| | | | | 15. März 2024 | | Deutscher Alltag | | | |
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| | | | | neulich war Robert Habeck in den USA, was an und für sich nicht sehr bemerkenswert ist. Es sind andauernd deutsche und andere Politiker besuchshalber in Washington und New York. Allerdings hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten sehr viel verändert in den Vereinigten Staaten, was man auch daran sieht, dass Donald Trump in diesem Jahr wieder zum Präsidenten gewählt werden könnte. Einer wie Trump, der sich selbst nicht beherrschen kann, strebt nicht planvoll die Weltherrschaft an. Das ist eines der wenigen positiven Dinge, die man über Trump sagen kann. Sollte ihm allerdings jemand einblasen, dass Marokko oder Portugal den USA schaden wollen, wird er sie mindestens verbal und ökonomisch bekämpfen, unabhängig davon, ob er weiÃ, wo diese Länder liegen. Bei Putin, ein entfernter Stiefbruder im Ungeiste von Trump, ist das anders. Er ist ein Regionalimperialist voller Pläne, kennt die Globalgeografie und ist auÃerdem, was den persönlichen Besitz angeht, auch noch reicher als Trump. Das Putin-Regierungssystem ermöglicht die Anhäufung von persönlichem Reichtum während der Amtszeit des Präsidenten. In Amerika geht das so nicht. Da werden Präsidenten erst reich â wenn sie es nicht schon vorher gewesen sind â indem sie hinterher gegen viel Geld Bücher schreiben (lassen), Reden halten oder mit Bruce Springsteen einen Podcast machen. Seitdem Trump vor vier Jahren aus dem Amt schied, führt er die Liste der teuersten âpolitischenâ Redner an. Allein für zwei Reden auf Kongressen der koreanischen Vereinigungskirche, gelegentlich auch Moon-Sekte genannt, kassierte Trump zwei Millionen Dollar. Dagegen verblassen die rund 300 000 Dollar fast, die Ex-Präsident Bill Clinton immer noch durchschnittlich pro Rede einnimmt. Etwas höher liegen die Obamas, auch wenn Clinton sowie seine Gattin Hillary schon viel länger für Reden zu mieten sind. Aufsehen erregte ein Auftritt von Michelle Obama bei der Münchner Bits&Pretzels-Messe im vergangenen Jahr. Sie soll damals für eine nicht ganz einstündige Rede 700 000 Euro abgerechnet haben. Es ist erstaunlich, dass in einer so leistungsorientierten Gesellschaft wie der US-amerikanischen relativ leistungslose Tätigkeiten so wahnsinnig hoch bezahlt werden. Das Münchner Beispiel legt auÃerdem nahe, wie sehr sich Teile der Welt an den ökonomischen, gesellschaftlichen und irgendwie kulturellen Gepflogenheiten zwischen New York und Los Angeles orientieren. Man bezahlt für Prominenz und Präsenz in der Gegenwart von Prominenz: Ich war da, wo Michelle Obama war, also muss ich auch bedeutend sein. Die Anwesenheit von menschgewordener Bedeutung hebt auch die immaterielle Bedeutung der Messe, des Sektenkongresses oder der Verbandstagung. Bedeutung schafft Beachtung und Beachtung unterstützt (vielleicht) Geschäft. Zurück zu Robert Habeck. Er hat vor ein paar Tagen an der New Yorker Columbia Universität vor Studenten honorarlos gesprochen. Als Minister darf er für so was kein Geld nehmen. Wenn er mal keiner mehr ist, würde er in Deutschland mutmaÃlich Redehonorare in der Höhe von denen Peter Hahnes bekommen. Vielleicht braucht man demnächst auch gar keine solchen Redner mehr, weil sich dann mithilfe künstlicher Intelligenz 3-D-Avatare von Karl Marx, Demosthenes und Helene Fischer herstellen lassen, die beim Sparkassentag oder bei Bits&Pretzels als Motivationsredner eingesetzt werden können. Es deutet manches darauf hin, dass Trump ein nicht ganz funktionsfähiges Vormodell dieser Entwicklung sein könnte. Habeck jedenfalls hat den Studenten in New York unter anderem erklärt, was US-Regierungen in Sachen Klimapolitik alles falsch gemacht haben. Er forderte sie dazu auf, selbst aktiv zu werden, um diese Probleme zu lösen (âsolve the fucking problemsâ, sagte er). Und er lieà wissen, dass weder die USA noch Deutschland âauf Kursâ seien, um in absehbarer Zeit klimaneutral zu werden. Es besteht aber Hoffnung, denn der Minister versicherte: âJetzt bringe ich es (Deutschland) auf Kurs.â Zu den Grundregeln eines gegen Geld Sprechenden gehört, dass man seine eigene Bedeutung eigentlich nicht herausstreicht, weil alle ja wissen, dass man bedeutend ist, sonst würde man vor diesem Auditorium nicht gegen Geld sprechen. Erlaubt ist, selbstironisch auf seine Bedeutung hinzuweisen, was allerdings oft schiefgeht, wie zum Beispiel der bayerische Ministerpräsident immer wieder beweist. Habeck hat an der Columbia nun in eher unironischer Weise das getan, was man, in Anlehnung an Friedrich Nietzsche, mit dem Hammer sprechen nennen könnte. Ein Politiker, der von sich selbst sagt, er bringe ein Land auf Kurs, muss entweder eine sehr hohe Meinung von sich haben oder das Land für ein (von ihm) steuerbares Schiff halten. Letzteres wäre gefährlicher als Ersteres, wobei Ersteres viel häufiger vorkommt als Letzteres. Die Lebenserfahrung lehrt, dass Politiker, übrigens auch Politikerinnen, mit fortschreitender Amtsdauer eine höhere Meinung von sich entwickeln, dafür aber Teile ihrer Umwelt weniger hoch schätzen. Nun war zum Beispiel Helmut Kohl schon länger im Amt, bevor er sich sehr sicher war, dass er steuert, die Medien doof sind und es überhaupt auf ihn ankommt. Bei Gerhard Schröder ging das schneller. Es ist interessant, ob Robert Habeck in dieser Hinsicht vielleicht Gerhard Schröder überholen kann. | |
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