Gartenbrief vom 18.06.2021 - Lustvoll gärtnern mit Markus Kobelt.
Diversifiziert!
Sehr geehrter Herr Do
Vor 2 Wochen durfte ich am Rheinhof, unserem regionalen landwirtschaftlichen Ausbildungszentrum einen Vortrag zum Thema ‘Züchtung und Diversität’ halten.
Der Vortrag war kurz, ca. 25 Minuten, dennoch masslos überzogen (da ich nur 15 Minuten hatte), die schriftliche Fassung hier im Newsletter ist wieder viel zu lang.
Deshalb hier die Kurzfassung: Auf den ersten Blick scheint das Thema ja kinderleicht. Züchtung bringt neue Sorten, also ist Sie per se ein Beitrag zur Diversität, die sowieso alle lieben. Alles palletti, alle glücklich. Ende gut, alles gut.
Bei genauerem Hinsehen stellt sich die Sachlage aber ganz anders dar: Züchtung bedeutet Auswahl und Reduktion, sie ist also genaugenommen so ziemlich das Gegenteil von Diversität. Dies wird verstärkt durch die Mechanismen der agroindustriellen Produktion und des Markts (mehr vom Gleichen ist besser). Und schliesslich passen auch die neuen Züchtungstechnologien ins Bild, die nochmals Varianten des Gleichen produzieren. Und schaut man sich um, so muss man feststellen, dass der Mensch Diversität ziemlich genau in dem Masse verabscheut, wie er das Konzept lobt. Irgendwie schon eigenartig und spannend. Und hätte ich jetzt in meinem Baumschulleben mehr Zeit gehabt, wäre der Text über Diversität und Züchtung schnell noch viel länger geworden.
Natürlich vermuten Sie schon, was ich jetzt sagen werde: Im Garten verhalten wir uns ähnlich. Wir wollen Ordnung, im Zweifelsfalle eher mehr vom Gleichen und schon Erfolgreichen als Durcheinander und Mischmasch. Nur, dass Durcheinander und Mischmasch eigentlich ganz gut wären… für die hochgelobte Diversität.
Irgendwie haben wir Angst, dass uns die Diversität über den Kopf wächst:
Diversität macht Angst. Als ich während meines Studiums mit der Baumschule anfing, immer zwei bis drei Tage die Woche als Baumschuler zugange war und dann wieder in Wädenswil an der Schule, da hatte ich regelmässig einen Alptraum, der mich ca. 10 Jahre verfolgte: Ich hatte eine virtuelle Alptraum-Baumschule, aber nicht die, die ich wirklich hatte. Und alles lief aus dem Ruder. Die Bäume wuchsen durchs Plastiktunnel, die Pflanzen waren nicht mehr angeschrieben, ich wusste nicht mehr, was ich hatte und nicht hatte. Irgendwann konnte man die Baumschule nicht mehr betreten und sie wurde (so meine ich mich zu erinnern) – zu verbotenem Gelände erklärt.
Kontrollverlust
Das war wie gesagt ein Traum, eher ein Alptraum. Ich hoffe inständig, dass ihn meine Betriebsleiter nicht auch haben müssen😉. Aber er zeigt auch, dass wir mit Vielheit und Diversität, mit der urtümlichen Kraft der Pflanzen nur schwer umgehen können. Die gleiche Kraft, und umgekehrt die gleiche menschliche Angst steht vielleicht auch hinter der Angst der Gesellschaft vor neuen, einwandernden erfolgreichen Pflanzen: Sie könnten überhandnehmen, alles auffressen, nichts mehr übriglassen…
Aber bevor ich jetzt zum Invasivenjäger-Versteher mutiere, möchte ich doch die finale Kurve kriegen und …nochmals vom Garten reden.
Lassen Sie so viel wie möglich Unordnung zu, gerade so viel, wie sie gerade noch aushalten. Mischen Sie die Pflanzen, je mehr desto besser, gern auch mit akkuratem Plan. Ich verspreche Ihnen gute Träume. Auch im Paradies stehen ja Pflanzen, die wir im Sortiment führen…
Pflanzen Sie weiter.
Markus Kobelt |
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Rosenneuheiten bei Lubera! 
Nachdem wir Ihnen letzte Woche bereits ein paar unserer neuen 50 Rosensorten vorgestellt haben, folgt heute der zweite Teil unserer Bildershow. Im Folgenden finden Sie erneut ein paar Rosenschönheiten die darauf warten, Ihren Garten zu verschönern.
Die neuen Sorten sind erstmal nur in begrenzter Anzahl verfügbar. Wir empfehlen Ihnen schnell zuzugreifen, wenn Sie hier Ihre Lieblingsrose entdecken.

Bild: Rose 'Charles de Mills' – die berühmte, karminrote Essigrose duftet stark und zählt zu Recht zu den schönsten Alten Rosen der Welt! Sie ist eine gute Schnittrose, verträgt auch Halbschatten und ist äusserst winterhart.

Bild: Rose 'Admiral' – die geheimnisvollen schwarzen Blütenknospen dieser nostalgischen Edelrose öffnen sich zu grossen, samtig-rubinroten Blüten. Eine klassische Eleganz, verbunden mit einer äusserst seltenen Farbe und einem verführerischen Duft machen diese Rose zu einem begehrten Objekt für versierte Rosensammler ebenso wie für Gartenneulinge mit Sinn für das Besondere.

Bild: Rose 'Cardinal de Richelieu' – Tief-Purpur-Violett und pompös gefüllte Blüten, die beim Abblühen ins Hellviolette gehen und einen silbrigen Schimmer erhalten – diese Blüten vergisst man nicht so schnell!

Bild: Rose 'Desdemona' – Weiss, langblühend, gesund und mit verführerischen, prallen Blüten mit fruchtigen Duftnoten – diese Englische Rose ist wieder ein Meisterwerk von David Austin! Sie hat einen typischen Damaszener-Duft mit Nuancen von Anis, Pfirsich, Honig und Himbeere.

Bild: Mini-Kletterrose 'Eva' – ein handlicher wüchsiger Mini-Climber für kleinere Gärten oder den Balkon: Diese Rose passt mit maximal zwei Metern Höhe wunderbar an jeden Rosenbogen. Ihre nostalgisch gefüllten, geviertelten Pomponblüten sind eher klein, halten aber dafür umso länger.

Bild: Rose 'Fantin Latour' – der Zauber der Historischen Rosen in Perfektion: Zartrosa, gerüscht, intensiv duftend und von üppigen Ausmassen. Wer spontan eine Historische Rose beschreiben sollte, wird ganz sicher diese Rose als Vorbild nehmen, auch ohne ihren Namen zu kennen.

Bild: Rosa rugosa 'Alba' – diese Kartoffelrose ist hart im Nehmen wie kaum eine Zweite und erfreut im Naturgarten mit weissen Blüten als Nektarquelle für Wildbienen und grossen Hagebutten für Mensch und Vogel.

Bild: Rose 'Königin von Dänemark' – königliche Eleganz trifft auf – typisch dänische – Freundlichkeit. Diese warmrosafarbene und wundervoll duftende Historische Rose ist unter der englischen Bezeichnung 'Queen of Denmark' unter Rosensammlern auf der ganzen Welt heissbegehrt.

Bild: Rosa rugosa 'Pink Grootendorst' – die apart gefransten Blütenblätter dieser wunderschönen Kartoffelrose gaben ihr den Beinamen 'Nelkenrose'. 'Pink Grootendorst' ist in der grossen Rosa rugosa Familie ein absolutes Topmodel.

