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Ist die Dividende der neue Zins? Liebe Leserinnen und Leser, vielleicht haben Sie es auch gelesen: Die Zahl der Aktionäre in Deutschland ist auf den höchsten Stand seit 10 Jahren gestiegen. Anders ausgedrückt hatten seit der Finanzkrise von 2008 nicht mehr so viele Deutsche Aktien in ihrem Depot. Insgesamt 10,1 Millionen Deutsche besitzen aktuell Aktien oder Aktienfonds oder beides. Das ist eine ganze Millionen mehr als vor einem Jahr – ein enormer Zuwachs. Doch die Zahl der Aktionäre in Deutschland entwickelt sich zyklisch. Die folgende Grafik zeigt, dass z.B. während des so genannten Internetbooms von 1998 bis 2000 immer mehr Deutsche in Aktien und Aktienfonds investierten. In den folgenden Jahren ging die Zahl dann stark zurück. Erst 2017 zeigt sich wieder ein deutlicher Anstieg: Viele kaufen und verkaufen zum falschen Zeitpunkt Leider begehen viele bei der Aktienanlage offenbar den grundlegenden Fehler, in guten Börsenzeiten am Aktienmarkt aktiv zu werden und bei Kursrückgängen oder Crashs wieder auszusteigen. Wer sich z.B. in den Jahren von 2008 bis 2010 von seinen Aktien trennte, hat die folgende Rallye an den Börsen verpasst. Der Deutsche Aktienindex (DAX) z.B. stieg von 2009 bis 2017 um mehr als 200 Prozent! Doch grundsätzlich finde ich den Zuwachs an Aktionären in Deutschland erst einmal erfreulich. Wie Sie wissen, halte ich das langfristige Sparen in Aktien für die beste Altersvorsorge. Wer Geld übrig hat, das er anlegen kann, aber Aktien z.B. aus Angst vor Kursverlusten meidet, dem entgeht Rendite, die er zum Vermögensaufbau braucht. Denn im Durchschnitt brachte die Anlage in Aktien über die letzten Jahrzehnte hinweg eine Rendite von 7 bis 8 Prozent pro Jahr. Das bietet kaum eine andere Anlageform. Die Verlockungen der Dividende Wahrscheinlich hat nicht nur die gute Performance an den Aktienmärkten im letzten Jahr viele Deutsche an die Börsen gelockt, sondern auch die niedrigen Zinsen für Festgeld oder andere sichere Anlageformen. Vielleicht bewegte auch der Werbeslogan "Die Dividende ist der neue Zins" viele zur Anlage in Aktien. Denn eine Dividendenrendite von 3 bis 5% wirkt durchaus attraktiv, wenn es auf dem Tagesgeldkonto fast keine Zinsen gibt. Doch bei der Aktienanlage nur auf die Dividendenrendite zu starren, ist gefährlich. Sicher ist die Dividende ein ganz entscheidender Baustein, wenn es um die langfristige Performance einer Aktienanlage geht. Das verdeutlicht die Kursentwicklung der 30 Aktien des Deutschen Aktienindex (DAX) einmal unter Einbeziehung der ausgeschütteten Dividenden und einmal ohne die Dividenden. Den Index mit Dividenden bezeichnet man als DAX Performanceindex, es ist der in Deutschland allgemein gebräuchliche Index. Der DAX Kursindex dagegen spiegelt die durchschnittliche Kursentwicklung der 30 DAX-Aktien ohne Dividenden wider:
