Heribert Prantl beleuchtet ein Thema, das Politik und Gesellschaft (nicht nur) in dieser Woche beschäftigt.
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8. September 2024
Prantls Blick
Die politische Wochenschau
Prof. Dr. Heribert Prantl
Kolumnist und Autor
SZ Mail
Guten Tag,
Willy Brandt wäre jetzt der richtige SPD-Vorsitzende. Er hat noch viel größere Katastrophen erlebt und überlebt als die desaströsen Wahlniederlagen, die die SPD aktuell kassiert. Willy Brandt steht heute, drei Meter vierzig groß, als Skulptur und Mahnung im Erdgeschoss der Parteizentrale in Berlin, das Willy-Brandt-Haus heißt. Wäre die SPD eine gläubige oder abergläubische Partei, würden dort jetzt Kerzen brennen mit der Bitte um Erleuchtung und Wegweisung. Warum? Die Sozialdemokratische Partei stellt zwar noch den Kanzler, aber ansonsten ist es finster in der SPD, es ist so finster, dass sie es noch gar nicht richtig begriffen hat.

Deshalb flüchtet sie sich in Phrasen, beispielsweise in den Spruch „wir müssen unsere Politik besser erklären“. Die Parteiführung scheint zu glauben, eigentlich das Richtige zu tun. Auf die Idee, dass die Wählerinnen und Wähler die Politik der SPD sehr wohl verstehen und die Partei genau deshalb nicht wählen – auf diese Idee kommt in der SPD-Führung niemand. Ja, womöglich braucht die Partei einen neuen Kanzlerkandidaten.  Aber was hilft der, wenn sich an der Politik der Partei nichts ändert? Die Partei braucht einen umfassenden Politikwechsel, sie braucht wieder ein sozialdemokratisches Profil. Sie braucht dieses neue Profil in der Friedenspolitik, sie braucht es in der Sozialpolitik und in der Bildungspolitik, sie braucht es in der Flüchtlings- und in der Sicherheitspolitik.  Wenn eine Partei ihre bisherigen Wähler in alle Richtungen verliert, dann ist das ein Zeichen dafür, dass sie kein Profil mehr hat. Bei einem Auto wechselt man dann die Reifen. Bei einer Partei genügt das nicht.

Was die SPD wagen muss

In wenigen Wochen wird es 55 Jahre her sein, dass Willy Brandt im Bundestag seine erste Regierungserklärung hielt. Er versprach damals, es war am 28. Oktober 1969, „mehr Demokratie“ zu wagen. Mehr Demokratie, das war viel mehr als die Herabsetzung des Wahlalters. Mehr Demokratie hieß vor allem mehr Sozialstaat. Mehr Bildung für Arbeiterkinder.

Eine neue SPD wird dies wagen müssen, trotz, besser gesagt: wegen der gegenwärtigen Kumulation von Krisen. Aber von Wagnis keine Spur. Stattdessen Angst vor der eigenen Courage, stattdessen Kleinmütigkeit vor der nächsten Wahl. Stattdessen die beflissen ängstliche Ankündigung der Nullrunde beim Bürgergeld, als wäre diese nicht ohnehin Gesetzeslage. Stattdessen die Betonung, es gehe nicht darum, alle Bürgergeldempfänger unter den Generalverdacht der Faulheit zu stellen. Besser als mit solchen Beteuerungen kann man eben jenes Ressentiment gegen die Schwachen nicht am Brodeln halten. „Herr Lehrer, im Keller brennt Licht. Aber ich habe es schon ausgemacht.“ Muss es ausgerechnet ein SPD-Minister sein, der das Licht ausmacht?
SZPlus Prantls Blick
Suppenkaspar-Partei Deutschlands
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Willy Brandt hat mit Blick auf die eigene Biografie betont: „Zur Summe meines Lebens gehört im Übrigen, dass es Ausweglosigkeit nicht gibt.“ Die SPD mit trüben Wahlaussichten sollte sich an diesen Satz erinnern.
Heribert Prantl
Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung
SZ Mail
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Prantls Leseempfehlungen
Ein Licht und ein Lichtlein
Das Sprichwort lautet so: „Wenn Du denkst es geht nicht mehr, dann kommt irgendwo ein Lichtlein her“.  Das Sprichwort ist freilich gnädiger als die Realität.  Nach den Wahlen in Thüringen und in Sachsen und vor den Wahlen in Brandenburg hält man nämlich vergeblich nach diesem Lichtlein Ausschau. Es brennt keines, es leuchtet nichts. Aber es gibt dieses Licht und es gibt auch ein Lichtlein, sie sind nur noch entzündet. Man findet Licht und Lichtlein im Grundgesetz: Da ist der Artikel 21 Absatz 2, in dem das Parteiverbot geregelt ist. Und da ist der Artikel 18, in dem es um die Grundrechtsverwirkung geht. Diese beiden Artikel sind so etwas wie der Personenschutz der Menschenwürde.