Bild: Rose 'Rambling Rosie' – eine moderne Kletterrose mit dem Aussehen und allen Vorzügen eines nostalgischen Ramblers. 'Rambling Rosie' zaubert im Laufe des Sommers eine Vielzahl von kleinen, rot gerüschten Blüten hervor, die zart duften.
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Englische Rosen von David Austin 
Text: Markus Kobelt
David Austin hat in seinem langen Züchterleben etwas erreicht, was kaum ein Züchter von sich sagen kann: Er hat die Pflanzenwelt, er hat seine Pflanze, die Gartenrose, nachhaltig verändert. Und er hat eine Rosengruppe geschaffen, die nur dank seiner Imagination, seiner züchterischen Genialität und schriftstellerischen Begabung existiert: Englische Rosen. Interessanterweise schreibt David Austin in seinen Rosenbüchern immer wieder, das auch andere Züchter herzlich eingeladen seien, Englische Rosen zu züchten. Das ist nie gelungen – und explizit auch nicht versucht worden. Dass die Englischen Rosen ganz bei David Austin geblieben sind, hat sicher auch mit seinem frühen Beginn und seinem konsequenten und besitzergreifenden Anspruch zu tun, aber auch mit dem Konkurrenzverhältnis anderer Züchter wie der Harkness Familie oder Peter Beales, die natürlich etwas 'Anderes' züchten und zeigen wollten. Noch etwas fällt auf: Auch wenn niemand ausser David Austin wirklich und mit Anspruch 'Englische Rosen' gezüchtet hat, sind natürlich von verschiedenen Züchtern, von Delbard über Tantau und Poulsen bis zu Kordes Nachahmerprodukte lanciert worden. Märchenrosen, Romantische Rosen, Schlossrosen, Renaissancerosen… Aber irgendwie ist es nie gelungen, die Englischen Rosen, ihre Geschichte und Ausstrahlung einzuholen oder gar zu überholen...
Wenn ich in diesem Artikel versuche, dem Geheimnis der Englischen Rosen und seines Züchters auf die Spur zu kommen, so wird das wohl kaum gelingen. Es ist ja ganz offensichtlich auch seinen Mitzüchtern nicht gelungen… Aber es ist doch den Versuch wert, einige Eigenschaften und Herangehensweisen aufzuzeigen, die die Englischen Rosen und ihren Züchter, David Austin unterscheiden und einzigartig machen.
Die Sackgasse der Teehybriden und die Wiederentdeckung der alten Rosen
David Austin beginnt sein langes Züchtungsprojekt zu Beginn der 50er Jahre vorsichtig und langsam, sich gleichsam in die Züchtungswelt und die Rosen hineintastend. Es ist die Hoch-Zeit der Teehybriden, eigentlich besteht die moderne Rosenwelt der 50er und 60er Jahre aus Teehybriden, vulgo Edelrosen. Zwar werden die Farben immer intensiver, aber die stolze Rosenpflanze ist zu einem blütentragenden Schatten ihrer selbst geworden: Einige armselige Triebe, möglichst lang, die aus einem geplagten Rosenstock ausschiessen und in edlen, spitz zulaufenden Rosenblüten enden. Diese sind eigentlich nur schön als Knospe. Sobald sie sich öffnet, ist die ganze Herrlichkeit gleich schon vorbei. In dieser Zeit wird auch endgültig geprägt, was wir unter Schnittrosen verstehen: Ein möglichst langer Stängel, der gerne auch aus Plastik sein könnte und dem ersatzweise wenigstens die Dornen und die meisten Blätter abgestreift werden, und darauf eine möglichst grosse Knospe, die möglichst lang Knospe bleiben soll.
Zur gleichen Zeit werden aber auch die alten Rosen wiederentdeckt: Schriftsteller wie Vita Sackville-West und Virgina Wolf, weit vorausdenkende Gärtner und Baumschuler wie Graham Stuart Thomas und andere beginnen, alte Rosen zu sammeln, wieder zu vermehren. Die alten Rosen stellen in vielen Dingen einen Kontrapunkt zu den Teehybriden dar: Sie sind wenigstens wirkliche Pflanzen, nicht selten in riesigen Dimensionen, nicht bloss auf die Blüte reduzierte Krüppel (meine Polemik hier ist durchaus auch diejenige von David Austin, der es aber etwas eleganter anstellt und die Edelrosen weitgehend mit Nichterwähnung straft). Die alten Rosen zeigen eine Vielfalt von Wuchstypen, aber auch von Blütenformen: ganz klein und offen, einfach, doppelt gefüllt, ganz gefüllt.

Bild: Ramblerrose 'Félicité et Perpétue' – diese sehr winterharte Ramblerrose erblüht zwar nur einmal im Jahr, dafür wird man aber als Rosenliebhaber durch ihre Blütenfülle, die enorme Wuchskraft und den wunderbaren Duft der Blütenbüschel belohnt. Lassen Sie sich von diesem Parfum verwöhnen!

Bild: Ramblerrose 'Veilchenblau' – eine Ramblerrose mit wunderbarem Duft und fast stachellosen Trieben. Sie wird ca. 5 Meter hoch und ist sehr starkwüchsig.

Bild: Strauchrose 'Rose de Resht' – ein Leckerbissen für Kenner. Den ganzen Sommer lang belohnt diese Rose Sie mit prächtigen, mittelgrossen und pomponartigen Blüten, die wunderbar duften.
Auch wenn aus heutiger Sicht der Gartenwert dieser alten Rosen in der Mehrzahl eher klein ist (sie sind von einigen Gallica- und Portlandrosen abgesehen ganz einfach zu gross und meist nur einmalblühend), so ist die Faszination für alte Rosen ab den 50er oder 60er Jahren schon nachvollziehbar.
Englische Rosen von David Austin: Die Fusion der alten und der modernen Rosen
David Austin beschreibt, ja beschwört es immer wieder in seinen Katalogen und Büchern: Es ist seit den 50er Jahren sein Projekt, den Charme der alten Rosen, ihren Duft, ihren elegant freien Wuchs und ihre gefüllten opulenten Blüten mit der Blühfreudigkeit, dem kontinuierlichen Blühverhalten und der Farbpalette der modernen Rosen zusammenzubringen. Wir dürfen nicht vergessen: Die alten Rosen – ich habe es teilweise schon erwähnt – haben auch entscheidende Nachteile: Sie sind in der Regel viel zu stark wachsend, passen nicht in den modernen, immer kleiner werdenden Garten und sie blühen meist nur einmal im Jahr – was soll ich bitteschön mit einer Gartenpflanze, die nur 3 Wochen lang ihre Schönheit ausstrahlt, aber die Hälfte meines Gartenraums besetzt? Dazu kommt: Die Farbpalette der alten Rosen ist arg eingeschränkt, es gibt nur Weiss, Rosa und dann noch Purpur-violett, Gelb und alle Mischfarben fehlen gänzlich und eigentlich gibt es auch kein echtes und leuchtendes Rot. Erst ab dem Ende des 18. Jahrhunderts und zu Beginn des 19. Jahrhunderts werden aus China Rosen – u.a. die sogenannten Teerosen – eingeführt, die neue revolutionäre Eigenschaften in die alten europäischen Rose einbringen: Die Fähigkeit, im gleichen Jahr Triebe auszubilden und an diesen Trieben auch schon zu blühen, damit auch die kontinuierliche, mindestens wiederholte Blüte, und die vorher gänzlich fehlende Farben Gelb (damit auch Orange, Kupfer, Apricot) und das leuchtende Rot. David Austin und einige andere Züchter, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts starten, spüren ganz genau, dass die Teehybride in einer Sackgasse gelandet ist, aber sie wissen auch, dass die Rückwendung zu den alten Rosen alleine kein Selbstzweck sein kann. Bei Pflanzen sind Museen und Sammlungen nur ganz selten die Zukunft, aber sie können - züchterisch genutzt – den Schlüssel zur Zukunft darstellen. Das Alte ist wichtig und relevant, wenn es zu Neuem führt. Hier würde mir David Austin übrigens kaum zustimmen: Er ist immer ein Fan der alten Rosen geblieben und hat sie auch in seiner Baumschule breit neben den eigenen Züchtungen produziert und angeboten.
50 Shades of Pink – David Austins Obsession für Blütenblätter
Wenn David Austin das Ziel seiner Rosenzüchtung als fast unausweichliche Fusion der besten Eigenschaften der alten und der modernen Rosen beschreibt, dann hat er subjektiv sicher recht. Aber es sind SEINE subjektiven Vorlieben, seine Präferenzen, die aus alten und modernen Rosen die Englischen Rosen entstehen lassen.
Wenn wir Englische Rosen aus einigem Abstand betrachten, Ausnahmen als Ausnahmen nehmen, dann sind sie doch in der Mehrheit Rosensorten, die halbgefüllt bis ganz gefüllt blühen, deren Blüten sich langsam auffalten zu voller Grösse, eher gross als klein oder mittel… Blicken wir auf die alten Rosen, dann findet man die bevorzugten Blütenformen der Englischen Rosen vor allem bei den Gallica Rosen, bei den daraus weiterentwickelten Portland-Rosen und vielleicht noch bei der Alba Gruppe. Daneben aber gibt es eine unglaubliche Vielzahl ganz anderer alter Rosen: kleinblütig, nur halbgefüllt, einfach... Englische Rosen – SIND das Resultat einer bewussten Auswahl: gefüllt, duftend, eher gross als klein, mit der dominierenden Farbe Rosa.
David Austin beschreibt immer wieder seine Faszination für Blütenblätter, für Rosenpetalen: Wie sie sich entfalten, wie sie halb und ganz das Licht durchscheinen lassen, wie sie gegeneinander und aufeinander wirken, wie sie sich miteinander zu Mustern gruppieren, wie sich je nach Witterung, Tageszeit und Blütenalter ein Spiel von Licht und Schatten und Farbe ergibt. Vielleicht ist diese immer wieder neue Faszination für die Petalen und ihre Vielzahl auch ein Grund für die vielen rosafarbigen Englischen Rosensorten. Zwar kann man die Rosa-Dominanz auch aus der Genetik der alten Sorten herleiten, aber bei David Austin ist sie doch zusätzlich das logische Resultat seiner Obsession für Blütenblätter und ihr Zusammenspiel: Die Rosenfarbe Rosa – das Grau der Farben – zeigt vielfältigere Schattierungen als alle anderen Farben, in immer wieder neuen Ausprägungen, und die dezente Farbe selber macht keine Anstalten, das Spiel der Varianten zu übertrumpfen. Wenn David Austin als Züchter eine Schwäche hat, dann vielleicht diese: Er kann nicht anders und ist den Versuchungen der 50 Shades of Pink rettungslos ausgeliefert. Und so kommen denn, regelmässig wie eine Uhr, jedes Jahr 2 oder 3 neue rosafarbene, gefüllte Englische Rosen auf den Markt...
Englische Rosen und die Wiederentdeckung der Zeit und des Dufts
Die Teehybriden und viele Edelrosen sind eigentlich mit der Blüte durch, wenn sie rechteigentlich beginnt. Englische Rosen sind da auch dank ihrer Blütenfülle und vor allem dank der vielen stabilen Blütenblätter ganz anders aufgestellt. Mit dem Öffnen der manchmal eher unscheinbaren Knospen beginnt das Wunder der Blüte erst und es dauert an, bis die Petalen abfallen. Dies ist vielleicht eine der wesentlichen Errungenschaften von David Austins Englischen Rosen: Er baut den Faktor Zeit wieder in die Rose ein. Und Zeit manifestiert sich nur in der Veränderung: Eine perfekte Schnittrose, die 12 Tage genau gleich bleibt, zeigt zwar keine Ermüdungserscheinungen, aber eben auch keine Veränderungen, sie ist im wahrsten Sinne des Wortes zeitlos (wenigstens 10 Tage lang).
Die Zeit ist noch in einem anderen Sinne sehr eng mit den Englischen Rosen liiert, sie ist ihr Verbündeter: Englische Rosen sind vieles, aber ganz sicher keine 'Instant'-Pflanzen. Sie brauchen Zeit, sich zu etablieren, ihre volle Schönheit aus Blüte, Blatt und Pflanze zu erreichen. Ich habe mehrere Male in meinem Garten erlebt, wie Englische Rosensorten (z.B. Sophie's Rose) erst nach 3-4 Jahren richtig schön wurden und auch immer gesünder wuchsen, so als hätten sie zuerst den richtigen Rhythmus finden müssen, in dem ihnen die Krankheiten nichts anhaben können.
Auch der Duft ist ein Teil der Mehrdimensionalität, den die Zeit einbringt. Er entwickelt sich zu unterschiedlichen Zeiten verschieden, ja er wird sogar von unseren Nasen sehr individuell wahrgenommen. Letztlich hilft da dann nur noch die Sprache der Weinliebhaber und der Parfümeure, um den individuellen Duft einigermassen zu beschreiben, indem man Vergleiche (Früchte, Lebensmittel, bekannte Düfte) zu Hilfe nimmt.

