Liebe/r Leser/in, vor vier Jahren, als Donald Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt wurde, titelte FOCUS: „Weltmacht Wut“. Heute, vier Jahre später, wirkt unsere Welt nicht weniger wütend. Amerika zerrissen, aufgewühlt und polarisiert – selbst das Volksfest Präsidentschaftswahl hatte nicht die Kraft zu versöhnen. Am Donnerstagmittag, als wir diese Ausgabe in die Druckerei gaben, führte der Demokrat Joe Biden mit 50 Wahlmännern vor dem Republikaner und Amtsinhaber Donald Trump. Schon früh hatte der Präsident angekündigt, ein Wahlergebnis nicht zu akzeptieren, dass ihn nicht als Sieger feststellt. Er sprach von „Betrug“, von einer „gestohlenen“ Wahl. Der ältesten Demokratie der Welt droht nun ein Kampf um das Weiße Haus, der vor Gericht und wohl auch auf der Straße geführt werden wird. Amerika, du treuer Freund, was wird aus dir? Lesen Sie die Berichte zur US-Wahl ab Seite 28 und das Gespräch zwischen Friedrich Merz und Sigmar Gabriel ab Seite 36. Ja, es war eine traurige Woche, eine verstörende. Neun Minuten vergingen nach dem ersten Notruf, bevor der Attentäter von Wien „ausgeschaltet“ wurde, vermeldete Österreichs Innenminister Karl Nehammer. Neun Minuten am Montag, dem 2. November, dem letzten Abend vor dem zweiten Lockdown in Österreich. Es war eine ungewöhnlich laue Herbstnacht, wie bestellt, um ein letztes Mal einen Spritzer im Freien zu trinken, einmal noch auszugehen. Die Wiener Innenstadt vibrierte, wer konnte, war unterwegs. Oper, Konzerthaus, Burgtheater – alle berühmten Kulturstätten der Stadt hatten zu Abschiedsveranstaltungen geladen. Ob der Täter sich bewusst für diesen Abend entschied, um ein Signal gegen unsere westliche Lebenskultur zu setzen, ist noch ungeklärt. Gegen 20 Uhr tauchte er jedenfalls in Wiens Ausgehviertel, dem Bermudadreieck, auf. Hier schlägt das Herz der Wiener jüdischen Gemeinde, die an diesem Abend zum Glück keine Veranstaltung mehr geplant hatte. Bei sich hatte der Attentäter eine automatische Langwaffe, eine Faustfeuerwaffe und eine Machete, dazu einen Sprengstoffgürtel, der sich später als Attrappe herausstellte, und einen Rucksack voll mit Ersatzmunition. Er wäre offensichtlich auf ein noch größeres Massaker vorbereitet gewesen – letztlich tötete er vier Personen und verletzte 23 teilweise schwer, ehe er um 20.09 Uhr von einem Polizisten erschossen wurde. Er war ein Terrorist, der nicht einreiste, um zu morden, sondern sich in seiner Heimat Österreich radikalisierte – obwohl er dem österreichischen Verfassungsschutz bekannt war. Lesen Sie den Bestseller-Autor Helge Timmerberg über die Nacht, die seine Stadt Wien veränderte. FOCUS hat Anfang des Jahres mehrfach über den fatalen Artikel des früheren „Spiegel“-Reporters Hans Leyendecker zum Polizeieinsatz in Bad Kleinen berichtet. Der Fall liegt zwar 27 Jahre zurück, wir konnten aber aufzeigen, dass die desaströse Titelstory Leyendeckers („Der Todesschuss“) auf den lügenhaften Behauptungen eines anonymen Anrufers beruhte. Jetzt hat eine interne Kommission des „Spiegel“ die eigene Bad-Kleinen-Berichterstattung akribisch aufgearbeitet – und schwere journalistische Fehler Leyendeckers und seines damaligen Chefredakteurs festgestellt. Die Kommission schließt sich in ihrem Urteil unserer Recherche an. Leyendecker selbst mag auch weiterhin eine angebliche „Bankrotterklärung“ der aktuellen „Spiegel“-Redaktion beklagen. Bankrott aber ist nur eines – seine Glaubwürdigkeit. Lesen Sie mehr zu diesem Thema in der Kolumne von Helmut Markwort. |