Heribert Prantl beleuchtet ein Thema, das Politik und Gesellschaft (nicht nur) in dieser Woche beschäftigt.
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11. Dezember 2022
Prantls Blick
Die politische Wochenschau
Prof. Dr. Heribert Prantl
Kolumnist und Autor
SZ Mail
Guten Tag,
Staatsstreich! Staatsstreich? Ich habe mich beim Lesen der Nachrichten gefragt, ob man über das Ganze nun lachen oder weinen soll. Sind diese seltsamen Figuren, die jetzt verhaftet worden sind, in ihrer Lächerlichkeit wirklich die gefährliche Spitze des Rechtsextremismus in Deutschland? Ist die von einem verschrobenen alten Adeligen repräsentierte Gruppe von spinnerten Rentnern und pensionierten Soldaten, Kleinladenbesitzern, Hellsehern und schwadronierenden Deppen wirklich eine staatszersetzende Großgefahr? Was spricht dafür? Immerhin das: Die Querdenkerei dieser Truppe, die zur sogenannten Reichsbürgerbewegung zählt, hat sich aufgeladen mit Umsturzphantasien, mit Neonazismus und Waffengeilheit. Zu dieser kriminellen Gruppe gehört auch eine ehemalige Bundestagsabgeordnete der AfD, von der bis zu ihrer Verhaftung kaum jemand jemals etwas gehört, die aber noch einen Hausausweis für den Bundestag hatte, die Mitglied der Bundesschiedskommission der AfD ist und als Berliner Richterin der deutschen Justiz zur Unehre gereicht.

Es ist nichts falsch daran, diese Leute zu verfolgen und zu bestrafen.  Im Gegenteil, das ist geboten und wichtig, auch wenn man sich schwertut, den angeblich kurz bevorstehenden Staatsstreich zu erkennen und in den nun verhafteten Witzfiguren eine Art Guerilla zu sehen. Mit den Waffenlagern, von denen jetzt berichtet wurde, könnte man wohl eher eine Autobahnraststätte und die Kasse dort überfallen, als einen rechtsradikal-völkischen Putsch organisieren. Aber es gilt auch der Satz: Wehret den Anfängen. „Die völkische Ideensuppe, die in Deutschland und Europa um 1900 angekocht und dann in Deutschland nach 1918 ausgeschenkt wurde, war nicht weniger schwachsinnig als heute, hatte aber eine starke Wirkung,“ so beschreibt es der Historiker Stephan Malinowski. Das ist die richtige Einordnung der braunen Prinzengarde in die Geschichte des Rechtsextremismus.