In den letzten 5 Jahren ist der DAX Performanceindex um 63 Prozent gestiegen, der DAX Kursindex dagegen nur um 40 Prozent. Weiter unten erkläre ich in der Rubrik "Wissen" genauer, was es mit Performanceindizes auf sich hat und wie diese berechnet werden. Dividenden als der neue Marketing-Trick Problematisch wird es aber, wenn bei den Anlageentscheidungen Emotionen ins Spiel kommen. Die Suche nach Rendite in zinslosen Zeiten ist häufig verbunden mit der Angst davor, dass das Sparvermögen zusätzlich durch die Inflation langfristig real an Wert und Kaufkraft verliert. Eine berechtigte Furcht, die aber wie jede Emotion ein gutes Einfallstor für Marketingexperten bietet. Das Anpreisen von Dividendenfonds, Dividenden-ETFs und anderen Anlageformen schießt daher beim Marketing häufig über das Ziel hinaus – was natürlich dem Umsatzinteresse der Fondsgesellschaften und der übrigen Beteiligten geschuldet ist. Lassen Sie sich nicht aufs Glatteis führen: Aktien bieten NIE eine sichere Rendite, das gilt auch für Aktien mit hohen Gewinnausschüttungen und einer scheinbar garantierten Dividende. Sicherheit gibt es auch bei Dividenden-Aktien nicht Denn Kursrückgänge können die Dividendenzahlungen rasch auffressen, wie nicht nur die Beispiele der deutschen Versorger-Aktien E.ON und RWE in den letzten 10 Jahren zeigen. Vor der Energiewende galten beide Papiere als sichere Dividenden-Aktien, die regelmäßig die höchsten Ausschüttungen aller DAX-Aktien boten. Danach aber kam ein Kursrutsch um fast 80 Prozent. Da nützt keine Dividendenrendite etwas: Eine Aktie, die stark gefallen ist, kann auch noch tiefer fallen. Das zeigt das Beispiel von E.ON, dem einstigen Dividendenstar aus dem DAX. Aktuelles Beispiel ist die Medien-Aktie ProSiebenSat1, die mit 6,1 Prozent die höchste Dividendenrendite im DAX aufweist. Doch die ProSieben-Aktie hatte schon vor Jahresfrist die höchste Dividendenrendite im DAX und seitdem hat die Aktie mehr als 12 Prozent an Wert verloren. Die Dividendenrendite ist nur EIN Kriterium bei der Aktienauswahl Das zeigt: Eine hohe Dividendenrendite darf kein alleiniges Kriterium bei der Aktienauswahl sein, andere Faktoren wie z.B. die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells und langfristiges Gewinnwachstum oder wenigstens -stabilität müssen dazu kommen. Doch selbst Profis liegen bei ihren Analysen nicht selten daneben, nicht jede Entwicklung lässt sich vorhersehen. Bei der langfristigen Anlage können Sie das Einzelfall-Risiko daher nur durch Streuung auf viele Einzelaktien minimieren; das gilt auch bei Investments in Dividenden-Aktien. Und Sie dürfen auch nicht nur auf Dividenden-Aktien setzen, Kursgewinne sind bei der Aktienanlage ebenfalls wichtig. Die beste Performance zeigten im letzten Jahr die Aktien von Internetkonzernen wie Amazon, Alphabet (Google), Facebook und Netflix. Alle diese Unternehmen schütten keine Dividenden aus. Wer nur auf die Dividendenrendite schielt, dem entgehen Kurschancen bei Aktien von Wachstumsunternehmen. Mein Fazit: Man kann es gar nicht oft genug wiederholen: Streuung ist bei der Aktienanlage entscheidend, um eine hohe Rendite zu erzielen und um das Anlagerisiko zu verringern. Die Dividendenrendite kann dabei nur ein Kriterium sein, um eine aussichtsreiche Aktie auszuwählen. Und lassen Sie sich bei der langfristigen Anlage von aktuellen Markttrends nicht zu stark beeinflussen. Angst oder Euphorie sind schlechte Ratgeber. Am besten ist es, kontinuierlich am Aktienmarkt zu investieren. Dann entgehen Sie der psychologischen Falle, in einem Börsenabschwung auszusteigen und anschließend den richtigen Zeitpunkt für den Wiedereinstieg zu verpassen. |