Bild: Rose 'Gertrude Jekyll'® – satt rosa farbene, stark duftende Strauchrose mit dem sehr intensiven Duft der alten Rosen.

Bild: Kletterrose 'Teasing Georgia'® – mit wundenschönen, gelben Schalenblüten und intensiver Zitrusnote. 'Teasing Gerogia' ist von oben bis unten mit lateralen Blütentrieben bekleidet.
David Austin versucht seit Anbeginn seiner Züchtungsarbeit den Duft in möglichst alle seine Englischen Rosen einzubringen: Eine Rose, die sich in der Zeit verändert, sich entfaltet und öffnet MUSS auch einen Duft verströmen.
Der ganzheitliche Züchtungsansatz von David Austin: Englische Rosen sind Gartenrosen
Mich fasziniert der konsequente Gartenansatz, den David Austin in der Züchtung der englischen Rosen verfolgt. Er denkt und züchtet die Rose immer als Gartenpflanze (ausser im separat abgetrennten Schnittrosenzüchtungsprogramm von David Austin Roses), nicht als Blüte mit angehängter Pflanze. Dies ist allzu häufig die Tendenz bei der Züchtung von Blumen und Blütenpflanzen – die Pflanze geht ob der Blüte vergessen. David Austin beschreibt dagegen in seinen Büchern immer wieder, wie alle drei Faktoren wichtig sind: Die Schönheit der Blüte, die Schönheit der Blätter und die Schönheit des Wuchses.



Und noch dazu – natürlich – Duft und Gesundheit. Letzteres Ziel, die Pflanzengesundheit hat David Austin vor allem in den letzten 25 Jahren verstärkt verfolgt. Gegen Ende des letzten Jahrhunderts, in den 90er Jahren, startet er seine Züchtungsoperation nochmals neu, um die Krankheitsresistenz zu verbessern. Er führt auf den Züchtungsfeldern ein 'no spray regime' ein und als Resultat sind viele der neueren David Austin Rosen seit dem Jahr 2000 sehr viel robuster als die älteren Sorten (wobei es auch da genügend robuste Sorten gibt, wenn man sie nur richtig einsetzt).
Der Geniestreich des Namens: Englische Rosen
Der grösste Geniestreich von David Austin ist nicht etwa eine seiner wunderbaren Pflanzenzüchtungen, sondern der dafür schon früh gewählte Name: Englische Rosen. Was für einen Mut, was für einen Anspruch, welches Selbstbewusstsein muss man haben, um so einen Namen für die eigenen Züchtungsprodukte zu wählen! Hier kommen sie, die Englischen Rosen! Ohne böse Absicht, aber doch im Namen seiner Rosen gibt sich David Austin selber den Ritterschlag. David Austin argumentiert natürlich mit der Tradition der Rose in England, mit den konkurrierenden Königshäusern, die sich mit Weisser und Roter Rose kennzeichneten und den Krieg der Rosen anzettelten... Was die Namensbesetzung, ja Usurpation erklären soll, offenbart gleich nochmals den Anspruch Austins: Die Rose ist im Kern eine Englische Blume, und ich bin ihr Züchter….

Bild: Rose 'Jubilee Celebration'® – sehr grosse, kuppelförmige rosafarbene Blüten mit goldigem Hauch aussen an den Blütenblättern, im Innern ein leichtes Apricot.
Diese Chuzpe, dieser freche Mut bei der Namensgebung ist ganz einfach genial: Damit wird das individuelle Züchtungsprodukt universal(er), und es gewinnt gleichsam nebenbei neue Eigenschaften, neue Assoziationsräume: Die romantisch gefüllten Englischen Rosen verbinden sich fast unweigerlich mit dem aristokratischen, aber vielleicht auch leicht morbiden Charme der englischen Gartenkultur, mit ihren Schlössern und Parks, vielleicht auch mit der manchmal von aussen gesehen etwas eigenartig verspielten Spleenigkeit der Engländer und ihrer Gärtner. Ich kann den Seitenhieb nicht lassen – wie verrückt muss einer sein, der jedes Jahr 2-3 gefüllte rosafarbene Rosen auf den Markt bringt? ;-) Ja zugegeben, es ist ein wenig 'verrückt'; aber zusammen mit Durchhaltevermögen verändert fast nur Verrücktheit die Welt.
David Austin als Autor: Rosenbücher und die Namen der Rosen
Ich habe gestern Abend zur Vorbereitung dieses Artikels wieder einmal ein Rosenbuch von David Austin zur Hand genommen und in aller Ruhe und natürlich im Garten die ersten Kapitel zur Entstehung und zum Anspruch der Englischen Rosen gelesen. David Austin – und das sollte man nicht unterschätzen – ist ein sehr guter Gartenautor. Er hat nicht nur wunderschöne Rosen geschaffen, sondern er hat in aller Wortmacht auch darüber geschrieben, und damit die Interpretation seiner Rosen, den Begriff und Auftritt der Englischen Rosen selber mitbeeinflusst, wenn nicht entscheidend geprägt. Heutzutage – im Internet – nennt man das Content Marketing: Ich liefere nicht nur ein Produkt, sondern erzähle zusätzlich seine Geschichte noch dazu.
David Austin ist Autor, Schöpfer auch bei der Namensgebung: Konsequent werden für die Englischen Rosen englische Namen aus der Geschichte, aus der Geographie, immer wieder aus Shakespeares Dramen gewählt. Urenglische Wörter und Begriffe – von Shakespeare bis zum Fussballclub – werden auf Rosen verpflanzt, beginnen zu oszillieren, nehmen und bringen Bedeutung mit. Aus Shakespeares Helden Fallstaff wird eine dunkelrote, ja purpurne Rose, die englische Heimatstadt wird zum Albrighton Rambler. Und wenn man meint, endlich ein französisches Wort entdeckt zu haben (Molineux), so verweist der Name der gelben kompakten Englischen Rose auf das Stadion des regional bedeutendsten Fussballklubs: der Wolverhampton Wanderers…

Bild: Öfterblühende Ramblerrose 'The Albrighton Rambler' – dezenter Moschusduft von einer blassrosa Blüte ausgehend.
Der Autor und Züchter David Austin wählt also ganz bewusst und auch konsequent seine Namen aus, macht die Englischen Rosen dadurch nochmals…englischer.
Der Charm-Faktor: Die Züchtung Englischer Rosen als Kunst
Bei allen Erklärungsansätzen für den Erfolg und für die Schönheit der Englischen Rosen bleibt doch ein unaufgelöster Rest, etwas, das man kaum erklären kann. Warum, so könnte man fragen, sind die Nachahmerprojekte nicht erfolgreicher, warum laufen die Renaissancerosen den Englischen Rosen nicht den Rang ab, warum überholen die romantischen Rosen der deutschen und französischen Züchter nicht die Englischen Rosen? Als erste Erklärung bieten sich sicher Kontinuität und Beständigkeit an, vielleicht auch mit einem kleinen Anteil Sturheit. David Austin hat immer SEIN Projekt, seine Vision der Englischen Rosen verfolgt. Die Züchtungstaktiken mögen wechseln, das Ziel nicht. Und das über fast 70 Jahre Züchterleben. Die Englische Rose überrascht und entzückt immer wieder mit neuen Wuchstypen, mit noch nie gesehener Blütefülle kombiniert mit ausgezeichnetem Duft und einer guten Pflanzengesundheit. Und ja, gottseidank sind die Farben im neuen Jahrtausend vielfältiger geworden.
Als ich ich vor über 10 Jahren mal in die Züchtungsgewächshäuser in Albrighton schauen konnte, da sah es auf den ersten Blick wie eine gigantische Verschwendung aus: Warum werden jährlich 100'000 Rosensamen ausgesät und zur Blüte gebracht, nur um nachher 3 bis 4 neue Sorten (meist wieder rosa ;-) auf den Markt zu bringen? Wäre da nicht viel Schöneres und Anderes in den 99.9% der Rosensämlinge zu finden, die den strengen Augen des Meisters nicht genehm sind?
Gegen solche Gedanken, die manchmal sicher auch die Zweifel von David Austin selber gewesen sein werden, 70 Jahre lang unermüdlich seine Vision der Englischen Rose zu verfolgen, das ist schon ein gigantisches Lebenswerk. Natürlich tragen also Fleiss und Beständigkeit einen schönen Teil zum Erfolg eines Züchtungsprojekts bei, sie gehören unbedingt dazu. Aber sie erklären immer noch lange nicht alles…

