 | | |  | | 25. April 2025 | | Deutscher Alltag | | | |
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| | | | | über den Papst, das Konklave und den Vatikan ist in den vergangenen Tagen nun wahrlich alles gesagt und geschrieben worden, was es zu sagen und zu schreiben gibt. Bleibt mir als bayerischem Nicht-Katholiken mit einem nahezu mosebachschen Hang zum Ritual als solchem und Freude an der Kirchenmusik eigentlich nur zu sagen, dass ich es für den Papst sehr bedauere, dass er kurz vor seinem Tod J. D. Vance sehen musste, und nun auch noch Donald Trump an seiner Beerdigung teilnehmen will. Der Herr prüft die Seinen manchmal hart.
Gerade unter Nicht-Katholiken und Innen scheint es eine groÃe Faszination für die geheimnisvollen, mysteriösen oder unheimlichen Aspekte zu geben, die mit dieser Religion verbunden werden. Ein Teil der Popkultur von den Tempelritter-Fantasien über Dan Browns Symbolik-Professor Robert Langdon bis hin zum Transgender-Papst im jüngsten âKonklaveâ-Film lebt davon, dass die katholische Kirche für viele ein Imaginationshintergrund geworden ist. Sie dient als Kulisse so wie etwa die Harry-Potter-Abenteuer vor dem Hintergrund eines verborgenen, magischen Englands spielen. Wer aber GroÃbritannien kennt, weiÃ, dass dort Magie ungefähr so häufig vorkommt wie eine Templerverschwörung im Ostergottesdienst der Kirche St. Christophorus in Percha. âThe problem is all inside your head, she said to meâ, heiÃt es in einem Lied von Paul Simon, das sich mit einem anderen Mythos, der Liebe, beschäftigt.
Es gibt in der katholischen Kirche und im Klerus genug Probleme, die nicht nur im Kopf stattfinden. Auch über sie â den Missbrauch, die institutionalisierte Misogynie, das anachronistische Wahlkönigtum, die Zerrissenheit der Weltkirche â ist viel gesagt und geschrieben worden. Diese Debatten braucht die Kirche, gerade jetzt, da eine Papstwahl ansteht, weil ⦠aber jetzt fange ich selbst damit an, kirchenexpertisch herumzulabern, was ich lieber wirklichen Experten und solchen, die sich dafür halten, überlassen will. Mein Expertentum beschränkt sich auf das Gefühl, dass man Gott, wenn man ihn sehr sucht, auch finden kann, in der Matthäuspassion von Bach zum Beispiel oder an einem stillen Nachmittag in der romanischen Abtei Sant' Antimo südlich von Montalcino. Das ist wirklich alles im Kopf â oder gar in der Seele.
Journalistisch ist der Tod eines Papstes für mich immer mit Carlos Widmann verbunden. Widmann war zu den schnell aufeinanderfolgenden Amtszeiten der Päpste Paul VI. sowie der beiden Johannes Pauls SZ-Korrespondent in Rom. Im August 1978 - ja, liebe Nachgeborene, in der Vornetzzeit und ganz ohne Mobiltelefon â schrieb Widmann über die Beerdigung von Papst Paul; wenig später, Anfang Oktober 1978, tat er das über die Grablegung von Johannes Paul I., der nach nur 33 Tagen im Amt (mysteriös, mysteriös) gestorben war. Widmanns zweite Beerdigungsreportage begann mit diesen Sätzen: âEs war genau dasselbe, und doch war alles anders. Dabei hatten sich beim groÃen, bereits eingeübten Ritual der Trauerfeier für einen verstorbenen Papst nur zwei Details geändert: der Inhalt des Sarges und das Wetter.â
Ich hielt den Einstieg mit den beiden âDetailsâ damals für nahezu genial. Auch heute im Zeitalter der oft leicht hyperbolischen Teaser, des Wischlesens und der redaktionellen Angewohnheit, Geschichten höchstens für ein paar Stunden auffindbar auf der Homepage zu belassen, gibt es noch genug bleibende Zeitungstexte. Das ist gut, denn die Zukunft der Zeitung, auch und gerade die der digitalen Zeitung, liegt darin, dass sie sich von der Vielfalt des digital Verfügbaren unterscheidet. Das ist nicht leicht, denn die ständige Veränderung der Websites, das andauernde Aufploppen neuer âNachrichtenâ auf dem Telefon, die nahezu unendlich erscheinende Vielfalt jederzeit digital abzurufender Medien, die allerorts stattfindende Livetickerisierung vieler Ereignisse beeinträchtigt bei Lesern und Nutzerinnen zum Beispiel die Wahrnehmung einzelner Reporter, einzelner Autorinnen. Wahrscheinlich liegt es an mir, dass ich zwar noch sagen kann, wofür der Spiegel, die SZ oder die FAZ stehen. Wer allerdings als herausragende Reporterin oder als besonderer Erzähler für diese Medien steht, scheint mir heute schwieriger auszumachen zu sein als zu Carlos Widmanns Zeiten.
Als junger Journalist jedenfalls habe ich mir manchmal gewünscht, ich würde so schreiben können wie Carlos Widmann. Leider kann man nie âwieâ schreiben, nicht einmal, wenn man als künstliche Intelligenz wiedergeboren würde. Möglicherweise aber wird sich das in zehn oder fünfzehn Jahren ändern, und die SZ-KI wird dann Formulierungsvorbild für aufstrebende Volontärinnen und Jungredakteure geworden sein. Wer weiÃ. Bei mir warâs noch ein Mensch. Carlos Widmann, der für die SZ aus Italien und Südostasien, aus Lateinamerika und den USA berichtet hat, ist diese Woche übrigens 87 Jahre alt geworden. Wie die Zeit vergeht.
In ein paar Wochen wird es einen neuen Papst geben. Bis dahin und kurz danach werden sich viele darüber auslassen, was die Kirche jetzt für einen Papst braucht und wie der Neue sich von seinen Vorgängern unterscheiden muss. Ich dagegen werde mir einen Plot überlegen, wie der Kommandant der Schweizergarde gemeinsam mit Ilse Aigner und Julia Klöckner einem charismatischen, bisher aber im Verborgenen lebenden vorpriesterlichen Sohn von Karol WojtyÅa zum Einzug ins Konklave verhelfen und schlieÃlich ⦠na, Sie wissen schon. Könnte eine Streaming-Serie werden oder wenigstens ein mehrteiliger SZ-Podcast. | |
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