erst in wenigen Tagen. Spannend wird es auf jeden Fall, so oder so... Low Five Dividenden-Strategie Bevor wir zum Ende kommen, bleiben wir noch kurz bei Michael O´Higgins. Denn der errechnete nicht nur den Erfolg der Dogs of the Dow-Strategie, sondern er wandelte Grahams Formel auch noch etwas ab und stellte 1991 seine "Low Five Dividenden-Strategie" in seinem Buch "Beating the Dow" vor. Danach sollten Anleger aus einem Index die 10 Aktien mit der höchsten Dividendenrendite heraussuchen, wie von Graham vorgeschlagen, allerdings sollten sie von diesen nur die 5 billigsten Aktien zu gleichen Anteilen kaufen und dann genau ein Jahr lang im Depot halten. Anschließend wird das Depot anhand dieser Kriterien für ein weiteres Jahr neu zusammengestellt. Der entscheidende Unterschied zu Grahams Strategie besteht darin, nur die 5 billigsten Aktien der 10 Dividenden-Stars zu kaufen. Dabei sind die "billigsten" Aktien jene, deren Kurs unter Berücksichtigung des Nennwerts am niedrigsten ist (es geht also nicht um den Gewinn oder das KGV!). Da Aktien zu unterschiedlichen Nennwerten ausgegeben werden, also unterschiedlichen Anteilen am Grundkapital der Gesellschaft, soll so eine noch bessere Vergleichbarkeit hergestellt werden. Hat eine Aktie den Nennwert 1 US-Dollar und eine andere einen von 5 US-Dollar, multipliziert man den Aktienkurs der ersten dem entsprechend mit 5. Unser Fazit Es gibt noch weitere Abwandlungen von Benjamin Grahams Dogs oft the Dow-Dividenden-Strategie und viele funktionieren eine Zeit lang besser als das Original – sonst würde sie ja keiner erarbeiten. Allerdings verwässern sie die Original-Kriterien und machen das Ganze komplizierter. Und komplizierter ist nicht unbedingt besser, zumal das Original schon ein ziemlicher Matchwinner ist. „Der Investor ist wahrscheinlich sein eigener schlimmster Feind.“ – Benjamin Graham – Der Charme von Grahams Strategie liegt in zwei Dingen: Sie ist simpel und kann von jedem Anleger leicht angewandt werden und sie liegt mit dem Index auf Augenhöhe hinsichtlich der Rendite. Kaum Aufwand bei der Aktien-Auswahl, kaum Kontrollaufwand, kaum Transaktionsaufwand, kaum psychischer Stress – und ein Ergebnis, das die Rendite von 90% aller Anleger schlägt. Denn weil Anleger gerne auf die falschen Werte setzen und auch noch ständig traden, fahren sie kaum 2% Durchschnittsrendite ein, während die Börsen langfristig 7 bis 8% erzielen. Auch das noch... Das „Gewinner-Aktien“ Dividenden-Depot Wir haben soeben erfahren, dass es eine ganz simple Strategie gibt, um an der Börse erfolgreich zu sein. Eine Strategie, die der Lehrmeister von Warren Buffett bereits vor 75 Jahren entworfen hat und die noch immer funktioniert. Ihre Schlüsselelemente sind Geduld und Dividendenrendite. Und auf die gleichen Kernelemente zielt auch das von mir betreute Dividenden-Depot von Armin Bracks Börsendienst „Gewinner-Aktien“ ab; der Börsenbrief erscheint wöchentlich, die Dividendenausgabe im 14-Tages-Rhythmus. Wir setzen dabei auf Dividenden-Kontinuität, auf eine attraktive Ausschüttungsquote und picken uns im Idealfall Dividendenwachstums-Werte heraus, um eine überdurchschnittliche Gesamtrendite zu erwirtschaften. Bei Interesse einfach mal hier nachsehen...
Die heutige Ausgabe entstand wieder in Zusammenarbeit mit Michael C. Kissig. | | Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte: Die Redakteure/Autoren sind in den folgenden besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Kommentars investiert: - - - Weitere Informationen dazu findest Du hier... Meine neuesten Videos
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