Bild: Rose 'Tranquillity' – perfekte weisse Blütenrosetten, nachdem die Knospe noch zartgelb gefärbt ist.
Was also ist mit dem unerklärlichen Rest? David Austin erklärt ihn mit einem Wort: Charm. Es ist das, was den Züchter, den Gärtner bei einer Rose anspricht, was sozusagen die Kommunikation zwischen Pflanze und Mensch zum Funktionieren bringt. Ich selber habe auch schon gerne diesen mystischen Moment der Züchtung als Sprachakt beschrieben: Die Pflanze erhebt plötzlich die Stimme, sagt: "Ich bin eine Sorte, Deine Sorte, nimm mich, ich gefalle Dir…" Das von David Austin gewählte Wort 'Charm' meint genau das: Der fast unerklärliche Rest neben und hinter den objektiven Daten (Blütengrösse, Blütenfarbe, Blütenform, Wuchshabitus, Gesundheit), der eine Pflanze plötzlich neben allen anderen herausstechen lässt. Ganz pragmatisch integriert David Austin diesen Charmfaktor in die praktische Züchtungsarbeit, so dass er neben all den objektiven Fakten nicht verloren gehe: Bei allen zu beurteilenden Rosen wird immer ein separater Charm-Wert von 1-10 (umwerfend) erhoben, im genauen Wissen, dass die Summe der objektiven Werte diesen fast unbeschreiblichen 'Charm' nicht abdecken kann.
Der Züchter geht – die Rosen bleiben
Ich habe in den letzten 20 Jahren David Austins Baumschule und den Rosengarten im Albrighton sicher 5- oder 6-mal besucht, einige Male sahen wir beim Rundgang auch David Austin mit Mitarbeitern auf dem Rosenfeld, meist in ziemlicher Entfernung. Unsere Begleiter senkten bei der Erwähnung David Austins immer die Stimme, lenkten so schnell wie möglich wieder vom Rosengenie ab: Er möge es nicht, gestört zu werden, er wolle arbeiten, selektionieren, züchten. Auch wenn man ihn sah, war er schon mehr eine Legende und ein Gerücht als eine reale Person. Einmal, vielleicht ist es schon 12 Jahre her, war ich in der Nähe der Parkplätze am Fotografieren, der schönen informellen Rosenhecke entlang, als David Austin plötzlich vor mir auftauchte. Er war gerade auf dem Weg von seinem Haus, durch die Züchtungsgewächshäuer auf die Freilandfelder. Ich war überrascht, wusste kaum etwas zu sagen, zeigte aber immerhin meine Begeisterung über die wunderschöne Rosenhecke. David Austin – ich kann mich an seine genauen Worte nicht mehr erinnern – war freundlich, verbindlich, ganz englischer Gentleman. Aber auch kurz. Er wollte ja züchten, keinen Smalltalk machen. Schnell ging er wieder weiter und verschwand in den Rosenfeldern.

Bild: David C.H. Austin (1926 - 2018)
Hinter seinen Rosen ist David Austin Ende 2018 endgültig verschwunden – er verstarb am 18. Dezember 2018, nach einem 92 Jahre langen Züchterleben. Seine Rosen, seine Worte, seine Namen leben weiter. Und natürlich freuen wir uns auf neue Englische Rosen – auf dass sie den 'Charm' behalten mögen.
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Austin-Rosen: Englische Rosen in ihrer schönsten Form! 
In Grossbritannien hat das Züchten von Rosen eine lange Tradition und Englische Rosen sind bekannt für ihren Blütenreichtum, ihre Blütenschönheit und die Blühdauer. Sie sind weit über die Grenzen der Britischen Inseln hinaus überaus beliebt und am bekanntesten sind die Rosen von David Austin.
Im Folgenden zeigen wir Ihnen eine Auswahl aus unserem Sortiment der Austin-Rosen.

Bild: Rose 'William and Catherine' – die königliche Rose mit kleinen Blütenbüscheln ist bei Blühbeginn zart apricot und später dann reinweiss.

Bild: Rose 'Princess Alexandra of Kent'® – die Topfrose mit kompaktem Wuchs und Blüten mit einem Zitrusduft, der im späteren Blühstadium dann durch Cassisnoten ergänzt wird.

Bild: Rose 'Lady Emma Hamilton'® – eine Beetrose mit wunderschönen kupferfarbenen, schalenförmigen Blüten. Die Knospen sind rot und später verwandeln sie sich in ein Mandarinenorange bis Dunkelgelb.

Bild: Rose 'Munstead Wood'® – die Beetrose mit gefüllten, seidigen karmesinroten Blüten ist kompakt und buschig wachsend und eignet sich ideal für Rabatte.

Bild: Rose 'The Albrighton Rambler' – die kleinen perfekt geformten Blütenschalen in den Farben Blassrosa bis fast Weiss verströmen einen dezenten Moschusduft.

Bild: Rose 'Falstaff'® – Kletterrose mit karmesinroten Blüten die nach Alten Rosen duften.

Bild: Rose 'Lady of Shalott'® – die Knospen dieser Strauchrose sind orangerot und wechseln in warme Kupfertöne bis sie dann später goldgelb bis lachsfarbig sind.

Bild: Rose 'Olivia Rose Austin' – die öfterblühende Strauchrose in Zartrosa hat einen mittelstarken fruchtigen Duft. Sie wurde nach der Enkelin von David Austin senior benannt.

Bild: Rose 'Heathcliff' – diese Beetrose glänzt mit karmesinroten Blüten, die einen Teerosenduft verströmen mit zusätzlichem Duft nach Alten Rosen.

Bild: Rose 'Poet's Wife' – eine öfterblühende Strauchrose mit intensiv gelben, locker gefüllten Blüten und einem starken Duft mit sehr angenehmen Zitrusnoten.
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Rosenpaste & Rosensirup von Pascale Treichler Text und Rezept: Pascale Treichler
Zwei unwahrscheinlich romantische Rezepte oder? Beide Rezepte habe nicht ich erfunden sondern in einem wunderbaren Buch der Rosenküche gefunden. TABULA ROSA von Lilo Meier und Martina Brönimann welches Lubera bereits im Gartenbuch vorgestellt hat.
Rosenpaste
- 200 g weisser Zucker
- 50 ml Wasser
- 4 g Zitronensäure
- 100 g frische Duftrosenblütenblätter möglichst in Rot und Rosa
Das Wasser auf 60°C erwärmen.
Zucker und Zitronensäure zugeben und gut umrühren.
Die Rosenblütenblätter sehr fein schneiden.
In den Zuckerbrei geben. Sanft weiterrühren bis sich die Blüten glasig färben.
Die Rosenpaste kann sehr gut portionenweise tiefgekühlt werden oder etwa 2 Monate im Kühlschrank aufbewahrt werden.
Wir benötigen einen Teil der Rosenpaste im kommenden Februar, um für den Valentinstag süsse Rosen Maccarons zu füllen. Also bitte gefrieren Sie die Hälfte davon ein.
Rosensirup
- 1 l Wasser
- 1 kg Zucker zusammen aufkochen und ausschalten
- 15 g Zitronensäure
- 250 g Duftrosenblütenblätter in Rosa und Rot beigeben, umrühren
Zudecken und mindestens 24 Stunden stehen lassen.
Danach absieben, aufkochen und heiss in kleinere Flaschen füllen.
Rosensirup passt gut zu Sekt und kann benutzt werden um Süssspeisen zu aromatisieren.

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Rose de Resht - Ein Leckerbissen für Kenner! 
Die 'Rose de Resht' ist die beste Rose zum Kochen. Sie ist extrem gesund und bildet in 2-3 Schüben viele wunderbar duftende Blütenblätter, die konzentriert abgeerntet werden können. Ihre mittelgrossen pomponartigen Blüten haben ein intensives Aroma und finden deshalb auch Verwendung in der Küche und zur Gewinnung von Rosenessenz.