Es ist wichtig, diesen Personenschutz zu aktivieren. Dafür wirbt der Philosoph und Aktionskünstler Philipp Ruch, Gründer des Zentrums für politische Schönheit, in einem zornigen Buch mit dem alarmierenden Titel: „Es ist 5 vor 1933“. Ruch wirbt für eine demokratische Mobilmachung, er zieht dabei alle Register. Er beschreibt dabei auch den GAU:  Eine Machtübernahme durch die AfD, von ihm datiert auf das Jahr 2029 – mit allem Schrecken, mit allem Horror. Das ist drohend und dröhnend, quälend und gellend. Aber Ruch schreibt ja auch nicht den Schriftsatz an das Bundesverfassungsgericht für die Anträge nach Artikel 18 und Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz, er schreibt die politische Aufforderung, solche Anträge zu stellen. Warum?  Weil das Grundgesetz eine klare Botschaft hat: „Nie wieder“. Das ist der Inhalt und der Gehalt der bundesdeutschen Demokratie. Und Neonazis wie Björn Höcke sind die Symbolfiguren für den Anschluss der AfD an das alte braune Denken.

Nach den Erfolgen der AfD bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen wird der Mut in der Bundesregierung, im Bundestag oder im Bundesrat, solche Anträge zu stellen, nicht steigen.  Aber: Ein rechtsstaatliches Signal ist bitter notwendig – fürs Erste ein Antrag nach Artikel 18 Grundgesetz, der dem gewählten Neonazi Höcke die weiteren politischen Aktivitäten verbietet. Natürlich verschwinden extremistische Einstellungen nicht mit einem solchen Verbot. Aber damit bricht man diesen Einstellungen die Spitze.

Philipp Ruch: Es ist 5 vor 1933.  Was die AfD vorhat – und wie wir sie stoppen. Das Buch ist im Juli im Verlag Ludwig/Penquin/Random House erschienen, es hat 224 Seiten und kostet 16 Euro.
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SZPlus
Fürst Söder
Als der wilde Klaus Kinski einst den Fürsten Myschkin spielte (im Film nach dem Roman „Der Idiot“ von Dostojewski) und er sich zu diesem Zweck einen Bart wachsen lassen musste, war das für ihn, wie er sagte, „ein Martyrium“. Für Markus Söder ist das anders. Für ihn ist alles gut, was ihn interessant macht – sei es ein Bart oder die Ankündigung, doch wieder als Kanzlerkandidat zur Verfügung zu stehen: „Ich würde mich nicht drücken, Verantwortung für unser Land zu übernehmen“, hat er gesagt. Die Kollegen Andreas Glas und Johann Osel analysieren im SZ-Bayernteil vom Wochenende Söders Risikospiel: „Während die AfD in Bayern den Großangriff auf die CSU plant, facht Markus Söder die Stimmen gegen die Grünen weiter an.“ Ist das eine gefährliche strategische Fehlentscheidung? Blau blüht ja in Bayern nicht nur der Enzian, blau sind auch die Karten, auf denen die zweitplatzierten Parteien bei der Europawahl verzeichnet sind - AfD-blau.  Das Stück von Glas und Osel (SZ Plus) ist eine kluge Einführung in den bevorstehenden Bundestagswahlkampf.
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