Man kann und darf also nicht zuwarten, bis aus einer obskur-lächerlichen Gruppe eine obskur-gefährliche Truppe wird. Insofern waren die Razzia und die Verhaftungsserie auch ein Akt der Prävention. Gleichwohl: War es wirklich richtig, das Ganze so spektakulär zu inszenieren?  War es richtig, das Ganze so hoch zu hängen und zu einer bevorstehenden gewaltsamen Machtergreifung durch eine Prinzengarde zu hypostasieren? Es könnte sein, dass die staatliche Großaktion, in der Art und Weise, wie sie durchgeführt und arrangiert wurde, der Bekämpfung des Rechtsextremismus eher schadet als nützt – wenn und weil der Rechtsextremismus nun als eine eigentlich lächerliche Veranstaltung gelten könnte. Wenn dieser seltsame Prinz und seine seltsamen Anhänger, so könnte es künftig heißen, für die Gefährlichkeit des Rechtsextremismus stehen, dann kann es mit dieser Gefährlichkeit doch nicht so weit her sein … Wenn das ein Ergebnis dieser Großrazzia sein sollte, dann würde ich das für sehr ungut halten. Dann wäre die Razzia und der Bohai, der darum gemacht wird, womöglich gefährlicher als die geprinzte Reichsbürgerbande.
SZPlus Prantls Blick
Das braune Netzwerk, der Prinz und sein Hofstaat
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Ich wünsche Ihnen eine adventliche Woche, die, wenigstens zu Hause, schon ein wenig vom weihnachtlichen Frieden spüren lässt.
Heribert Prantl
Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung
SZ Mail
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Prantls Leseempfehlungen
Im Irrenhaus des Jugendstils
Heinrich Vogeler, geboren vor 150 Jahren, war ein Genie und ein Träumer; er war die Verkörperung des Jugendstils. Er zeichnete und malte; er entwarf Schmuck, Porzellan, Mobiliar und Häuser; er illustrierte Bücher, er widmete sich der Ästhetik und allem Schönen. Er war Grafiker, Architekt und, Designer; ein Lebenskünstler wollte er sein. In seinem Anwesen, dem „Barkenhoff“ im Künstlerdorf Worpswede, versuchte er, Kunst und Leben in Einklang zu bringen. Künstlerkollegen wie Rainer Maria Rilke, Paula Modersohn-Becker, Otto Modersohn und Fritz Mackensen halfen ihm dabei – aber es gelang nicht auf Dauer.  Aus dem Lieblingskünstler des deutschen Bürgertums wurde im Ersten Weltkrieg ein Werber für den Frieden, ein pazifistischer Schriftsteller. Im Januar 1918 richtete er Friedensappelle an Kaiser Wilhelm und an die Oberste Heeresleitung, in denen er die Verlogenheit der deutschen Politik anklagte, wurde deswegen ins Irrenhaus eingewiesen. Von diesen Friedensappellen und ihrer Geschichte handelt ein Buch von Bernd Stenzig, das 2018 im Bremer Donat-Verlag erschienen ist, der sich dem Werk von Vogeler besonders angenommen hat. Das Buch heißt: „Das Märchen vom lieben Gott“.  Heinrich Vogeler ging 1931 nach Moskau, er bekämpfte von dort aus das NS-Regime, er starb, nach Kasachstan deportiert, im Jahr 1942. Am heutigen Sonntag ab 16 Uhr zeigt der Sender Arte aus Anlass des 150. Geburtstags des Künstlers einen neuen Dokumentarfilm: „Heinrich Vogeler – Maler, Genosse, Märtyrer“. 

Selten haben ein Künstler und ein Anwesen so zusammengehört wie Heinrich Vogeler und sein „Barkenhoff“ in Worpswede.  Dazu gibt es, gleichfalls im Bremer Donat-Verlag, ein wunderbar illustriertes Buch von Bernd Küster mit einem Vorwort von Hans Koschnick, dem verstorbenen bremischen Bürgermeister für den, wie er schreibt, „nicht immer richtig gewürdigten Sohn der alten Hansestadt“.

Bernd Küster: Das Barkenhoff-Buch. Es ist 2020 im  Donat-Verlag erschienen, hat 208 Seiten und kostet 29,80 Euro. Es hat weihnachtlichen Glanz.
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Die Aura des vielen Geldes
Kosten für die Austragung von Fußball-Weltmeisterschaften in Dollar: Deutschland, 2006: 4,3 Milliarden; Russland, 2018: 11,6 Milliarden; Katar, 2022: 220 Milliarden. „Wenn Geld keine Rolle spielt, dann hier“, so schreibt der Kollege Holger Gertz in seiner Seite-3-Reportage in der SZ vom Freitag.  Gertz beschreibt das meisterlich im Kleinen wie im Großen. Er geht durch die klimatisierte Villaggio Mall in Doha, wenn draußen die Sonne mit 47 Grad brüllt, sieht dort Kanäle und Gondolieri unter einem venezianischen Himmel. In der Villagio Mall ist alles zusammengetragen und gebaut worden, „was der Tourist aus Europa und Übersee braucht, um sich zu Hause fühlen zu können, die Shops, die Chiffren“. Ich habe zuletzt schon vor einer Woche Holger Gertzs Stück aus Katar hier an dieser Stelle empfohlen. Ich empfehle Ihnen auch sein neues Stück. Es trägt den Titel „Bares für Rares“ und ist grandios: „Das viele Geld ist es, das die Aura dieser Weltmeisterschaft schafft – wenn sie überhaupt eine hat“. Wenn Sie Holger Gertz gelesen haben, wissen Sie, was er meint.
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