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Diversität und Züchtung 
Text: Markus Kobelt
Auf den ersten Blick scheint das Thema ja kinderleicht. Züchtung bringt neue Sorten, also ist Sie per se ein Beitrag zur Diversität, die sowieso alle lieben. Alles palletti, alle glücklich. Ende gut, alles gut. Bei genauerem Hinsehen stellt sich die Sachlage aber ganz anders dar: Züchtung bedeutet Auswahl und Reduktion, sie ist also genaugenommen so ziemlich das Gegenteil von Diversität. Dies wird verstärkt durch die Mechanismen der agroindustriellen Produktion und des Markts (mehr vom Gleichen ist besser). Und schliesslich passen auch die neuen Züchtungstechnologien ins Bild, die nochmals Varianten des Gleichen produzieren. Und schaut man sich um, so muss man feststellen, dass der Mensch Diversität ziemlich genau in dem Masse verabscheut, wie er das Konzept lobt. Irgendwie schon eigenartig und spannend.
Diversität ist in aller Munde. Nachdem Begriff und Konzept der Diversität in der Biologie seit Darwin eine wichtige Rolle spielen, wird die Diversitätsforderung aktuell in viele andere Wissens- und Lebensbereiche übertragen, wo Diversität nicht selten zu einem neuen Popanz erhoben wird, der allein definiert, was politisch korrekt ist. Wer Diversität nicht bis in die allerletzten Ritzen seines Lebens lebt und vor allem nicht bis zur Grammatik vorwärtstreibt, der scheint die neuen Gesetze schon zu verletzen. Dass diese Ausgrenzung (des nicht politisch Korrekten) das Gebot der Diversität selber beeinträchtigen, ja sogar dementieren könnte, kommt den Wenigsten in den Sinn. Aber genau dieser Widerspruch, dass Diversität mindestens für Menschen nur schwer zu Ende zu denken ist und dabei gerne auch mal ins Gegenteil umschlägt, ist wahrscheinlich charakteristisch für Diversität – und prägt auch die folgenden Überlegungen.
Unser Thema: Diversität und Züchtung
Natürlich wollen wir uns hier aber nicht im Allgemeinen verlieren, sondern konkret zu unserem Thema berichten: Diversität und Züchtung. Inwiefern ist es möglich, in der Züchtung möglichst viel Diversität zuzulassen? Wenn Diversität ein Grundprinzip des Lebens ist, das das Leben erst nachhaltig möglich macht und wenn Züchtung von Kulturpflanzen wiederum eine Aufgabe ist, die überlebenswichtig ist für eine Zukunft mit 10 Mia. Menschen, dann müssen wir Züchtung und Diversität wohl zusammenbringen. Erfolgreiche Züchtung braucht möglichst viel Diversität, und soll auch möglichst viel Kulturpflanzen-Diversität ermöglichen.
Warum Diversität bei Pflanzen und Kulturpflanzen?
Warum genau soll Diversität in der Natur, im Speziellen bei Pflanzen und Kulturpflanzen, aber eigentlich auch bei Menschen und Tieren gut und produktiv sein? Die Antwort ist ganz einfach: Weil Diversität die Chancen fürs Überleben maximiert. Je mehr Lose du hast, desto grösser ist deine Chance, den grossen Preis zu gewinnen. Je mehr Formen des Lebens sich in Pflanzen und Tieren ausbilden, desto grösser ist die Chance, dass sich darunter anpassungsfähige und überlebensfähige Einheiten befinden, die erfolgreich sein werden und überleben, die sich den je herrschenden Umständen anpassen können.

Diversität ist sicher die vorherrschende Strategie. Ich möchte hier aber auch darauf hinweisen, dass es auch Konzepte der Gleichheit gibt, die gar nicht so schlecht zu funktionieren scheinen: Militärische Organisationen haben auf jeden Fall nicht wahnsinnig viel mit der Diversität am Hut; Expats treffen sich mit Ihresgleichen, um ihre Identität zu stärken; Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit sind mindestens auf kurzer Zeitachse ziemlich erfolgreiche, wenn auch weniger sympathische Konzepte. Und wie viele von uns haben sich schon Klone gewünscht – am liebsten natürlich von sich selber… Auch bei den Pflanzen gibt es offensichtlich Synergie-Mechanismen und Informationsaustausch zwischen gleichen oder gleichartigen Pflanzen, die das Leben im Verbund, als Gleiche unter Gleichen fördern… Vielleicht zeigt sich auch hier – in diesen nur kurz angetönten Gegenkonzepten – die Dialektik, die irgendwie der Diversität innezuwohnen scheint. Diversität ist eindeutig positiv, sie hilft dem Leben zu überleben, aber darunter gibt es viele gegenlaufende Konzepte, die mindestens partiell auch funktionieren – oder sogar diametral der Diversität entgegenarbeiten.
Menschliches Verhalten in Bezug auf Pflanzen ist – antidivers
Sie möchten ein Beispiel hören? Ganz einfach: Unser menschliches oder allgemeiner tierisches Verhalten gegenüber Pflanzen ist grundsätzlich antidivers. Der sprichwörtliche Bär, der zu Urzeiten durch die Fruchtwälder in Kasachstan streifte, und immer nur die grössten und süssesten Äpfel ass und so den heutigen Kulturapfel vorformte – dieser Bär hatte einen Plan, er wollte sich des Apfels zu seinem Vorteil bedienen, und so wählte er eben die grössten und süssesten. Tiere und Menschen wählen aus, sie selektionieren nach bestimmten Vorlieben, die nicht unbedingt im Interesse der Pflanze sein müssen. Sie wählen aus, sie säen aus, sie transportieren, sie verklonen irgendwann auch, sie reduzieren mit ihrem bewussten und unbewussten Tun die Diversität in ganz grossem Ausmass. Dieses tierische Verhalten ist dabei nur die Vorstufe des aktuellen Anthropozäns, in dem der Mensch ganz von seinen natürlichen Sinnen verlassen zu sein scheint, und plündert und zerstört, was die Natur gerade noch hergibt.

Wie immer beim Menschen, der ja ein ziemlich schlaues Tier ist, funktioniert das alles häufig etwas komplizierter und vielleicht auch besser getarnt – nämlich als Selbstbetrug. Gepredigt wird Wasser – getrunken wird der Wein. Nur wenig Konzepte sind in der Politik und Verwaltung aktuell beliebter als der Lobgesang der Diversität. Da werden alte Sorten gesammelt, was das Zeug hält und bis es die Felder sprengt – aber gleichzeitig begrenzen amtlich bewachte Sortenlisten den Zugang zum Anbau. Und wenn sich – im Wesentlichen menschengetrieben – unsere Rahmenbedingungen, Klima und Umwelt verändern, wenn altbekannte Pflanzen gehen und neue einwandern, dann wird flugs zur Jagd auf invasive Neophyten geblasen, als gäbe es nichts Wichtigeres, als jede Hilfe für eine ernstgemeinte Diversitätsstrategie gleich im Keim zu ersticken. Nicht selten wird im gleichen Abschnitt, ja im gleichen Satz die Absurdität auf die Spitze getrieben und man kann dann lesen, dass Neophyten fast naturgegeben die Diversität zerstören würden, was ganz einfach eine volkstümliche Lüge ist. Nicht nur ist grundsätzlich alles Neue, das dazukommt, eine Diversitätsbereicherung, auch unzählige Inselstudien zeigen, dass einwandernde Tiere und Pflanzen die Biodiversität nicht etwa bedrohen, sondern bereichern. Aber vielleicht muss man es zum Abschluss dieses Abschnitts nochmals deutsch und deutlich klarstellen, nur dass da keine Missverständnisse aufkommen: Pflanzenverbote, auf die die Neophytenpolitik in der einen oder anderen Form immer hinausläuft, schaden der Diversität und nützen ihr auf keine Art und Weise. Wer Pflanzen verbietet, verbietet Diversität. Punkt.

Video: Pflanzenverbote sind der falsche Weg, Herr Bundespräsident
Züchtung ist – antidivers
Und jetzt kommen wir unserem eigentlichen Thema schon ziemlich nahe: Natürlich ist auch Züchtung antidivers. Sie ist Auswahl und Vermehrung. Sie vergrössert vielleicht zuerst die Vielfalt (bei der Kreuzung, bei Populationen, bei der Sammlung des Vorhandenen), aber nachher geht es rapide bergab mit der Diversität. Der Züchter, der seine Sämlinge nicht reduziert, wird im Dschungel seiner Pflanzen ersticken, er wird sich in seinen unendlichen Züchtungsfeldern verirren. Ich erinnere mich an einen Besuch bei einem Apfelzüchter in Tschechien, als wir durch 30-jährige Züchtungsanlagen stolperten, voll von Maulwurfshügeln und Fuchslöchern; ich fragte mich permanent, warum der Züchter dieses Material nicht endlich mal entsorgt und reduziert hat. Züchtung erhöht die Diversität – um sie dann möglichst schnell und effizient wieder abbauen… Dies zeigt ein weiteres Mal den dialektischen Charakter der Diversität auf, den wir im bisherigen Gedankengang schon an den verschiedensten Stellen kennengelernt haben.

Bild: Welche gesunde Pflanze würden Sie auswählen?
Wie ist mehr Diversität in der Züchtung möglich?
Nochmals: Wenn Diversität ein zentrales Überlebenselement des Lebens ist und wenn Züchtung an Kulturpflanzen eben das gleiche will, nämlich das Überleben der Pflanzen und des Menschen zu fördern, dann ist es wohl folgerichtig, für möglichst viel Diversität in der Züchtung zu sorgen. Im Folgenden zeige ich aufgrund unserer Erfahrungen bei Lubera 10 Strategien auf, wie man die Diversität in der Züchtung steigern kann – dies immer im Wissen, dass am Ende Züchtung auch eine stark antidiverse Note hat. Wenn die Züchtung die Diversitätsseite vernachlässigt, verliert sie nicht nur ihren Reiz als eine Kunst, sie verliert auch ihre Kreativität und am Ende die Chance, wirklich Neues zu schaffen.
1. Multicrop-Züchtungsprogramme anstatt Spezialisierung
Ich bin davon überzeugt, dass Multicrop Züchtungsprogramme einer stärkeren Spezialisierung überlegen sind. Was man an Tiefe verliert, gewinnt man an Breite und Anregung. Bei unseren 20-30 grossen und kleineren Züchtungsprojekten fällt mir immer wieder auf, dass sich die Projekte befruchten, dass sich langsam aber sicher eine Herangehensweise herausbildet, die ganz gut auch bei sehr verschiedenen Pflanzenarten funktioniert. Mir ist das zum ersten Mal sozusagen extern aufgefallen, als ich die Staudenzüchtungsfirma Terra Nova südlich von Portland besuchte: Die ganze Zierpflanzenwelt rätselte und rätselt darüber, wie es die Kollegen schaffen, jedes Jahr 15-30 neue Staudensorten auf den Markt zu bringen. Ganz einfach: Dies gelingt dank einer ausgeprägten Multicrop-Strategie. Jeder Züchter im Züchtungsteam bearbeitet mehrere verschiedene Arten, die Erfahrungen und Herangehensweisen werden ausgetauscht und wenn möglich dupliziert. Ein weiterer Hinweis, dass an meiner Aussage – Multicrop ist besser als Spezialisierung – etwas dran sein könnte, ist eine Erfahrung, die sehr viele Züchter teilen oder mindestens über andere Züchter gerne kolportieren: Ab einer bestimmten Grösse kippt das Aufwands-/Ertragsverhältnis bei der Züchtung (mehr Sämlinge, gleich mehr Resultate gleich mehr Sorten) und entwickelt sich zu einem umgekehrt proportionalen Züchtungsalptraum: Je mehr gezüchtet wird, je grösser ein Züchtungsprogramm wird, desto mehr nähert es sich dem Punkt, wo der mögliche Ertrag laufend abnimmt. Je mehr Diversität ich produziere, je mehr Sämlinge ich auf meinen Feldern stehen habe, desto schwieriger wird es, sie wieder herunter zu selektionieren. Aber es ist nicht nur das Gesetz der grossen Zahl, die nicht mehr (oder eben nur statistisch, oder nur mit Markern) zu meistern ist, es ist meiner Meinung nach wirklich auch die schiere Ideenlosigkeit, die sich in sehr grossen und quantitätsfixierten Züchtungsprogrammen breitmachen kann. Der Züchter wird zum Abbild seiner Monokultur ;-). Na ja, gerne gebe ich zu, dass ich hier ein bisschen übertreibe… aber halt auch nur ein bisschen. Die spannendsten Züchter, die ich kennengelernt habe, haben immer mehrere Arten bearbeitet! Und noch zwei oder drei als Hobby dazu.

Bild: Züchtungsportfolio Lubera
2. Kombinationszüchtung mit der freien Rekombination der Gene vs. Mutationszüchtung und andere Variantenzüchtungsmethoden
Die Apologeten neuerer Züchtungsmethoden wie CRISPR/Cas argumentieren häufig, dass ja schon bisher Mutationszüchtung gemacht wurde, auch mit künstlichen Methoden (Colchicin, Bestrahlung), und dass es damit für sie schwer zu verstehen sei, warum man jetzt diese neuen 'gentechnischen' Methoden nicht zulassen wolle. Wir wollen diese Diskussion hier an dieser Stelle nicht führen, aber ich möchte die Argumentation doch gerne umdrehen: Alle, oder mindestens die meisten der neuen Züchtungsmethoden wie CRISPR/Cas sind Mutationszüchtungsmethoden, sie produzieren nur Varianten des Gleichen. Ja natürlich, werden die Kollegen jetzt entgegnen, das mag so sein, aber wenn wir die wertvolle Sorte x noch wertvoller machen können, indem wir die Resistenzeigenschaft y hinzufügen, dann ist das doch nur zu begrüssen, oder? – Ja, aber wie war das noch gleich mit der Diversität? Alle diese Methoden führen definitiv nicht zu mehr Diversität, sondern zu weniger (oder sagen wir mal zu einer Mikro-Diversität der gesammelten Mutationen). Erfolgreiche Sorten werden noch erfolgreicher, werden noch mehr angebaut, die Monokulturen werden grösser – das geht genauso lange gut, bis die anmontierte Resistenz durchbrochen wird…
Nur die klassische Kombinationszüchtung, die den Pflanzensex als Grundlage nimmt, lässt die Gene frei kombinieren und produziert wirklich neue Pflanzen, Diversität. Ich habe wirklich Angst, dass diese Grundwahrheit vor lauter Methodengeilheit in der Agronomie vergessen geht.

Bild: Klassische Kreuzung; die weiblichen Organe der Blüten werden mit männlichen Pollen bestäubt
3. Wider die Versuchung der Hybridzüchtung
Natürlich bin ich nicht ganz so mutig, wie es der Titel dieses Abschnitts verspricht. Natürlich muss auch ich anerkennen, dass die Hybridzüchtung wesentlich zu den Fortschritten der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelproduktion im 20. Jahrhundert beigetragen hat (die erste grüne Revolution). Das Grundkonzept der Hybridzüchtung: Inzuchtlinien fixieren Eigenschaften. Durch die Kreuzung von Inzuchtlinien ab der 8.-10. Generation können diese Eigenschaften ideal kombiniert werden und der Heterosiseffekt (sozusagen das Fremdeln der entfernten Inzuchtlinien) führt zu einer Explosion vieler vor allem quantitativer Eigenschaften (Fruchtgrösse, Fruchtbarkeit, Ertrag etc.). Dagegen kann man eigentlich nicht sehr viel sagen, die Resultate sprechen für sich.
Nur: Natürlich arbeitet die Hybridzüchtungsmethode dem Ziel der Diversität diametral entgegen. Alles ist darauf ausgerichtet, Diversität auszuscheiden, Eigenschaften zu vereinheitlichen, die genetische Bandbreite zu reduzieren, um sie dann in einem letztens Schritt, bei der Produktion der sogenannten F1 Generation kontrolliert und geplant teilweise wieder etwas zu verbreitern (aber bitte nicht zu weit…).
Sie haben es sicher gemerkt, ich darf es natürlich als ausgebildeter Ingenieur nicht wagen, gegen die Hybridzüchtung zu wettern, aber ich möchte doch zumindest vorsichtig anzumerken, dass die Umkehrung der Hybridzüchtung bei vielen Arten eben auch eine kreative Züchtung ermöglichen kann. Wir versuchen z.B. bei den Tomaten die Hybridzüchtung zu sprengen, indem wir Hybridsorten aufspalten, danach kreuzen wir wertvolle Individuen, machen Einzelpflanzenselektion und die interessanten Sortenkandidaten werden vegetativ vermehrt. Dadurch brauche ich meine begrenzten Ressourcen nicht für die Aufrechterhaltung der aufwändigen Inzuchtlinien, sondern kann in jeder Züchtungsgeneration immer wieder neue Diversität einkreuzen und über die vegetative Vermehrung stabilisieren (wenn gewünscht). Man sieht, auch erfolgreiche und auf den ersten Blick unschlagbare Züchtungskonzepte können leicht umgedreht werden, nicht selten zum Wohl der Diversität.

Bild: Tomatenzüchtungsanlage bei Lubera in Buchs (CH)
4. Alte Sorten als Quelle für Diversität? Eher nicht!
Die letzten 30 Jahren waren bei vielen Kulturpflanzen und in vielen Regionen der Welt das Zeitalter der alten Sorten. Alt ist gut, und immer förderwürdig. Wahrscheinlich weil man es letztlich schon kennt und nicht mit unliebsamen Überraschungen rechnen muss ;-). In der Schweiz wurden zum Beispiel Stachelbeeren gesammelt, die mit zwei oder drei Ausnahmen alle wegen der starken Mehltauanfälligkeit nicht mehr anzubauen sind… Das Beispiel zeigt auch gut eines der Hauptprobleme der Alten Sorten auf: Sie sind in der Regel alt und vergessen, weil sie schlichtweg von besseren Sorten abgelöst wurden.
Interessanterweise gibt es auch kaum erfolgreiche Züchtungsprojekte, die wirklich auf alten Sorten beruhen, die es sich explizit zur Aufgabe gemacht haben, dem 'Alten' wieder zu seinem angestammten Recht zu verhelfen. Meist sind solche Versuche, alte Sorten gezielt einzukreuzen und damit das Neue zu befruchten, ziemliche Rohrkrepierer: Ich habe das einige Male bei Apfelzüchtungskollegen beobachtet, bei denen nach einigen Jahren die gesamten 'alten' Kreuzungen und Kreuzungsresultate in der Versenkung verschwunden sind. Irgendwie ist das ja auch logisch: Die modernen aktuellen Sorten tragen ja das Erbgut der alten Sorten (die ja meist nur 50-200 Jahre älter sind) auf dem Buckel, da kann in den meisten Fällen nichts wirklich Neues entstehen...
Als einzige Ausnahme kommt mir der Rosenzüchter David Austin in den Sinn, der ja explizit den Charme und den Duft der alten Sorten mit der Dauerblühfähigkeit und dem Farbenspektrum der modernen Sorten verbinden wollte. Ich war einige Male auf den Züchtungsfelder von David Austin – und ich vermute wohl zu Recht, das vielleicht in den Anfangsjahren wirklich das Alte mit dem Neuen verbunden wurde, dass aber in den letzten 50 Jahren moderne und immer modernere Sorten gezüchtet wurden, in die ganz gezielt auch neue Resistenzeigenschaften eingezüchtet wurden. Denn gerade bei der Resistenz versagen alte Sorten sehr häufig, entweder weil sich der Krankheitsdruck in der Monokultur verstärkt, oder weil sich unsere Anforderungen ans Produkt (ohne Flecken, für Frischgenuss statt Verarbeitung) geändert haben.
Dennoch: Die Zeit und die historische Menge der Pflanzenindividuen produzieren Mutationen, die dann in alten Sorten sozusagen ‘überwintern’. So uninteressant es ist, von der Einzüchtung alter Sorten einen Boost für die moderne Züchtung zu erwarten, so kann es immer mal wieder spannend sein, einzelne in alten Sorten konservierte Eigenschaften aufzugreifen und in die moderne Züchtung einzubauen. Beim Apfel haben wir vor über 10 Jahren begonnen, alte amerikanische Sorten des 19. und 18. Jahrhunderts einzuzüchten, die samenlosen Äpfel ausbilden. Der zugrundeliegende Mechanismus besteht dabei aus 2 Teilen: Die samenlosen Apfelsorten produzieren keine Blütenblätter, dafür haben sie verstärkte Kelchblätter. Die fehlenden Blütenblätter führen dazu, dass die damit eher unattraktiven Blüten von keinen oder fast keinen Insekten angeflogen werden. Das wäre der erste Mechanismus. Zusätzlich sind diese Sorten ganz oder auch nur teilweise in der Lage, parthenokarp, also ohne Befruchtung Früchte anzusetzen und zu entwickeln. Vermutlich hängt dies wiederum mit der Stärkung der Kelchblätter und des Blütenbodens zusammen.

Bild: Kernloser Apfel 'Faibella' – der samenlose Apfel ohne Kerne und ohne Kerngehäuse, eine botanische Kuriosität – oder die Zukunft des Apfels?
Diese etwas abstruse Diversität würde natürlich in der Natur nicht sehr lange überleben (jedenfalls nicht als dominante Eigenschaft), da die Vermehrungsfähigkeit ziemlich eingeschränkt wäre… Schon wieder so eine Ironie, die uns beim Thema Diversität auf Schritt und Tritt zu begleiten scheint…

Bild: Blütenknospen der samenlosen Sorten, mit verstärkten Kelchblättern aber ohne Blütenblätter
5. Arthybriden
Arthybriden sind – züchterisch und auch in der Natur – ein recht erfolgreicher Weg, mehr Diversität ins Spiel zu bringen, das Spielfeld der Möglichkeiten sozusagen zu vergrössern. Für mich das schönste Beispiel sind die verschiedenen Zitrusarten und -Typen. Aus nur 4 oder 5 Urarten scheint sich die ganze Formenvielfalt ausgefaltet zu haben, die die Zitruswelt kennzeichnet: Denken wir etwa an die Fingerlimetten, dann an die nur 1cm grossen Minikumquats, auf der anderen Seite die riesigen Grapefruits oder Grapefruithybriden. Diversität pur. Eine Bedingung der Möglichkeit dieser Vielfalt ist sicher, dass eine Gattung immer reich mit promiskuitiven Fähigkeiten ausgestattet ist, so dass wenig Barrieren für die Hybridisierung bestehen. Dies ist bei Zitrus in besonderem Masse der Fall, sogar verwandte Gattungen wie Microcitrus oder Fortunella und Poncirus können mit Zitrus gekreuzt werden oder hybridisieren auch selber bei einem natürlichen Aufeinandertreffen.
Dennoch: Wenn man mit Arthybriden versucht, etwas Neues, sozusagen in der freien Mitte zu schaffen, scheitert das meist. Die Jostabeere ist nicht wirklich ein Grosserfolg (obwohl wir da auch züchterisch tätig sind) und auch Taybeeren sowie andere Rubushybriden kranken immer ein bisschen daran, dass sie weder Fisch noch Vogel sind. Bei den Rubus, Brombeeren und Himbeeren, kommt noch dazu, dass sich die Hybriden mit dem Grundproblem aller Rubusarten besonders schwertun: Gehört jetzt dieser komische Zapfen in der Mitte, der die Sammelfrucht stabilisiert, wirklich zur Frucht oder gehört er zur Pflanze?
Erfolgsversprechender als die Produktion einer Neufrucht, sozusagen einer neuen Hybridart, scheint mir das Ziel, einzelne spezielle Eigenschaften aus der einen Art in die andere Art zu bringen. So versuchen wir z.B. die in den letzten 50 Jahren extrem weit entwickelte Herbstträgerfähigkeit der Herbsthimbeeren ein weiteres Mal in die Brombeere einzubringen (dies geschah zufällig-natürlich schon einmal zu Beginn des 20. Jahrhunderts).
Auch zwischen Stachelbeeren und Schwarzen Johannisbeeren wären Transfers denkbar, die beide Seiten bereichern könnten: Die Mehltauresistenz ist bei den Cassis heute viel besser etabliert und breiter abgesichert als bei den Stachelbeeren. Und gerade die grössten Stachelbeeren könnten immer noch zur Grössenentwicklung der Cassisfrüchte beitragen.

6. Zurück zum Ursprung!
Seit Wawilow (Nikolaj Ivanovič Vavilov, 1887-1943) gehört es zur Grundaufgabe eines Züchters, möglichst grundsätzlich oder auch nur zwischendurch zurück zu den Ursprüngen, zur wilden Diversität oder auch nur zur halb domestizierten Diversität zu gehen. Vavilov hatte schon früh im 20. Jahrhundert das Konzept der genetischen Zentren erdacht und erkannte, dass die Ursprünge einer Art meistens dort zu finden sind, wo die grösste Diversität zu verzeichnen ist. Dabei ist die züchterische Realität durchaus zwiespältig: Man möchte und sollte zur ursprünglichen Diversität zurückgehen, aber man hat eigentlich keine Zeit dafür. Als Resultat ist das Pre-Breeding, wie man es auch gerne und symptomatisch nennt, in vielen grossen Züchtungsprogrammen ausgelagert in eine spezielle Organisation und Stelle. Ich halte das tendenziell für einen Fehler: Wenn man das Heranführen der ursprünglichen Diversität nur als Integration einiger spezieller Features versteht (z.B. einer neuen Resistenz), verpasst man wahrscheinlich mehr Chancen, als dass man sie ergreift. Das klassische Bild, das Züchter gerne malen, erzählt ja die Geschichte, dass den wilden Sorten bei der Domestikation zunächst mal die gesammelten negativen Eigenschaften, die Flausen ausgetrieben werden müssen. Aber wahrscheinlich und wohl produktiver gedacht ist das Glas bei der Domestizierung von wilden Arten auch als halbvoll anzusehen (nicht nur als halbleer): Neben den unzähligen negativen Eigenschaften (kleine Früchte, ungleichmässige Abreife, Selbstunfruchtbarkeit etc.) gibt es immer auch ganz neue und spannende Eigenschaften zu entdecken, auf die ein moderner Markt vielleicht gerade wartet. Wir haben z.B. einen Hängewildapfel (eine Malus-Arthybride) mit ca. 10-20mm grossen Äpfeln in unser Zuchtprogramm eingekreuzt – und bereits nach 2 Züchtungsgenerationen sehen wir einen wahren Reichtum von neuen interessanten Apfeleigenschaften:
- gelbes Fruchtfleisch, aber auch alle Schattierungen von Rot bis Orange
- neue Geschmacksrichtungen, super-fruchtig
- Schorfresistenz
- Marssonina Resistenz
- alle Pflanzenarchitekturen von hängend bis normal
Wir sind fast sicher, dass wir schon in dieser Generation neue spannende Sorten für den Hausgarten, vielleicht auch schon für den Nischenmarkt selektionieren können.

Eine weitere wichtige Variante des 'Zurück zu den Ursprüngen' ist die Entwicklung und Domestikation ganz neuer Arten, oder von halbdomestizierten Arten. Dieser Bereich ist in der aktuellen Züchtungslandschaft systematisch unterentwickelt, weil nicht gefördert wird, was es noch nicht gibt auf der Landkarte der Kulturpflanzen…. Auch dies beruht letztlich auf einem antidiversen Kurzschluss: Sowohl firmenintern als auch auf Seiten staatlicher Förderinstitutionen hat das noch nicht Existente keine Chancen. Das ist selber schon ein wichtiger Faktor für die Austrocknung der Kulturpflanzendiversität. Es fallen regelmässig Kulturpflanzen weg, weil sie klimatisch nicht mehr passen, oder weil sich Konsumgewohnheiten entscheidend ändern; aber es kommen, zumindest in den gemässigten Klimaten, auch fast keine neuen Kulturpflanzen hinzu…
In der folgenden Tabelle stellen wir einige der Lubera®-Domestikationsprojekte vor, die wir aktuell bearbeiten. Das entscheidende Problem haben wir gerade oben beschrieben: Was es noch nicht gibt, ist nur schwer einzuschätzen und deshalb ist man bei Investitionen tendenziell eher konservativ. Bei halbdomestizierten Arten wie Lonicera und Amelanchier ist mindestens eine Tendenz zu erkennen.
Art | wild | halbdomestiziert | Zieleigenschaften für Domestikation | Ribes aureum, Vierbeeren | x | | Selbstfruchtbarkeit, Fruchtgrösse, gleichmässig Abreife, Kulturpflanzenstabilität, Holzstabilität vs. Staudencharakter | Lonicera caerulea, Erstbeeren, Maibeeren, Haskaps | | x | Fruchtgrösse, Zucker/Aroma, Frühe Reifezeit mit gesundem Laub der späteren Genetik zusammenbringen, Selbstfruchtbarkeit | Oca, Oxalis tuberosa | | x | Adaption an mitteleuropäische Verhältnisse, etwas mehr Hitzetoleranz, Langtags-Knollenbildung | Amelanchier alnifolia, Saskatoonbeeren | | x | Fruchtgrösse, Fruchtigkeit, gleichmässig Abreife, Anzahl Beeren pro Traube, Erntefähigkeit, kein Saften am Stiel | Ein guter Hinweis auf zukünftige Rising Stars könnte die Erfolgsgeschichte der Kulturheidelbeere sein, die ihre Domestikationskarriere innerhalb von gut 100 Jahren von der Wildpflücke in den amerikanischen Oststaaten bis zur weltweit zweitgrössten Beerenart abgeschlossen hat. Warum war und ist die Heidelbeere so erfolgreich – und warum ist sie drauf und dran, auch die Erdbeere als Königin der Beeren abzulösen?
- Heidelbeeren sind Everybody’s Darling, jeder hat sie gerne, sie sind aber auch nicht unglaublich charakteristisch, sie ecken nicht an
- Sie bieten und boten genetisch die Grundlage zum Anbau in fast allen Klimazonen, damit zur Jahrrundversorgung der Konsumenten und des Handels
- Sie sind einfach zu ernten und zu transportieren
- Sie sind ‘sauber’, unkompliziert, die zur Pille geformte Frucht, dazu gesund😉
7. Der Totwinkelassistent für Züchter

Züchter kennen ihr eigenes Zuchtmaterial am besten – und wissen es auch am besten einzusetzen. Der Effekt dieses Prozesses wird häufig unterschätzt, (auch ich habe ihn unterschätzt), aber er gewinnt Jahr für Jahr, Jahrzehnt für Jahrzehnt an Kraft. Da hat der Züchter nach 20-30 Jahren seine Zuchtlinien, seine erfolgreichen Eltern, seine Tricks beisammen – und schon droht er betriebsblind zu werden. Auch hier hilft nur Diversität. Wir haben beispielsweise in der zweiten Stufe der Apfelzüchtung ein immer wieder aktualisiertes Apfelsortiment stehen. Dabei legen wir das Hauptaugenmerk nicht auf aktuelle Sortimentssorten, sondern auf möglichst viele aktuelle Neuheiten aus möglichst allen geographischen Regionen. Dies hilft nicht nur bei der Entwicklung des eigenen genetischen Materials, sondern schärft auch das Urteilsvermögen: Bei dieser Eigenschaft sind wir in der Spitzengruppe dabei, bei jener haben wir Aufholbedarf. Ins gleiche Kapitel gehört die Regel, dass 50%, mindestens aber 30% der Kreuzungen mit fremdem genetischem Material erfolgen sollen.
8. Wider die Logik der landwirtschaftlichen Märkte – Der bottom-up-Ansatz

Bild: Blau = "diverse" Kartoffelsorte mit hohem Wildanteil und neuen Eigenschaften, Violett = weiter entwickelte Nischensorten mit verbesserten agronomischen Eigenschaften, Rot = Sorten für den Grossmarkt
Bottom-up-Ansatz: Lubera züchtet zuerst Sorten für den "diversen" Hausgartenmarkt. Bei Äpfeln, Himbeeren, Brombeeren und Kartoffeln sollen dann Nischensorten entwickelt werden.
Die industriell-landwirtschaftlichen Märkte funktionieren nach einer rein industriellen Logik: Mehr vom Gleichen verbessert die Effizienz und erhöht die Gewinnmargen, vor allem im Bereich, der der eigentlichen landwirtschaftlichen Produktion nachgelagert ist. Das gilt für die grossen landwirtschaftlichen Pflanzenarten wie Kartoffeln, Soja, Mais und Getreide, aber auch bin hinein ins Gemüse und Obst. Der Einkäufer, der letztes Jahr 2 erfolgreiche Aktionen mit Gala Äpfeln gemacht hat, wird in seiner Logik versuchen, dieses Jahr 3 Aktionen zu schalten. Er möchte dann diese erfolgreiche Sorte auch im Biomarkt einsetzen, obwohl sie für die Bioproduktion gar nicht geeignet ist und für gute Fruchtqualität 20plus Spritzungen braucht. Schliesslich wird er auch im Biomarkt mit Aktionen beginnen undsoweiterundsofort. (Zur Klarstellung: Gala ist z.B. in der Schweiz wirklich die mit Abstand grösste Sorte im Bioanbau…) Dieses System bewirkt natürlich alles andere als Diversität, wirkt ihr diametral entgegen.
Wir haben dagegen mit unserer Züchtung bei Lubera einen Bottom up Ansatz entwickelt: Wir züchten zunächst für den Hausgartenmarkt, für den Neuheit und auch Diversität und Andersheit ein Wert an und für sich sind. Dabei darf man sich nicht täuschen lassen: Bei vielen Obst- und Beerenarten, aber auch beim Gemüse sind diese Amateurmärkte gross bis sehr gross, in einzelnen Fällen auch viel grösser als der Pflanzenmarkt für den landwirtschaftlichen Anbau. Lubera versucht nur bei einigen wenigen Arten, bei Apfel, Birne, Himbeere, Brombeere und Kartoffel mittelfristig auch Sorten für den landwirtschaftlichen Nischen- oder Grossmarkt zu entwickeln. Wir hoffen, durch den Bottom up-Ansatz (zuerst Hausgartenmarkt, dann erst Nischenmarkt) auch mehr Diversität in die landwirtschaftlichen Märkte hineinzubringen zu können.
Als wir vor einigen Monaten zusammen mit einem landwirtschaftlichen Ausbildungszentrum ein Forschungsprojekt zur Kartoffelzüchtung beim Bund (in der Schweiz) einreichten, kam bald darauf die Absage. Begründung: Wir hätten nicht zeigen können, wie die Resultate unseres Projekts (dass die Einkreuzung von phytophthoraresistenten Wildkartoffeln und von halbdomestizierten Kartoffeln vorsieht) die Qualitätskriterien von Swisspatat (der Kartoffelbranchenorganisation) erfüllen könnten. Punkt. Diese Absage ist genau genommen die exakte Erklärung dafür, warum die Kartoffel immer aussieht wie eine Kartoffel und warum es bis heute, 150 Jahre nach der irischen und europäischen Kartoffelhungersnot (nach dem Einfall der Krautfäule in Europa), noch immer keine wirklich resistenten Sorten auf dem Markt gibt.
9. Was Marker Assisted Breeding mit Ostereiersuche zu tun hat?
Vor zwei Jahren hörte ich an einem Heidelbeerkongress in Trento einer italienischen Züchterkollegin zu: Sie versuchte, zu definieren, was genau gute Fruchtqualität bei Heidelbeeren sei (Festigkeit, Grösse, Zuckergehalt, Säure etc.) und für diese Eigenschaften suchte sie sogenannte molekulare genetische Marker, um in einem frühen Stadium, bei einem kleinen Sämling schon, auf Qualität selektionieren zu können, 2-3 Jahren bevor die Pflanze in der Lage sein würde, Früchte zu tragen. Natürlich ist dieser Ansatz für alle Züchter faszinierend, die schon ab dem 40. Lebensjahr ihr aktuelles Lebensalter in die Berechnung der noch möglichen Zuchtgänge einrechnen: Pro 7-10 Jahre Züchterlebenszeit ist 1 Kreuzungsgang, eine Generation beim Apfel möglich, bei der Heidelbeere vielleicht alle 5 Jahre. Und die Marker-Methode (ich definiere eine gewünschte Eigenschaft und suche mir dann einen genetischen Marker dafür) kann und wird auch funktionieren, bei einfachen Eigenschaften früher, bei komplizierteren langsamer. Das einzige Problem dabei: Man wird nur die Ostereier finden, die man vorher versteckt hat. Man wird definitiv nie eine ganz andere Definition von Fruchtqualität finden können, als sie meine italienische Kollegin für Heidelbeeren definiert hat. Mit anderen Worten: Man wird immer nur das Gleiche finden…

Bild: Züchterhase findet die selber versteckten Eier
Das spricht übrigens nicht gegen den Einsatz von Marker Assisted Breeding in der Züchtung, auch wir benutzen Marker bei Tomaten, Äpfeln, Kartoffeln und vielleicht auch bald bei Himbeeren und Brombeeren. Aber das erkenntnistheoretische Ostereierproblem zeigt auch klar und deutlich auf, dass man nicht zu früh im Selektionsprozess auf Marker setzen sollte.
10. Phänotyp vor Genotyp

Und dies wäre dann die Lösung für das oben unter 9. formulierte erkenntnistheoretische Problem: Phänotyp vor Genotyp. Bevor wir uns der Genetik einer Pflanze zuwenden, muss der Züchter immer schauen, wie sie sich auf dem Feld, und natürlich bei essbaren Pflanzen auch im Gaumen verhält. Das tönt jetzt nach einer Selbstverständlichkeit, ist es aber nicht, dafür ist die Geschwindigkeitsversuchung der Marker für Züchter, vor allem für akademischen Züchter viel zu gross. Als wir vor einigen Jahren mit der Tomatenzüchtung begannen, dachten wir auch, dass wir unsere Züchtungspopulation schnell und auch systematisch mit Makern für die bekannten Resistenzen Arten Ph1, 2 und 3 screenen wollten. Kleine Blattteile aus den Blättern stanzen, einschicken und schon weiss ich, welche Sorten resistent ist und welche nicht. Zum guten Glück haben die Marker und die Tests nicht so gut funktioniert… Jedenfalls hatten wir genug Zeit, alle Pflanzen auf dem Feld zu beobachten. Es stellte sich nämlich heraus, dass eine andere Züchtungslinie gänzlich ohne die schon bekannten Resistenzgene Ph1 bis 3 im Freilandanbau viel interessanter und auch viel resistenter war als die gemarkten Gene. Wir hätten diese Erkenntnisse ohne die genaue Untersuchung des Phänotyps auf dem Feld nie gewonnen. Es gibt beim Züchten ganz einfach nicht so viele Abkürzungen, wie es die Züchter manchmal gerne hätten. Dafür gibt es Ablenkungen und Überraschungen zuhauf. Es ist meiner Meinung nach keine sehr guten Idee, den Zufall, den Treiber der Diversität aus der Züchtung auszuschliessen.
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